Der gigantische Löwe von Belfort ist eine echte Berühmtheit. Die Steinskulptur erinnert an den Widerstand der Stadt im Deutsch-Französischen Krieg. Neben der Riesenraubkatze hat die französische Region Franche-Comté noch jede Menge mehr zu bieten.
Bei Löwen ist Vorsicht geboten, nicht nur in Afrika. Vielleicht auch bei einer „Quasi-Safari“ in der Franche-Comté im Osten Frankreichs. Also rauf auf die Bäume und in Joncherey, südöstlich von Belfort, in einem Baumhaus zwischen grünen Wipfeln übernachten. Am liebsten in einem Modell mit Kugel (www.cabanesdesgrandsreflets.com/nos-cabanes-arbres-flottantes). Die Zweibeiner steigen die Treppe hinauf zum Haupthaus und zum Schlafen über einen Steg in luftiger Höhe zu dieser Kugel. Dorthin zu schleichen, wäre dem angeblich faulen Löwen vermutlich zu mühsam.
Ein Häuschen auf dem See böte auch etwas Sicherheit, denn Katzen, ob klein oder groß, gelten als wasserscheu. Als Nachtjäger schlafen sie tagsüber und werden daher den Gästen beim Waldspaziergang nicht auflauern.
Ansonsten wird der Löwe geschätzt und geliebt, als Markenzeichen oder Talisman. Fast überall gibt’s einen „Gasthof zum Löwen“ oder gar „Zum goldenen Löwen“, auch in Frankreich. Westlich von Joncherey, zwischen Montbéliard und Belfort, findet sich „La Table du Lion“. Vielleicht was für Leute mit Löwenhunger.
Montbéliard ist offenbar kein Löwenrevier. In dem von 1397 bis 1793 zum Herzogtum Württemberg gehörigen Spätzle-Städtchen, damals Mömpelgard, setzte man eher auf Landwirtschaft, ließ sich aber von Heinrich Schickhardt (1558–1635), dem genialen herzoglichen Landesbaumeister und Stadtplaner, das Städtchen im Renaissancestil gestalten. Ihm verdankt Montbéliard die Martinskirche, die erste evangelische Kirche Frankreichs, erbaut 1601 bis 1607. Auf dem drei Kilometer langen Stadtrundgang „Heinrich Schickhardt und seine Zeit“ kommt Besuchern aus seiner schwäbischen Heimat manches vertraut vor.
Enge Bande wurden ebenfalls wieder geknüpft: Zwischen Ludwigsburg und Montbéliard entstand die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Außerdem führt die 1992 initiierte „Europäische Kulturstraße Heinrich Schickhardt“ von Montbéliard durch das Elsass über den Schwarzwald bis ins baden-württembergische Göppingen.
Wichtig ist auch 1889, das Jahr der Züchtung des weltbekannten Montbéliarder Rinds, das Löwen überhaupt nicht leiden mag. Aus seiner Milch werden besonders schmackhafte Käsesorten produziert. Die Kunden drängen sich im Laden, eine Verkäuferin schneidet die Stücke mit einem elektrischen Messer von den Käselaibern. Sehr begehrt ist „Le Wurtemberg“, und bei der Verkostung greift André Alix, Chef der Fromagerie de Montbéliard, selbst tüchtig zu.
Faszinierender Geschichtsparcours
Die Stadt kann aber auch Technik. Nahebei, in Sochaux, befindet sich die älteste Produktionsstätte von Peugeot. Selbstverständlich, und zwar seit 158 Jahren, schmückt ein Löwe die Autos. Sein Brüllen klang einige Jahre etwas kläglich, aber nun hat er wohl wieder Kraft. Er ziert auch die Peugeot-Pfeffermühlen, die nicht nur Spitzenköche lieben. Passend dazu zeigt das „Peugeot Abenteuer Museum“ eine Ausstellung über 200 Jahre Industriegeschichte.
In Luxeuil-les-Bains, rund 50 Kilometer nordwestlich von Belfort, Frankreichs ältestem Thermalbad, ist von Löwen ebenfalls keine Spur, jedenfalls nicht im Park vor dem historischen Gebäude. Heißes Wasser mögen Löwen garantiert nicht, das überließen sie schon vor rund 2.000 Jahren den Römern und gönnen es – in der nun modernisierten Anlage – auch den heutigen Wellness-Fans. Die können sich dann im Kreuzgang des ehemaligen Klosters – gegründet im 6. Jahrhundert vom irischen Mönch Kolumban – abkühlen.
Beim Wiederaufheizen – manche Menschen sind offenbar Wechselblüter – kann ein Schnäpschen im benachbarten Fougerolles helfen, beispielsweise ein traditioneller Kirschbrand. Die Obstbäume in dieser angenehm grünen Gegend wachsen sozusagen vor der Haustür. Nach langem Verbot darf seit 2002 auch wieder Absinth produziert werden, da ein neues Verfahren die Giftstoffe der Pflanze eliminiert. Paul Devoille, Chef des Ladens, stellt die gläserne Apparatur bereit. Absinth, Wasser und etwas hinein getröpfelter Zucker, voilà. Schmeckt erfrischend wie Pernod – und ist auch einer.
Cool sein wird dann ein Muss in Belfort, denn 150 Löwen bevölkern die Stadt, in Stein oder Bronze, an Häusern und Brunnen. Fast noch mehr fallen die vielen farbenfrohen Häuser auf. Diesen freundlichen Look verdankt Belfort dem früheren Bürgermeister (und späteren Verteidigung- und Innenminister) Jean-Pierre Chevènement, der 1986 den Bauten das Buntsein verordnete.
Beim Löwen auf der Festung blieb es jedoch beim rosafarbenen Vogesensandstein. Seinen Biss hätte kein Anstreicher überlebt. Winzig wirken die Menschlein, die zu diesem 22 Meter langen und elf Meter hohen Superleu, geschaffen 1880 von Auguste Bartholdi, hinaufgewandert sind. Er erinnert an die Tapferen, die im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 dort oben selbst wie die Löwen kämpften.
Nun erobern friedliche Besucher diese Zitadelle, die Vauban, der Festungsbaumeister von König Ludwig XIV., von 1687 bis 1703 errichtete. Auf einem faszinierenden Geschichtsparcours entlang dicker Mauern, durch Tore und Tunnel, über Gras und Treppen. Ein Erlebnis, belohnt mit einem beeindruckenden Blick auf Belfort und die mächtige Kathedrale. Unten tobt dann bei Rock und Pop das Leben. Junge Leute belagern fröhlich die Rathausstufen, Belfort klebt nicht in der Vergangenheit.
Ist das noch zu toppen? Auf ganz andere Weise und ganz ohne Löwen. Gemeint ist die rund 30 Kilometer entfernte Kapelle von Ronchamp, eine Ikone der Moderne, ein Meisterwerk des Schweizer Stararchitekten Le Corbusier aus dem Jahr 1955. Ein schlichter Bau mit geschwungenem Dach, ein kleines weißes Wunderwerk auf dem Hügel „Notre Dame du Haut“ („Unsere liebe Frau auf der Höhe“, also Maria).
Le Corbusier war Atheist. Er habe den Auftrag angenommen, um seiner damals über 90-jährigen Mutter eine Freude zu bereiten, erzählt Gästeführer Nicola. Rund 60.000 Menschen besuchen jährlich diese Wallfahrtskapelle. Wer sie ohne Baugerüst sehen will, muss noch dieses Jahr hinreisen, da 2017 mehrjährige Restaurierungsarbeiten beginnen.