Am Anfang rennt ein Schwein durch Brüssel. Es treibt die Handlung nicht voran, aber es zeigt, worum es sich bei diesem Roman über die Hauptstadt Europas handelt – er ist eine Farce. Es geht um das Geflecht der Generaldirektionen (DG), aus denen die EU-Bürokratie besteht, um Lobbygruppen, das Hauen und Stechen unter den Beamten und die nationalen Eigensinnigkeiten.
Dazwischen geht immer wieder die grundlegende Idee unter, die Robert Menasse selbst in seinen Essays als die Essenz der EU beschrieben hat: die Organisation eines nachnationalen Europas und nicht eines bloßen Wirtschaftsraums. Auf dieser Gründungsidee, so der Roman, soll eine Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen der EU-Kommission aufbauen. Martin Susman, Beamter in der DG Kultur, der von seiner Chefin Xenia Xenopoulou mit der Ausarbeitung des Konzepts beauftragt wird, kommt bei einer routinemäßigen Reise nach Auschwitz auf die Idee, die Feier an dem Schwur der Auschwitz-Überlebenden aufzuhängen: „Nie wieder Nationalismus! Nie wieder Rassismus! Nie wieder Auschwitz!"
Zwischendurch geht es um europäische Schweineproduzenten, die erbittert um ein Handelsabkommen mit China konkurrieren. Dann geschieht ein geheimnisvoller Mord in Brüssel, den ein polnischer Geheimagenten im Dienst des Vatikan (?) verübt, der aber offenbar den Falschen erwischt hat. Jedenfalls verschwinden bei Inspektor Brunfaut spurlos alle Ermittlungsakten aus dem Computer. Ein Professor Erhard düpiert seine gesamte Reflection Group, die die Kommission beraten soll, mit einer flammenden Rede gegen den Nationalismus und fordert eine neue Hauptstadt für Europa.
Menasse bleibt nicht an der Oberfläche. Er schafft es, seine Protagonisten durch die Schilderung ihrer Biografien lebendig zu machen. Menasse hat einen gut lesbaren, temporeichen Roman über die EU geschrieben. Dafür hat der 63-jährige Österreicher den Deutschen Buchpreis erhalten.