Die Erweiterung des Saarlandmuseums war als kulturelles Leuchtturmprojekt geplant. Heftige Geburtswehen beschäftigten bald Staatsanwälte und Gerichte. Zwei U-Ausschüsse hielten Politik und Öffentlichkeit in Atem.
Das gute Jahrzehnt vom Beschluss zum Neubau im Jahr 2006 bis zur Eröffnung Ende 2017 hat etliche Zutaten zu bieten, die allesamt auf unterschiedlichen Ebenen als Lehrstück taugen. Die wechselhaften Hauptrollen im schlagzeilenträchtigen Jahrzehnt waren (und sind) allesamt höchst prominent besetzt, gleich ob aus Politik, Kultur oder Wirtschaft.
Wie bei allen Dramen beginnt die Geschichte mit Szenen, die einen lang gehegten Wunsch vor der Erfüllung sahen. 2006 beschließt das Kuratorium der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, den schon lange geplanten Museumsneubau endlich anzupacken. Ein EU-weiter Realisierungswettbewerb wird ausgeschrieben, Vorschläge mit einem vorgegebenen Kostenrahmen von neun Millionen Euro werden erbeten. Des Dramas erster Akt kommt im Nachhinein vergleichsweise harmlos daher. Das Interesse war so groß, dass alleine schon die Wettbewerbskosten mit einer guten Million zu Buche standen. 345 Architekten hatten Entwürfe eingereicht.
Stiftungsvorstand Ralph Melcher engagierte Gerd Marx als Projektsteuerer, der wiederum Melcher samt dem damaligen Kultusminister und damit in Personalvorstand Kurator der Stiftung, Jürgen Schreier, zu einem „Herrenabend“ in ein Restaurant in Phalsbourg (bei Straßburg) lud. Die Staatsanwaltschaft wird das später als Vorteilsgewährung beziehungsweise Vorteilsnahme werten. 2011 wird die Kulturstiftung von Melcher Rückerstattungen von Reisekosten und Spesen in fünfstelliger Höhe fordern.
Ein Stück „Größenwahn“ (Oppositionskritik) paarte sich mit einer Stiftungsstruktur, die bei den Prüfern vom Landesrechnungshof nahezu blankes Entsetzen hervorrief. Das Reisekostengesetz sei auf den Stiftungsvorstand „so gut wie gar nicht angewendet“ worden, ein Vier-Augen-Prinzip kannte die Stiftung nicht. Beides wurde später abgestellt, die Struktur der Stiftung entsprechend geändert.
Stillstand am Bau, Streit im Ausschuss
Dabei wirkt das Spesengebaren fast schon wie ein Nebenkriegsschauplatz im Vergleich zu dem, was sich ansonsten in der ersten Phase des „IV. Pavillon“ abspielte, ist aber offenbar symptomatisch. Die Preisvergabe auf die Ausschreibung musste zurückgenommen werden. Der erste Preisträger hatte schlicht in seinem Entwurf Vorgaben nicht eingehalten. So ging es in die zweite Runde. Davor hätte die Stiftung bis zu einer halben Millionen sparen können, hätte sie nur einen begrenzten Wettbewerb durchgeführt und dafür auch geringere Beratungshonorare verhandelt, konstatierte der Rechnungshof. Der kam zweitweise selbst mit seinen Prüfungen zunehmend in eine Hauptrolle beim Drama „IV. Pavillon“ und brachte nicht nur die Stiftung, sondern auch die Politik immer mehr in Erklärungsdruck. „Von vornherein falsch“, „unrealistisch“ seien die Kostenschätzungen gewesen, für die ursprünglich genannten Summen sei „der Museumsneu zu keiner Zeit herstellbar“ gewesen. Konsequenterweise wurde auf Betreiben der Opposition 2011 ein erster Untersuchungsausschuss im Landtag eingesetzt, um die wirklichen Sachverhalte und politische Verantwortung zu klären. Nach nur sieben Sitzungen war Schluss. Durch die vorgezogene Neuwahl nach dem Bruch der „Jamaika“-Regierung war der Ausschuss, wie es parlamentarisch heißt, „der Diskontinuität anheimgefallen“. Das aber wollten insbesondere die 2012 neu ins Parlament gewählten Piraten so nicht stehen lassen, es folgte Untersuchungsausschuss Nummer zwei. Dabei meinten selbst Linke und Grüne (jetzt wieder in der Opposition), die Hauptsache sei eigentlich schon geklärt.
Diese „Hauptsache“ aus Sicht der Opposition war die heutige Ministerpräsidentin, die 2009 als Kulturministerin beim Spatenstich zum Neubau mitten im Wahlkampf die Öffentlichkeit über die wahren Kosten getäuscht habe. Aus den neun Millionen (Ausschreibung) waren 14,5 Millionen Euro geworden, die Kramp-Karrenbauer zum symbolischen Akt kommunizierte, obwohl doch bereits zu dieser Zeit klar gewesen sei, dass die Kosten die 20-Millionen-Grenze übersteigen würden. Kramp-Karrenbauer verteidigte sich mit dem Satz, der zum geflügelt Wort wurde: Sie habe auf zusätzliche Kosten (neben den reinen Baukosten von 14,5 Millionen) hingewiesen, sie „benannt, aber nicht beziffert“. Die Opposition sah sie, wieder vor einem Wahltermin, mindestens der Täuschung überführt. Am klaren Wahlsieg von Kramp-Karrenbauer änderte das nichts. Im Frühjahr 2012 waren die Saarländer offenbar mehr daran interessiert, dass nach dem „Jamaika-Chaos“ wieder Ruhe in die Saar-Politik kommt. Daran hat sich auch nichts geändert, als fünf Jahre später der zweite Untersuchungsausschuss seinen über 150 Seiten starken Abschlussbericht, wieder kurz vor einem Wahltermin, vorlegte.
Mit Jürgen Schreier, Annegret Kramp-Karrenbauer, Karl Rauber und Stephan Toscani waren vier CDU-Minister in den Skandaljahren mit dem Bau befasst. Nach der Entlassung Melchers war zwischenzeitlich Völklingens Weltkulturerbe-Chef Meinrad Maria Grewenig als geschäftsführender Vorstand der Stiftung mit dem Bau beschäftigt. Der Rohbau stand, ansonsten kehrte Ruhe ein. Unklare Kostensituation, die Akten größtenteils in Händen der ermittelnden Staatsanwaltschaft, führten zum Baustopp und sogar zu zwischenzeitlichen Gedankenspielen über eine mögliche anderweitige Nutzung des rohen Betonklotzes. Einer der vielen Kollateralschäden dieser Zeit war der verärgerte Rückzug des Unternehmers und Sponsors Edwin Kohl aus dem Kuratorium der Stiftung.
Aus dem Bau kann man was machen
Ein neues Gutachten, diesmal von WPW-Ingenieuren, erkannte zwar „sehr viel Murks“, aber einen Rohbau, „aus dem man noch was machen kann“. Das war schließlich die Basis, auf der Ulrich Commerçon (SPD) die Baustelle 2012 als Kulturminister der neuen Großen Koalition übernahm. Die Kosten waren von neun Millionen (Ausschreibung), 14.5 Millionen (AKK zum Bau beim Spatenstich), 20,1 Millionen (Kabinettsvorlage), 25 Millionen (Rechnungshof) auf 29,4 Millionen (WPW-Ingenieure) gestiegen. Der neue Minister rechnete zusätzlich Fassade, Umfeldgestaltung, juristische und andere zusätzliche Kosten hinzu und deckelte das Projekt auf „unter 40 Millionen“. Das ursprüngliche Konzept erfuhr eine komplette konzeptionelle Überarbeitung mit den Architekten Kuehn Malvezzi und dem Künstler Michael Riedel, Baufortschritte wurden von Vorstand Roland Mönig mit einer Strategie vertrauensbildender Maßnahmen begleitet. Und für 2017 stand fest: Dieses Mal wird kein Termin im Zusammenhang mit dem Museum, das sich vom „Vierten Pavillon“ zum „Museumsneubau“ verwandelt hat, vor einer Wahl stattfinden.