Gegen Borussia Mönchengladbach startet Hertha BSC in die abschließende Phase des Jahres – mit insgesamt acht Pflichtspielen.
Die TSG Hoffenheim stellte mit einem Dutzend Kickern mehr Spieler für die gerade absolvierten Länderspiele ab als Rekordmeister Bayern München. An der Spitze dieses Rankings in der Bundesliga stand allerdings ein anderer Verein – Hertha BSC. Gleich 14 Aktive waren in den letzten zwei Wochen mit den verschiedenen Auswahlen unterwegs. Die hohe Zahl hat dabei einen besonders erfreulichen Hintergrund: Mit fünf Nominierungen von U19 bis U21 (Baak, Maier, Friede, Mittelstädt, Torunarigha) war der Berliner Nachwuchs in den deutschen Juniorenmannschaften vertreten.
Gerade bei den Talenten hoffte Pal Dardai, dass sie in den Auswahlteams zu ihren Einsatzzeiten kommen – jedes Spiel auf hohem Niveau bringt sie schließlich weiter. Im Heimspiel gegen Luhansk (2:0) Anfang November etwa hatte der Hertha-Trainer mal wieder kräftig rotieren lassen: Die zuvor gegen den Hamburger SV (2:1) siegreiche Startelf änderte er auf gleich acht Positionen – drei davon wurden von Nachwuchsspielern besetzt. Eine Maßnahme nicht ohne Risiko, musste die Partie doch gewonnen werden, um noch eine Chance auf das Weiterkommen im internationalen Wettbewerb zu wahren. Die „dritte Hochzeit", der DFB-Pokal, hatte sich zu diesem Zeitpunkt ja bereits erledigt. Das Ziel, das Endspiel im eigenen Stadion zu erreichen, wurde damit nicht nur weit verfehlt – sondern auch noch gegen einen Gegner verspielt, dem in dieser Saison noch nichts gelungen war. Außer der Erstrundenpartie (bei Fünftligist Leher TS) hatte der 1. FC Köln noch kein Saisonspiel gewinnen können, doch die Geißböcke setzten sich im Olympiastadion mit 3:1 durch.
Ein Spiel, das die brodelnde Hertha-Seele erstmals in dieser Saison richtig überkochen ließ: Nach dem Abpfiff gab es zum Teil deftige Schmähungen aus der Ostkurve zu hören. Mannschaft und vor allem Trainer Dardai schienen von der Vehemenz der Reaktionen durchaus überrascht. Der Ungar hatte schließlich gebetsmühlenartig vor zu großen Erwartungen in dieser Spielzeit gewarnt – nun musste er feststellen, dass vor dem folgenden Heimspiel gegen den HSV eine echte Druckkulisse für ihn und seine Schützlinge entstanden war. Das Team konnte das Spiel dann zwar mit zwei Kopfballtoren nach Standardsituationen rechtzeitig zu seinen Gunsten gestalten – musste nach dem Anschlusstor aber trotzdem noch zittern. Dennoch: Ein extrem wichtiger Sieg nach sieben Pflichtspielen ohne Erfolgserlebnis.
Auch die erwähnte Rotationsmaßnahme in der Europa League ging mit einem Heimsieg gegen Luhansk auf. Pal Dardai hatte angesichts der Situation etwas undiplomatisch im Vorfeld der Partie zum Ausdruck gebracht, dass die anschließende Bundesligaaufgabe in Wolfsburg für ihn Priorität besitze. Manager Michael Preetz machte daraufhin umgehend deutlich, dass man die Europa League sehr wohl ernst nehme – Teile der Fanszene waren da zu diesem Zeitpunkt durchaus gegenteiliger Überzeugung. Der erste Sieg im vierten internationalen Spiel brachte dann auch in dieser Hinsicht etwas Ruhe ins Umfeld. Vor allem dank der positiven Entwicklung einer Personalie: der von Davie Selke. Der mit acht Millionen Euro teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte steuerte beide Treffer zum 2:0-Sieg bei, spielte erstmals über 90 Minuten. Keine Frage: Der 22-Jährige ist bei Hertha angekommen, befindet sich aber immer noch in der Aufbauphase.
Ibisevic traf erstmals seit April in der Liga
Beim anschließenden Spiel in der Autostadt saß Selke zunächst wieder auf der Bank – Pal Dardai gab der „HSV-Elf" wieder den Vorzug. Und die erwischte einen Start nach Maß: Schon nach 20 Sekunden ging Hertha beim VfL in Führung. Die Maßgabe, vom Anpfiff weg aggressiv zu stören, trug sofort Früchte: im Mittelfeld eroberten die Berliner den Ball, Valentino Lazaro schickte Vedad Ibisevic und der Kapitän traf erstmals wieder in der Bundesliga seit April (damals zuhause gegen Wolfsburg). Ein frühes 1:0, der Knoten beim Torjäger geplatzt, Lazaro – als Neuzugang ebenfalls zunächst mit Verletzung bei Hertha angetreten – mit seiner ersten Torvorlage: lauter Pluspunkte für das Selbstbewusstsein. Sollte man zumindest meinen – doch Hertha BSC gab sich mit dem 1:0 zufrieden und ließ sich von den Wolfsburgern im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit zurückdrängen.
Die 2:1-Pausenführung der Hausherren fiel dann sogar schmeichelhaft aus – schließlich verschoss Mario Gomez noch einen Elfmeter. In der Kabine der Hauptstädter herrschte Gesprächsbedarf. Immerhin reichte es am Ende noch zu einem Unentschieden: dank Toren von Karim Rekik (wieder nach einem Standard) und erneut Selke. Dennoch fiel auf Berliner Seite die Wertung der Punkteteilung von Wolfsburg einhellig mit „glücklich" aus. Durchwachsen auch die Bilanz des zweiten „Drei-Wochen-Blocks" der Saison 2017/18: fünf Punkte aus vier Bundesligaspielen, Abschied aus dem DFB-Pokal, Chance auf die Zwischenrunde in der Europa League gewahrt. Vor allem in der Liga deutet alles auf die – zu erwartende – Veränderung hin: 2015 (17 Punkte) und 2016 (21) stand Hertha BSC nach elf Spielen deutlich besser da als aktuell (14). Unter den Umständen dieser Spielzeit werden sich die Berliner nun keine schwache Rückrunde erlauben können, sondern müssen konsequent weiter punkten. Das wird die Aufgabe der Mannschaft sein, um in ihrer Entwicklung wieder einen Schritt weiter zu machen.
Die letzten Wochen des Kalenderjahrs haben es dabei nochmal richtig in sich: acht Mal treten die Blau-Weißen binnen 30 Tagen an. Da würde man natürlich personell gerne aus dem Vollen schöpfen. Vladimir Darida etwa fällt aber schon länger aus, ein ähnliches Szenario droht aktuell bei Niklas Stark (Wade) und Valentin Stocker (Knie), Mitchell Weiser trat in der Länderspielpause ebenfalls kürzer. Senkrechtstarter Mathew Leckie (vier Tore nach fünf BL-Spielen) scheint die Belastung inklusive der weiten Reisen mit der australischen Nationalelf nicht gut zu bekommen. Zuletzt pausierte er wegen muskulärer Probleme gänzlich, fuhr aber mit den „Socceroos" in die Qualifikations-Playoffs gegen Honduras – und reiste dabei praktisch einmal um den Globus. Auf ihn dürfte Pal Dardai gegen Borussia Mönchengladbach am Sonnabend daher ein weiteres Mal verzichten.
Wenigstens die Daheimgebliebenen in Reihen von Hertha BSC kamen da angesichts des Programms mal in einen ungewohnten Genuss: Während der Länderspielpause gönnte der Trainer ihnen ein freies Wochenende – das letzte vor Weihnachten.