Die Millionen-Metropole Peking ist ein faszinierender Schmelztiegel jahrtausendealter chinesischer Kultur und hypermoderner Architektur. Das Highlight ist die Verbotene Stadt.
Weltberühmt ist sie – Pekings Verbotene Stadt, die größte Palastanlage der Welt und seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe. Rund ein halbes Jahrtausend herrschten dort die 24 „Himmelssöhne“, Chinas mächtige Kaiser. Bis zur Revolution im Jahr 1911. Puyi, der letzte und erst fünf Jahre alt, durfte bis 1924 bleiben. Seit 1925 steht die von einer gut zehn Meter hohen Mauer umgebene Verbotene Stadt allen Besuchern offen. Zwar nicht das gesamte 720.000 Quadratmeter messende Areal, aber etwa 60 Prozent. Nur Rauchen ist wegen der Holzbauten verboten. In Scharen strömen die Chinesen aus allen Landesteilen herbei, um diesen Kaiserpalast der Superlative, errichtet von 1406 bis 1420, zu besichtigen. Rund eine Million Sklaven und an die 100.000 Kunsthandwerker waren angeblich dort tätig und haben in nur 14 Jahren Großartiges geschaffen.
Hinein geht’s zunächst durch das Tiananmen-Tor, das Tor des Himmlischen Friedens aus den Zeiten der Ming-Dynastie (1368–1644). Eine Grünanlage mit bunten Blumenbeeten und das Mao-Bild auf der Gebäudefassade weisen den Weg. „Auf einem Podest stehend hat Mao hier am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausgerufen“, erklärt Guide Han Zhiyuan von China Tours.
Weiter geht’s durch das Mittagstor, und ab hier wird es poetisch. Tor der höchsten Harmonie heißt der nächste Durchgang, und nun das begeisterte „Ah“ beim Blick über den weitläufigen Platz auf die Halle der höchsten Harmonie, ein harmonisch wirkender Bau von erhabener Schlichtheit. Mit ihrem leicht geschwungenen Doppeldach scheint diese Halle über den drei weißen Marmorterrassen zu schweben. Lediglich das Gedränge vor den Fenstern, die nur einen seitlichen Blick auf den Drachenthron erlauben, ist nicht ganz so harmonisch.
Immerhin wimmelt es draußen von Drachen aller Art. Mehr als 13.000 sollen es sein, gelten sie doch in China als starker Schutz gegen Feinde. Sie ringeln sich auch auf den weißen Steinrampen, die in die wichtigsten Hallen führen und präsentieren sich auf der Neun-Drachen-Wand in leuchtenden Farben.
Der Halle der höchsten Harmonie schließen sich die Halle der vollkommenen Harmonie und die zur Erhaltung der Harmonie an. Gewohnt haben die Kaiser mit ihren Familien im nördlichen Teil. Im Palast der irdischen Ruhe schlief die Kaiserin. Insgesamt sollen sich in den über 900 Hallen und Pavillons 9.999,5 Räume befunden haben. Ganz so viele waren es nicht, das ist eine mythische Zahl, 10.000 Räume waren allein dem Himmel vorbehalten.
„Chaotische Harmonie“ im Verkehr
Durch das Nordtor und über den 52 Meter breiten Wassergraben gelangt man wieder ins heutige Peking. Fotografen richten noch ihre Teleobjektive auf den niedlichen Nordwestturm jenseits des 52 Meter breiten Palastgrabens, und dann wird’s hektisch.
„22 Millionen Einwohner, 5,6 Millionen Autos“, sagt Han und steuert ganz cool durch den heftigen Verkehr. In Deutschland würde es wohl ständig krachen, in Peking nicht, alle fahren aufmerksam und flexibel. „Chaotische Harmonie“, nennt es Han. Am Rande der Fahrbahn treten viele auf gelben und roten Leihrädern kräftig in die Pedalen. „Die kosten fast nichts, das ist ein richtiger Boom geworden“, erklärt er, nimmt sich selbst auch mal solch ein Rad.
Überdies hat die Stadt sechs Ringstraßen bauen lassen und 18 U-Bahn-Linien, 30 sollen es werden. Die Metro-Stationen sind auf Chinesisch und Englisch ausgeschildert, da finden sich selbst Fremdlinge zurecht.
Zu den üblichen Highlights wie Himmels- und Lamatempel geht die Fahrt nicht, auch nicht zum Kaiserlichen Sommerpalast oder zur Großen Mauer außerhalb dieser Megacity. Das moderne Peking soll es diesmal sein. Han freut das. Er steuert Richtung Business District und geradewegs zum 234 Meter hohen Rem Koolhaas-Bau für „China Central Television (CCTV)“. Den nennen die Chinesen scherzhaft „die große Unterhose“. Koolhaas hat sie ihnen auf den Leib geschneidert, und sie sind stolz darauf. Gleich gegenüber imponieren die schillernden Gebäude vom China World Trade Center mit dem 330 Meter hohen Tower III. Der wird bald klein aussehen, wächst doch in Sichtweite der 528 Meter messende „Zhongguo Zun“ himmelwärts, ab 2018 Pekings höchstes Gebäude.
Ganz anders das Nationaltheater in der Innenstadt. Wie ein auf dem grünen Rasen gelandetes Ufo wirkt der Bau des Franzosen Paul Andreu. Der hat vorher rund 50 Flughafenhallen entworfen, hier quasi ein Theater- und Musik-Terminal. Auch das passt, denn im Riesenreich China ist Fliegen notwendig und steht hoch im Kurs. In Peking reicht die Flughafenerweiterung durch das Terminal III, entworfen vom britischen Stararchitekten Norman Fosters, schon nicht mehr aus. Bereits 2015 wurde mit dem Bau eines Super-Airports außerhalb der Stadt begonnen. „Das schaffen wir in drei Jahren“, lacht Han, eine in China übliche Bauzeit für Flughäfen. Dieser braucht vier Jahre und soll Mitte 2019 in Betrieb gehen, erst mal für jährlich 45 Millionen Passagiere, letztendlich für 100 Millionen!
Ein Nationalstadion wird zum Museum
Und was ist aus dem Olympiapark von 2008 geworden? In vielen Orten vergammeln solche überdimensionierten Anlagen im Nachhinein, doch in Peking werden die spektakulären Bauten weiter verwendet. Das von Herzog & De Meuron geplante Nationalstadion – Spitzname Vogelnest – ist nun ein Museum und wird auch für Events genutzt. Das Nationale Schwimmstadion, der blaue Wasserwürfel, wurde zum Spaßbad umgebaut und soll gut besucht sein. Denn die Chinesen lieben das Wasser, und so plätschert es auch leise im Galaxy Soho, designed von der 2016 verstorbenen irakisch-britischen Stararchitektin Zaha Hadid. Das 2012 eröffnete weiße Ensemble mit seinen elegant fließenden Formen ist für viele der schönste von all den modernen Kreationen und eine Oase an heißen Sommertagen. Ein harmonischer Bau und somit das zeitgenössische Pendant zu den Harmonie-Hallen in der Verbotenen Stadt.