Kunststoff hat diesen Winter als Material wieder Hochkonjunktur in der internationalen Fashion-Welt. Und darum haben transparente (Regen-) Mäntel das Potenzial zum neuen It-Piece.
Mit André Courrèges und Pacco Rabanne begannen im Jahr 1967 zwei ausgewiesene Meister ihres Fachs sich neuen Materialien wie Plastik oder Metall zur Gestaltung von Mode zuzuwenden. Die damalige Welt wurde vom allgemeinen Glauben an unaufhaltsamen Fortschritt und einem festen Optimismus in eine positive Zukunft beherrscht. Die Kreationen der beiden genannten Designer waren experimentell und futuristisch, genau passend zum Weltraumzeitalter, das im Englischen Space Age genannt wurde. Im All, wie es sich die Fashion-Designer der Swinging Sixties vorstellten, war eigentlich nur Platz für zwei Beinkleider, nämlich die Hose und den revolutionären Minirock.
Im Kino präsentierte Jane Fonda alias „Barbarella“ 1968 einen von Paco Rabanne und dem Kostüm-Designer Jacques Fonteray entworfenen Weltraum-Chic nach Männergeschmack mit freizügigen Kreationen samt Plastikbustier und hautengen Boots. Auch Pierre Cardin entdeckte die Möglichkeiten von Kunststoff und Plastik für ungewöhnliche Kreationen, er ließ seine Models in Helmen, astronautenähnlichen Anzügen, metallischen Bodysuits oder Overalls aus Plastik auf den Laufstegen defilieren. In den USA sorgte der jüdisch-österreichische Emigrant Rudi Gernreich mit seinen Versionen der Space-Age-Mode für Aufsehen, wobei seine weißen Plastoid-Panzerungen die Schutzkleidung der Stormtroopers aus „Star Wars“ vorwegnahmen.
Ungewöhnliche Kreationen sind möglich
Warum sich Karl Lagerfeld für seine Chanel-Sommerkollektion 2018 ausgerechnet von der Space-Age-Fashion der 60er-Jahre inspirieren ließ und dabei seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem Material Plastik in seiner durchsichtigen Variante zuwandte, wird sich wohl niemals klären lassen. Auf explizite Nachfrage gab Lagerfeld nur die lapidare Antwort, dass er dazu nichts sagen könne, weil er schließlich kein Philosoph sei. Aber um den Vätern der Space-Age-Mode seine Referenz zu erweisen, ließ der Modezar im Grand Palais immerhin eine riesige Chanel-Rakete aufstellen. Und merkte an, dass die Materialien, mit denen seine Vorbilder in den 60ern gearbeitet hatten, von miserabler Qualität gewesen seien. Das sei nun bei Chanel ganz anders, denn man habe die bei der Kollektion verarbeitete besondere Sorte von Plastik speziell im eigenen Unternehmen entwickelt.
Kein Wunder bei diesem Aufwand, dass Lagerfeld es in Sachen Kreationen aus transparentem Plastik so richtig krachen ließ. Zu den auffälligsten Teilen zählten dabei Regencapes, Ponchos oder Mäntel. Daneben waren fingerlose Handschuhe aus klarem PVC, Handtaschen aus durchsichtigem Plastik und Overknee-Stiefel aus transparentem PVC mit weißer Kappe zu bestaunen. Neben Chanel hatten auch noch einige weitere Nobel-Marken auf der Pariser Fashion Week für den Sommer 2018 interessante Entwürfe aus Plastik oder mit PVC-Details gezeigt, beispielsweise Valentino (Jacken), Louis Vuitton oder Balenciaga (Hemden).
Dass Kunststoff derzeit in der Fashionwelt ein regelrechtes Revival erlebt, haben allerdings in den letzten Monaten schon lange vor Chanel eine Reihe anderer Labels, Promis und Streetstyle-Star unter Beweis gestellt. Klamotten aus Lackleder oder PVC/Vinyl, die lange nur der schmuddeligen Fetisch-Ecke oder dem Rotlichtmilieu zugerechnet wurden, zeigen sich immer mehr salontauglich. Selbst die eher dezent-elegante Mode-Ikone Alexa Chung präsentierte sich in knallengen schwarzen Vinyl-Trousers, die plötzlich alle Welt haben wollte, und wählte als Outdoor-Wear auch schon mal einen schwarzen Lackledermantel.
In der Wintersaison geht der Kunststoff-Trend neue Wege, indem er sich dem durchsichtigen Plastik zuwendet. Die Designer verwenden das Material vor allem für interessante (Regen-) Mantel-Kreationen. Diese kommen meist wie ein edler, transparenter Überzieher daher, wie eine dünne Extra-Beschichtung, um den darunter durchscheinenden Look vor Nässe oder Schmutz zu schützen.
Bei Transparenz zählt das Darunter
Ein Paradebeispiel für diese neuen Plastik-Mäntel lieferte Raf Simons mit seiner Debüt-Kollektion für Calvin Klein. Die PVC-Teile lagen wie eine zweite Haut über einem karierten Mantel oder einem Federkleid. Ähnliches konnte auf dem Laufsteg von Moschino bestaunt werden. Auch Miuccia Prada sprang mit ihrem Label Miu Miu auf den Clear-Plastic-Trendzug beim Manteldesign auf. Interessante Umsetzungen der transparenten Coats bieten aber auch Emilio Pucci, Tory Burch, Burberry, Christopher Kane oder Won Hundred. Wer möchte, kann beispielsweise von Calvin Klein auch noch gleich Heels mit transparenten Plastik-Einsätzen dazu kaufen. Bei Zara gibt’s übrigens einen Kurzmantel für vergleichsweise kleines Geld.
Im direkten Vergleich mit den aktuellen transparenten Coats wirken die neuen Nylon-Mäntel ziemlich bieder. Aber sie sind ganz bestimmt eine Alternative für Damen, die nicht so gerne auffallen möchten und lassen sich zudem wunderbar Platz sparend im Reisekoffer mitführen.
Die schönsten Nylon-Mäntel der Wintersaison 2017 haben wir in den Kollektionen von Céline, Michael Kors, Topshop, Stella McCartney und Christian Dior entdecken können. Günstige Modelle gibt’s auch bei H&M. Wer sich an Lackleder-Mäntel herantrauen möchte, wird diesen Winter im Sortiment von Marken wie Topshop, Diane von Furstenberg, Tibi, Asos oder Marques’ Almeida fündig. Aktuelle Vinyl-Mäntel – fast allesamt Trenchcoats – gibt es unter anderem von Stella McCartney, Isabel Marant, Loewe, Attico, Asos, Topshop, Miu Miu oder Marni.