Eigentlich ist das Kostüm ein Klassiker der Damenmode. Doch es war so lange von der Bildfläche verschwunden und durch den Hosenanzug verdrängt, dass seine Rückkehr auf einigen Laufstegen für die Wintersaison fast schon als kompletter NeuÂanÂfang bewertet werden kann.
Bei den britischen Royals steht es seit jeher hoch im Kurs. So pflegt es die Queen regelmäßig zu tragen, außer sie will mit Etuikleidern mal etwas Abwechslung in ihre Garderobe bringen. Auch Prinzessin Diana hatte eine Vorliebe für das elegant-feminine Kostüm. Und seit Herzogin Kate häufiger in der klassischen Tweed-Variante aufgetreten war, wagte das Boulevardblatt „The Telegraph“ vor einigen Monaten, von einem Comeback des Skirt Suits zu sprechen. Zumal ja auch die britische Premierministerin Theresa May, die vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ den Status einer Stilikone attestiert bekam, meist in taillierten Kostümen in der Öffentlichkeit zu sehen ist. Damit eifert sie eigentlich nur ihrer Vorgängerin in Sachen „Eiserner Lady“ nach, schließlich war auch Margaret Thatcher während ihrer langen Regierungszeit fast durchweg sprichwörtlich kostümiert unterwegs.
Im Rest der Welt, sprich außerhalb der Brexit-Insel, steht das Kostüm, das tatsächlich urbritische Wurzeln hat, noch immer im Schatten des Hosenanzugs. Das war auch auf den internationalen Laufstegen für die Wintersaison 2017 nicht anders. Allerdings haben sich einige Designer offenbar dazu entschlossen, der Rock-Jackett-Kombination wieder neue Aufmerksamkeit zu schenken. Und wer regelmäßig die Anwaltsserie „Suits“ auf Netflix oder Vox verfolgt hat, der wird sich daran erinnern, dass eine der Hauptfiguren, Jessica Person alias Gina Torres, am coolsten in Kostümen rübergekommen war, wie sie Donna Karan einst zu ihrem besonderen Markenzeichen gemacht hatte.
Feminine Alternative zum Hosenanzug
Stichwort Anwältin: Da hätten wir doch beinahe Amal Clooney vergessen, gewissermaßen neues kleidungstechnisches Vorbild für viele Karrierefrauen. Sie ersetzt den Hosenanzug vor Gericht als Aushängeschild der Londoner Kanzlei Doughty Street Chambers bei besonders heiklen Fällen wie dem des Wikileak-Gründers Julien Assange oder der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin Julija Tymoschenko auch mal gerne durch ein Kostüm. Das zählt für IWF-Chefin Christine Lagarde zur Standard-Garderobe, natürlich am liebsten mit Chanel-Signet, und auch Silicon-Valley-Superstar Marissa Mayer schwört seit jeher auf das Ensemble, wobei sie sich in der Regel für Zweiteiler von Carolina Herrera oder Oscar de la Renta entscheidet.
Im 17. Jahrhundert gab es einen frühen Vorläufer des Kostüms in Gestalt der sogenannten Hongreline, im Englischen „Hungerline“ genannt, was nichts anderes war als eine kurze Weste, die über einem langen Rock aus dem gleichen Material getragen wurde. Im 18. Jahrhundert wurde die Weste durch eine längere oder kürzere Jacke namens „Caracao“, „Pet en l’ier“ oder „Casaquin“ ersetzt. Doch letztendlich sollte es bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dauern, ehe die ersten Ensembles geschneidert wurden, die unseren heutigen Kostümen ähnlich sahen.
Der 1820 geborene Engländer John Redfern gilt als der Erfinder dieses Damenmode-Klassikers. Er war ursprünglich Herrenschneider, hatte aber an seinem Stammsitz auf der Isle of Whight, im Viktorianischen Zeitalter so etwas wie der Hotspot des britischen Segelsports, rechtzeitig erkannt, dass die vornehmen Damen für ihre sportiven Aktivitäten unbedingt bequemere Kleidung benötigten. Also entwarf er erste Damenkostüme Anfang der 1870er-Jahre, die aber erst um 1885 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden, weil Redferns Modehaus zu diesem Zeitpunkt ins Blickfeld der britischen Krone gerückt war und sich anschickte, zu einem der Lieferanten der Queen und der Prinzessin von Wales aufzusteigen. In den Alpenländern tauchte um 1875 das Trachtenkostüm aus Lodenstoff auf.
Von Deutschen selten getragen
Erst in den 1890er-Jahren begannen die Pariser Couturiers in ihren neuen „ateliers tailleur“ auch dem Damenkostüm, das bald „tailleur“ oder „ensemble tailleur“ getauft wurde und anfangs auch als „Promenadenanzug“ bekannt war, ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Die britischen Suffragetten wählten das Kostüm in ihrem Kampf für das Frauenwahlrecht Anfang des 20. Jahrhundert als Paradeunifom, auch um gegen die jegliche weibliche Beinfreiheit verhindernden Humpelröcke zu protestieren. Während des Ersten Weltkriegs wurde die wadenlange „Kriegskrioline“ mit passender Jacke kombiniert. Es gab aber auch schon Kostüm aus Seidenjersey, die in den Goldenen Zwanzigern Bestandteil der weiblichen Reisekleidung waren oder für neue Freizeitaktivitäten wie das Radfahren genutzt wurden. Spätestens ab den 1940er-Jahren hatte sich das Kostüm weltweit in der Damenmode so durchgesetzt, dass es sowohl bei der Arbeit als auch bei der Heirat getragen wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte zunächst Christian Dior mit seinem „Bar-Kostüm“ oder „Bar-Ensemble“ den Klassiker geradezu revolutioniert. Es war das absolute Highlight seiner Haute Couture-Kollektion Frühjahr-Sommer 1947 und wurde in sämtlichen Modemagazinen publiziert. Die architektonische, taillenbetonte Silhouette in einem gedeckten Farbduo, Rock aus plissiertem Wolltuch in Schwarz, Jacke aus elfenbeinfarbener Shantungseide mit anliegendem Kragen und abgerundeten Rockschößen, wurde zum Symbol des New Look.
Diors Kostümpaukenschlag war allerdings genau das Gegenteil dessen, was Coco Chanel vor dem Krieg mit ihrer auf Bewegungsfreiheit ausgerichteten Damenmode propagiert hatte. Kein Wunder daher, dass Madame im Jahr 1954 mit ihrem legendären, kragenlosen „Chanel-Kostüm“ aus Tweed-Stoff zurückschlug. Dank des losen, kastenförmigen Jäckchens und dem leicht ausgestellten Rock wurde ein hohes Maß an Beweglichkeit ermöglicht. Chanels Kostüm war als Pendant zum Herrenanzug ausgelegt, dank der Goldknöpfchen versprühte es jedoch eine unübersehbare feminine Eleganz. Während sich in Europa die Begeisterung über Chanels Kreation anfangs in Grenzen hielt, gewann das Chanel-Kostüm in den USA schnell prominente Anhängerinnen. Mit der First Lady Jackie Kennedy an der Spitze.
In den 1970er-Jahren als spießig verschmäht, erlebte das Kostüm im folgenden Jahrzehnt wieder einen absoluten Höhepunkt. Nicht zuletzt dank TV-Kultserien wie „Denver Clan“ oder Kino-Blockbustern wie „Die Waffen der Frauen“ oder „Eine verhängnisvolle Affäre“ wurde es zu einem Synonym für Powerdressing oder zur präferierten Kleiderwahl der Karrierefrauen.
Designer wie Thierry Mugler, Claude Montana oder Giorgio Armani zauberten den Damen superfeminine Kreationen auf den Leib. Ab den 1990er-Jahren kam das Kostüm mehr und mehr aus der Mode, war eigentlich nur noch als Stewardessen-Uniform oder als typische Immobilien-Maklerin-Garderobe wahrnehmbar. Auch als fester Bestandteil des Businesslooks wird es seitdem immer gehandelt, als elegant-feminine Alternative zum Hosenanzug, auch wenn sich speziell in deutschen Landen kaum eine Lady in Spitzenpositionen als Kostüm-Trägerin positioniert hat. Hose, Blazer (oder halt Hosenanzug), gedeckte Farben: Damit lässt sich der Dresscodes deutscher Geschäftsfrauen, Unternehmerinnen oder Politikerinnen kurz und knapp umschreiben, wie renommierte Presseorgane von „Zeit“ bis „Süddeutscher Zeitung“ kritisch-süffisant angemerkt haben. Schade, dass wir hier nur Angela Merkel und keine Carla Bruni-Sarkozy oder Brigitte Macron haben.
Die Kanzlerin wird ihren Modestil sicherlich nicht mehr ändern. Aber vielleicht gelingt es Labeln wie Bottega Veneta, Jill Sander, Fendi, Max Mara oder Tibi mit ihren neuen Kostüm-Kreationen dieses Winters, die eine oder andere Fashionista zu überzeugen. Vor allem der Zweiteiler aus butterweichem Leder von Bottega Veneta hat das Zeug zum Must-have. Wer doch lieber beim Hosenanzug bleiben möchte, hat diese Saison wieder die Qual der Wahl: Prada, Lanvin, Alexander Wang, Lemaire, Haider Ackermann, Isabel Marant …