Im vergangenen Jahr kürte das renommierte Weinjournal „Falstaff" Nina Mann zur Sommelière des Jahres. Diese Woche zeichnete der „Schlemmer Atlas" die 29-Jährige von „Victor’s Fine Dining by Christian Bau" ebenfalls als Sommelière des Jahres aus.
Herzlichen Glückwunsch zu einer weiteren Auszeichnung als Sommelière des Jahres, Frau Mann. Was bedeutet Ihnen das?
Das ist eine große, große Ehre, denn gefühlt habe ich ja eigentlich nur meinen Job gemacht. Es ist ja nicht so, dass es da einen Wettbewerb gäbe, bei dem man sich anmelden kann, wie das oftmals in unserem Beruf ist. Für mich ist ein Sommelier immer einer gewesen, der nur ein besserer Kellner im Restaurant ist. Von daher ist es eine große Ehre, wenn man nur seinen Job macht und dafür eine Auszeichnung bekommt.
Haben sie damit gerechnet?
Nein, gar nicht. Ich habe voriges Jahr eine Auszeichnung bekommen im „Falstaff" als Sommelier des Jahres und ich meine, ich bin recht jung. Ich habe viele Kollegen, die wirklich einen großartigen Job machen.
„Das ist kein Job, den man einfach ausknipst"
Was machen sie anders als diese Kollegen?
Keine Ahnung, ich weiß es nicht (überlegt einige Sekunden). Ich kann es wirklich nicht beurteilen. Ich bin einfach nur ich selbst. Mir war schon immer wichtig, authentisch zu sein und dass man die Regeln und Förmlichkeitsformen im Restaurant einhält.
Ihrem Dialekt nach kommen Sie aus Bayern.
Richtig, bayerischer Schwabe (lacht). Das ist mir wichtig. Aus der Region Augsburg.
Bayern gilt ja eher als Bierland. Wie kommt man da zum Wein?
Das war ein ganz einfacher Werdegang. Ich stand im Restaurant, und da wird’s einem peinlich, wenn der Gast etwas wissen will und man seine Frage nicht beatworten kann. Ob’s jetzt Tabak, Bier oder Wasser ist. Also habe ich mich abends nach der Arbeit hingesetzt, um mich über diese Dinge zu informieren. Irgendwann hat das dann nicht mehr gereicht, also habe ich mich informiert, wie man sich per Lehrgang weiterbilden kann. Studieren wollte ich nicht, ich wollte nicht aus dem Beruf raus und habe dann eben diesen dualen Lehrgang zum Sommelier bei der IHK gemacht.
Wie lange dauert das?
Das ist unterschiedlich. Voraussetzung sind eine abgeschlossene Lehre und eine gewisse Zeit, die man in einem Restaurant verbracht hat, das auch mit Wein zu tun hat. Oder Sie haben sieben Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Dann machen Sie ein Praktikum im Weingut, das ist auch Voraussetzung für diesen Lehrgang. Dann dauert es noch mal acht Monate bis zur Prüfung. Das Ganze dual, das heißt Montag bis Mittwoch Schule, Donnerstag bis Sonntag arbeiten.
Da gehört schon sehr viel Engagement dazu …
Wir haben jeden Tag damit zu tun. Das ist kein Job, den man ausknipst, wenn man nach Hause geht. Erst gestern habe ich wieder einen Wein in der Hand gehabt, von dem ich dachte, hatte ich lange nicht mehr. Also setzt man sich zu Hause noch mal hin und beschäftigt sich damit, frischt das Ganze auf. Man muss einfach am Ball bleiben. Klar geht das auf Kosten der Freizeit, aber das ist es eben, was Passion und Leidenschaft ausmachen.
Wie lässt sich so etwas mit dem Privatleben vereinbaren?
Ich habe Glück, dass meine Familie sehr verständnisvoll ist. Auch mein Partner kommt aus der Gastronomie. Der hat natürlich sehr viel Verständnis dafür, weil er es selbst kennt. Auch wenn er nicht im Restaurant ist, sondern Weinhändler.
Sie arbeiten heute in einem der besten Restaurants der Welt. Wie haben Sie angefangen?
Ich habe in einem ganz kleinen Familienbetrieb, einem Drei-Sterne-Superieur-Hotel, das Hotelfach gelernt und mich dann entschlossen, im Service zu bleiben. Anschließend bin ich an den Tegernsee, was ich für meinen Werdegang als sehr wichtig empfinde. Wir hatten fast jedes Wochenende Hochzeiten, und ich war dann auch mal als Hauptverantwortliche für solch eine Veranstaltung eingesetzt. In diesem Haus war ich vier Jahre und habe dort auch die Sommelier-Ausbildung gemacht. Der Anspruch steigt, und dann bin ich erstmals in ein Sterne-Restaurant. Und seitdem auch immer in der Sterne-Gastronomie geblieben seit 2011.
Und nun seit gut einem Jahr in einem Drei-Sterne-Haus mit asiatischer Prägung. Eine große Umstellung für Sie?
Mir ist das etwas leichter gefallen, weil ich in einem Sterne-Restaurant in Düsseldorf bei Herrn Nagaya gearbeitet habe. Ein Japaner, der eher andersrum als Herr Bau arbeitet und den Einfluss aus der westlichen Küche nutzt. Ich kannte daher viele Begrifflichkeiten schon. Ich weiß, was eine Sakura (japanische Kirschblüte) oder eine Dashi (japanischer Fischsud) wirklich ist und wie eine Miso-Suppe von Norden bis Süden einfach anders schmecken kann.
„Wir müssen jungen Menschen zeigen, warum der Job cool ist"
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Weine dazu aus?
Da geht es tatsächlich viel ums Persönliche. Ich versuche immer, den Charakter des Essens aufzunehmen. Das habe ich bei Herrn Nagaya gelernt. Essen spricht eine Bildsprache. Es ist eine bekömmliche, leichte Küche. Das schließt natürlich schwere Weine aus. Aber natürlich muss man auch schauen, dass man Gäste bedienen kann, die genau das wollen. Ich entscheide in Absprache mit dem Chef. Es gibt auch stest ein Glas Sake zur Weinbegleitung. Ich finde es monoton, immer nur Wein zu trinken. Etwas, das man nicht oft trinkt, ist spannend.
Lassen sich die Gäste darauf ein?
Viele schon, ja.
Was macht für Sie guten Wein aus?
Balance. Darin lässt sich Qualität erkennen, nicht am Preis. Wenn ein Wein zu sehr nach Alkohol schmeckt, muss ich mir anschauen, warum ist das so. Wenn es ein Winzer ist, der renommiert ist, den ich kenne, schaue ich auf den Jahrgang. Könnte sein, dass er noch zu jung ist. Ich würde einen Wein nie einfach abtun.
Würden Sie Wein im Supermarkt kaufen?
Ha, da haben Sie mich erwischt. Ich will nicht ausschließen, dass man da auch gute Weine findet. Es gibt großartige Winzer, die haben Weine im Handel. Ich würde es probieren. Aber wir sprechen hier meist über Produzenten, die Mengen machen, die von der Qualität her nicht so einfach zu überschauen sind. Da werden die Trauben mit Maschinen geerntet, da haben sie keinen Zugriff auf das, was sie da gerade ernten und abpressen. Wenn sie das machen, haben sie viele Pülverchen und Mittelchen, die manchmal hochgradig giftig sind, um Fehler später auszumerzen. Die werden dann reingeschüttet und später rausfiltriert. Seien Sie mir nicht böse. Dass dem Wein die Seele fehlt, ist dann kein Wunder. Ich sage nicht, dass große Mengen schlecht sind. Da müssen sie aber die Qualitäten überschauen können.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Gute Frage (überlegt). Ich möchte im Restaurant stehen, ich finde das super. Leute mitnehmen. Begeistern. Wir haben so viele junge Kollegen. Die muss man noch begeistern, denen muss man zeigen, warum der Job cool ist. Jeden Abend kommen neue Gäste, jeder Abend ist eine andere und neue Herausforderung. Schon alleine, weil viele lieber andere Wege gehen. Zum Teil habe ich Verständnis, von wegen bessere Arbeitszeiten und verträglicher fürs soziale Umfeld. Aber irgendwann haben wir dann keine Profis mehr in der Gastronomie. Vor 20 Jahren hätte ich den Job hier nie bekommen. Da wären noch so viele Profis am Markt gewesen, dass Herr Bau sich die besten Träubchen hätte rauspicken können. Da hätte ich nicht dazu gehört, behaupte ich jetzt mal.
Naja, Sie müssen sich ja auch nicht kleiner machen als Sie sind. Der Erfolg gibt Ihnen ja schließlich Recht.
Das will ich damit auch nicht sagen. Wissen Sie, ich würde mich niemals auf eine Stufe mit Jürgen Fendt stellen oder Stephane Gass. Niemals. Da bin ich in meinen Augen noch lange nicht so weit. Das ist eine großartige Chance, hier zu sein, und daran arbeite ich und habe das Bestreben, immer besser zu werden. Sie sehen, in zehn Jahren bin ich noch lange nicht fertig (lacht).