Menschen helfen Menschen. Unentgeltlich, aus Nächstenliebe und sozialer Verantwortung. So wie die Grünen Damen und Herren. Mehrere ihrer Projekte wurden jetzt von der Deutschen Stiftung für Demenzerkrankte prämiert. Sie zeigen, wie sehr unsere Versorgungslandschaft von Ehrenamtlichen profitiert.
Sie schenken Zeit und Zuwendung in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen, und sie tun noch mehr: Grüne Damen und Herren. Ihr Name geht zurück auf die grünen Kittel, an denen die Ehrenamtlichen der Evangelische Krankenhaus- und Altenhilfe zu erkennen sind. Aktuell bereichern mehr als 12.000 Grüne Damen und Herren (GDH) in bundesweit über 700 Gruppen die Versorgungslandschaft auch mit innovativen Konzepten. Sie entlasten nicht nur hauptamtliche Pflegekräfte und Ärzte, sondern leisten aktive Hilfestellung für Menschen in besonders verletzlichen Lebenslagen.
So etwa im Geriatrischen Netzwerk (GeriNet) Leipzig, wo Grüne Damen und Herren eine besondere Form der Betreuung für Menschen mit Demenz und deren Angehörige entwickelt haben: Das Nachtcafé am Leipziger Helios Park-Klinikum. Damit wurde eine deutschlandweit einzigartige nächtliche Versorgungsstruktur für Menschen mit Demenz umgesetzt. Die Leipziger Initiative ist europaweit Referenzregion und schult die Ehrenamtlichen zum GeriNet-Trainer für einen Einsatz im Nachtcafé. „Die Idee entspringt einer Initiative im ambulanten Bereich gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz Zwenkau. Dort haben wir die Erfahrung gemacht, dass die nicht-medikamentöse Therapie für Menschen mit Demenz zu den besten Ergebnissen führt", erklärt Lysann Kasprick, Gesundheitswissenschaftlerin und eigentlicher Motor des Projektes. Das Ziel: Sport und Bewegung statt Sedierung (Ruhigstellung). Entwickelt wurde ein evidenzbasiertes
Sportprogramm, in das koordinative und Gedächtnisübungen integriert sind. Dieses funktioniert sowohl in Einzeltherapie als auch in Gruppen. Da neben den Verhaltensveränderungen auch die Tag-Nacht-Umkehr eine besondere Herausforderung für Angehörige darstellt, ist es vor allem in den Abendstunden schwierig, bei einem notwendigen Klinikaufenthalt Menschen mit Demenz zum Kofferpacken zu bewegen. „Unser Ansatz ist deshalb, vorgelagert zur Einweisung in ein Krankenhaus eine besondere Form der Betreuung zu finden", so Kasprick. Im Parkcafé des Herzzentrums Leipzig entstand eine Anlaufstelle, die Demenzpatienten in gesonderten Räumlichkeiten mit einem speziellen Programm versorgt. Denn wenn die Tag-Nacht-Umkehr mehr Schwierigkeiten bereitet, steht nicht die medizinische Versorgung, sondern die Begleitung und Betreuung im Vordergrund. Dennoch darf man die medizinische Behandlung und die begleitende Versorgung älterer Menschen mit multimorbiden Symptomen und einer Demenz nicht völlig getrennt voneinander sehen. Wenn Menschen mit Demenz sich besonders aufregen, steigt auch bei ihnen der Blutdruck, das Schmerzempfinden verändert sich. Deshalb wurden alle Prozessabläufe sowie die Arbeit des Pflegepersonals und der Ärzte berücksichtigt. „Das gestaltete sich nicht ganz einfach,
weil wir auch das Klinikpersonal davon überzeugen mussten, die Bedarfsmedikation zu reduzieren und das Übungsprogramm „GeriNet-Trainer" in der Gruppe
anzuwenden oder nur ein Getränk zu sich zu nehmen und gemeinsam zu erzählen", sagt Kasprick. Ihre geduldige und
verständnisvolle Hilfe in den Abend- und Nachtstunden nennen die Ehrenamtlichen in Leipzig liebevoll den Moonwalk. Denn auch im ambulanten Bereich sind die Hürden hoch und die Herausforderungen groß. Wenn Menschen mit Demenz ihre Wohnungstür nicht mehr finden oder draußen auf der Straße und in den Dörfern umherirrend aufgefunden werden, muss der Krankenhaus-Rettungsdienst diese zunächst an der Rettungsstelle abgeben und registrieren. „Unser Ansatz ist es deshalb, die Rettungsdienstverordnung in Sachsen so zu verändern, dass diese demenziell erkrankten Menschen gleich in die geeignete Struktur gebracht werden können. Das rechtliche Verfahren dazu steht aktuell noch zur Entscheidung."
Das Nachtcafé in Leipzig wurde im September mit einem von der Deutschen Stiftung für Demenzerkrankte ausgelobten Preis ausgezeichnet, in denen sich Grüne Damen und Herren in besonderen Betreuungsinitiativen für Demenzkranke einsetzen. Das Nachtcafé war eines von drei Best-Practice-Projekten, die von der Deutschen Stiftung für Demenzerkrankte prämiert wurden.
Neue Initiativen helfen Demenzkranken
Der mit 3.000 Euro dotierte erste Preis ging an die Evangelische und ökumenische Krankenhaus- und Altenheimhilfe am
Fritz-Heuner-Heim in Dortmund. Dort wird seit drei Jahren mit Hilfe von Videosequenzen, die im normalen Alltag gedreht werden, ein unterstützendes Kommunikationsverhalten trainiert. Der Focus des sogenannten „Marte-meo"-Konzepts liegt auf gelungenen Momenten und positiven Aspekten im Kommunikationsprozess. Die Bedeutung eigener kleiner, alltäglicher Gesten und Handlungen für das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner wird gerade auch im Bild deutlich. Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden werden regelmäßig geschult, es finden Fallbesprechungen und regelmäßiger Erfahrungsaustausch statt. Mithilfe der Marte-Meo-Methode besteht die Möglichkeit, herauszufinden und zu verstehen, welche Botschaft und welche Bedürfnisse hinter einem herausfordernden Verhalten seitens der Demenzerkrankten stehen. So werden die Handlungsspielräume der Profis wie auch der Ehrenamtlichen erweitert und nicht zuletzt die Gefahr der „Gewalt in der Pflege" vermieden. Weitere Preise erhielten die Grünen Damen und Herren der ökumenischen Krankenhaus-Hilfe im St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen und der Anhaltinischen Diakonissenanstalt Dessau.
Verliehen wurden die mit 1.000 bis 3.000 Euro dotierten Preise anlässlich des Festaktes zum 100. Geburtstag von Brigitte Schröder, Initiatorin der GDH. Die Frau des ehemaligen Innen-, Außen- und Verteidigungsministers Dr. Gerhard Schröder, gilt als die erste Grüne Dame Deutschlands. Angeregt durch den ehrenamtlichen Dienst des „Volunteer Service", den sie auf einer USA-Reise kennenlernte, gründete sie 1969 die evangelische Krankenhaus-Hilfe, deren Mitarbeitende mit ihren grünen Kitteln zum späteren Namen „Grüne Damen und Herren" führten. Inzwischen wird ihr ideelles Erbe von der Brigitte-Schröder-Stiftung weitergeführt, die die beiden konfessionellen Verbände der GDH, die evangelischen Kranken- und Altenhilfe sowie die BAG katholische Krankenhaus-Hilfe, auch finanziell unterstützt.
Beispielhafte Projekte wurden in Berlin ausgezeichnet
In seinem Grußwort würdigte der Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Lutz Stroppe, den herausragenden Einsatz. „Das Engagement der Grünen Damen und Herren ist besonders und lässt sich nicht vergleichen mit vielen anderen Aufgaben im Ehrenamt. Sie begleiten Menschen in einer ganz schwierigen Situation. Wenn man mit diesen
Menschen zusammen ist, mit ihnen spricht, sich ihnen ganz eng nähert, dann lässt sich persönliche Betroffenheit nicht ausschließen. Hier kann man sich nicht herausziehen, sondern die eigene Persönlichkeit ist gefragt", erklärte Stroppe. Als Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums nehme er teil, weil dem Bundesministerium für Gesundheit, aber auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe persönlich am Herzen liege, diese Tätigkeit wie auch die dahinterstehenden Verbände zu unterstützen. „Die Grünen Damen und Herren sind in der besonderen Situation, dass sie einen Dachverband benötigen und die Arbeit insgesamt organisiert und vertreten werden muss. Leider stehen für diesen Bereich viel zu wenig Mittel zur Verfügung", betonte Stroppe. Neben der Politik seien auch die Krankenkassen und die Pflegeversicherungen gefordert, zusammen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft diese Arbeit weiter sicherzustellen. Seitens des BMG befinde man sich in Gesprächen mit entsprechenden Verbänden. Schwierige finanzielle Rahmenbedingungen für ein so wertvolles Engagement und die notwendigen Fortbildungen betont auch der Vorsitzende des Stiftungsrates, Wilfried Voigt. Die Brigitte-Schröder-Stiftung habe sich zur Aufgabe gemacht, die Arbeit der evangelischen Kranken- und Alten-Hilfe sowie der BAG katholische Krankenhaus-Hilfe finanziell zu unterstützen. Dafür würden viele Stifter und Spender benötigt. Wie sehr das Engagement von Menschen im Ehrenamt selbst die Arbeit der professionellen Pflege und Medizin positiv beeinflussen kann und wie ungemein wichtig sie für die von Zuwendung geprägte soziale Teilhabe alter, kranker oder beeinträchtigter Menschen ist, zeigen Grüne Damen und Herren jeden Tag.