Nicht nur Flughäfen wie Saarbrücken und Karlsruhe sind betroffen: Der gesamte Luftverkehrsmarkt in Europa wird derzeit durcheinandergewirbelt – durch Pleiten, Billigflieger und den Kampf mit harten Bandagen um Fluggäste und Marktanteile.
Die Pleite bringt vor allem kleinere Flughäfen in die Bredouille: Sie werden erst mal keine Flüge nach Berlin mehr anbieten können, denn die Pleite-Airline Air Berlin war vielerorts die einzige Flugverbindung in die Hauptstadt. Saarbrückens Flughafen-Chef Thomas Schuck schätzt, dass 80 Prozent der knapp 118.000 Passagiere, die im Jahr 2016 auf dieser Strecke unterwegs waren, von Saarbrücken nach Berlin und zurück flogen, und nur 20 Prozent von Berlin aus nach Saarbrücken und zurück reisten – darunter viele Geschäftsreisende, Politiker und Behördenmitarbeiter. Die Zahl der Reisenden war zuletzt stark gesunken, vor allem wegen Schwierigkeiten von Air Berlin, vielen Beschwerden, Verspätungen, Ausfällen. Immerhin hat der Flughafen nun eine vergleichsweise rasche Lösung finden können: Nach Gesprächen mit der Landesregierung, die in Person von Wirtschaftsstaatsekretär Jürgen Barke (SPD) den Aufsichtsratsvorsitz führt, konnte Schuck die Fluggesellschaft Luxair an Bord holen.
„Plan B" der Landesregierung
„Wir waren ab Januar in Kontakt", so Barke bei einer gemeinsamen Pressekonferenz – schon lange hatte die saarländische Landesregierung also einen Plan B in der Tasche, falls Air Berlin ins Trudeln geraten sollte. Ab Januar nun fliegt Luxair dreimal täglich ab Saarbrücken nach Berlin und zurück. Schneller geht es nicht. „Unsere Maschinen sind alle ausgelastet, ein neues Flugzeug zu bestellen würde zwölf bis achtzehn Monate dauern", so Adrien Ney, Vorstandsvorsitzender von Luxair. Daher fliegt einstweilen eine slowenische Zubringergesellschaft, Adria Airways, unter Luxair-Kommando. Gemeinsam hat man sich auf einen Jet statt Propellermaschine geeinigt, da diese langsamer und, je nach Typ, wartungsintensiver sind und den Drei-Flüge-Rhythmus pro Tag nicht einhalten können. Nun erwartet die Luxair nach vorsichtigen Schätzungen ebenfalls 118.000 bis 120.000 Passagiere im Jahr. „Viele werden wir erst zurückgewinnen müssen, da sie auf andere Flughäfen oder Reisemöglichkeiten ausgewichen sind", so Ney.
Auch andere Regionalflughäfen wie Karlsruhe haben mit dem Wegfall der Air-Berlin-Verbindungen zu kämpfen. Nach aktuellem Stand wird es dort voraussichtlich erst wieder ab März 2018 eine Flugverbindung zwischen dem Flughafen Karlsruhe / Baden-Baden und Berlin-Tegel geben. Die benötigten Flugzeuge mit Besatzung sind im Kaufvertrag zwischen der Lufthansa und der Insolvenzverwaltung der Air Berlin enthalten. Laut Auskunft des Flughafens sind die wirtschaftlichen Einbußen deutlich spürbar, zumal die Flughafengesellschaft Baden Airpark GmbH laut Geschäftsbericht im Jahr 2016 Verluste in Höhe von 7,3 Millionen Euro verzeichnete. Nun fallen zusätzlich zirka 8.000 Passagiere von und nach Tegel im Monat weg, „damit verbunden auch der Ausfall von Aviation- und Non-Aviation-Erlösen in Höhe von rund 100.000 Euro monatlich", so die Baden-Airpark GmbH gegenüber FORUM.
Die Situation am Boden, auf den Flughäfen, bleibt schwierig, in der Luft ist der Wettbewerb noch deutlicher. Entfesselt von den Billigfliegern Ryanair und Easyjet hat der Preiskampf Marktanteile im Europaverkehr kräftig durcheinandergewirbelt. Lange hatten Lufthansa, Air France & Co. die Billigkonkurrenz unterschätzt. Doch während Air Berlin, Monarch und Alitalia vom Verschwinden bedroht sind, tauchen die früheren Staats-Airlines mit immer neuen Marken an Europas Flughäfen auf – und satteln dabei auch schon mal um. So wechselte die Lufthansa bei ihrer Billigmarke von Germanwings auf Eurowings, weil das Management dort deutlich niedrige Pilotengehälter durchsetzen konnte. Air France/KLM startete mit ihrer Billigmarke Transavia, auf Regionalstrecken tritt sie seit 2013 unter dem Namen „Hop!" auf. Ab Dezember geht die neue Konzerntochter „Joon" an den Start, ab 2018 soll sie wie Eurowings auch Langstreckenflüge anbieten. Und die IAG hat für das Projekt Billig-Langstrecke die Tochter „Level" in Barcelona gegründet – obwohl IAG mit „Vueling" längst eine große Billigmarke am Start hat. Die vielen verschiedenen Logos auf den Heckflossen gaukeln an den Flughäfen dadurch eine größere Anbieter-Vielfalt vor, als es sie eigentlich gibt.
Dass Air Berlin nun tranchiert wird, sieht Ney als massive Veränderung im Flugmarkt in Europa an. „Ich erwarte, dass es bald eine große Gesellschaft gibt, die den Markt beherrscht." Gemeint ist die Lufthansa im Verbund der sogenannten Star Alliance, die derzeit 28 Fluggesellschaften weltweit umfasst, darunter Air Canada, die US-amerikanische United Airlines, Air China und die polnische LOT. Durch den Zusammenschluss der größten deutschen Luftfahrtgesellschaft mit großen Teilen Air Berlins entsteht nun erhebliche Marktmacht in Zentraleuropa, die Lufthansa durch den geplanten Teil-Ankauf der ebenfalls schwer angeschlagenen Alitalia noch vergrößern könnte. Ziel der Lufthansa ist es, dadurch das Blatt im Kampf um den internationalen Luftverkehrsmarkt zu seinen Gunsten zu wenden. Denn gegen die Star Alliance formierte sich British Airways zusammen mit Air France-KLM, Iberia, Finnair und American Airways in der „OneWorld"-Allianz. Diese konnte deutlichere Erfolge in den vergangenen Jahren erzielen als die Star Alliance. Das könnte sich nun ändern. Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist davon überzeugt, dass die Konsolidierung der Branche in Europa weitergeht und will bei den großen Deals dabei sein. Dem „Handelsblatt" sagte er: „Es gibt drei starke Anbieter in China, den USA und vom Persischen Golf. Wir brauchen auch drei starke Europäer." Von einer Marktdominanz könne bei Lufthansa mit einem Weltmarktanteil von drei Prozent und 14 Prozent in Europa keine Rede sein. Vom Umsatz und Passagierzahl hat sie die Air France/KLM sowie die British-Airways- und Iberia-Mutter IAG aber bereits hinter sich gelassen.
Konkurrenzkampf und Übernahmen
Übernahmen und Zusammenschlüsse sind in der Luftfahrtbranche grundsätzlich schwierig, sobald sie über Grenzen hinweggehen. So dürfen ausländische Investoren maximal 24,9 Prozent an einer US-amerikanischen Airline übernehmen. Innerhalb der EU gilt: Sobald eine Airline nicht mehr mehrheitlich im Eigentum von EU-Investoren ist, verliert sie ihre Flugrechte. Deshalb hatte Etihad an Air Berlin und Alitalia immer nur große Minderheitsanteile gehalten und weiteres Geld auf anderen Wegen zugeschossen. Im Fall der seit Anfang Oktober insolventen britischen Monarch Airlines dürften zudem die Unsicherheiten rund um den Brexit eine grenzüberschreitende Lösung erschweren.
Übernahmekandidaten gibt es aber noch genug: Die polnische LOT wie die skandinavische SAS hatten sich in der Vergangenheit immer mal wieder vergeblich angedient. Nur wenige Airlines wie die ungarische Malev sind bislang ganz vom Markt verschwunden. Die Alitalia könnte eine Gelegenheit sein, wenn sich der Staat auf eine Lösung nach Air-Berlin-Muster einlässt und entschuldete Teileinheiten samt Flugrechte verkauft. Als Ganzes gilt Alitalia als unsanierbar.