Die Modejournalistin Virginie Henzen ist Fan der Charleston-Zeit. Und weil es sich als äußerst schwierig erwies, an originalgetreue Stücke heranzukommen, entschloss sich die junge Frau, ihr eigenes Label zu gründen: Tilda Knopf. Ein modischer Geheimtipp, zum Beispiel für eine rauschende Silvesternacht.
Die Mode der 20er-Jahre macht die Frau noch fraulicher, aber nicht unbedingt in dem Sinne, wie Männer das Frauliche gerne sehen, also mit hochhackigen Schuhen oder kurzen Röcken“, beschreibt Virginie Henzen (29) ihre Sicht auf ihr Lieblingsoutfit. Henzen studierte Modejournalismus an der Akademie für Mode und Design in Berlin. In ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich mit der Mode der 20er-Jahre, die in Berlin besonders en vogue war. Daraufhin entstand in ihr der Wunsch, sich mit dieser Mode näher zu befassen. Sie arbeitete einige Zeit im Laden „Le Boudoir“ in Berlin-Friedrichshain, der ausschließlich Mode der 20er-Jahre vermietet, das meiste davon im Original. Vom Kleid über Handtaschen, Schuhe, Hüte und Ketten gibt es hier alles, was Frau braucht. „Es kamen viele Frauen, die jedoch ein Kleid nicht nur mieten, sondern kaufen wollten“, erzählt Henzen. Die mussten sich dann meist mit billigen Fummeln, die man bei diversen Onlineshops für 30 Euro oder 40 Euro erstehen kann, begnügen. Doch diese Kleider sind dann oft schon nach einer Party nicht mehr zu gebrauchen. „Und man sieht es ihnen auch an, dass sie keine Qualität haben“, fügt sie hinzu. So entstand ihre Vision, hochwertige Mode zum Ausgehen im Stil der 20er-Jahre zu schaffen.
Hochwertige Kleider zum Kaufen statt Leihen
In Europa fertigen Manufakturen jedoch diese Art von Mode gar nicht mehr, und deshalb schaute sich Henzen in Delhi um. Dort fand die junge Unternehmerin dann eine kleine Manufaktur, in der ausschließlich Frauen arbeiten, und sie wird auch – politisch korrekt – von Frauen verwaltet. Zwölf Kleider umfasst Henzens erste Kollektion ihres Labels Tilda Knopf, die „Flapper at Heart“-Kollektion.
Die meisten Kleider sind aus halbdurchsichtigem Mesh oder aus Chiffon gearbeitet. Superelegant in durchschimmerndem Hellblau und leicht verrucht wirkt das knielange Chiffonkleid „Marie Madeleine“. Es ist aufwendig mit Pailletten bestickt und kostet 550 Euro. Henzen: „Weil man dazu verschiedenfarbige Unterkleider anziehen kann, kann man das Kleid jedes Mal anders wirken lassen.“ Wagemutige können unter dem Kleid auch nur einen Slip tragen, wie es die Schauspielerin Meret Becker vor Kurzem bei der Premiere von „Babylon Berlin“ vormachte.
Das dunkelrote Kleid „Käthe“ hat einen Faltenrock, der bis über die Knie reicht, das Oberteil ist ärmellos und hat am Rücken einen dreieckigen Ausschnitt. Durch die Bestickungen kann solch ein Kleid schon mal 2,5 Kilogramm wiegen. „Dies wird von den Trägerinnen aber nicht als Nachteil gesehen, im Gegenteil: Durch das Gewicht muss man immer eine gute Körperhaltung haben, denn schief zu stehen wird durch solch ein Kleid nicht einfacher“, beschreibt es die Designerin.
Passend zu den Kleidern gibt es Pouch-Taschen, ebenfalls nach den Entwürfen von Virginie Henzen in Delhi gefertigt. In sie passt zwar nicht viel hinein, aber sie sehen sehr stilvoll aus. Im Laden in Friedrichshain gibt es neben den Kleidern auch Accessoires wie Fächer, Boas, Zigarettenspitzen und Handschuhe.
In den 20er-Jahren änderte sich die Damenmode in Westeuropa grundlegend. Die Röcke für Damen wurden kürzer, man sah zum ersten Mal den Schuh, dem dadurch mehr Aufmerksamkeit zuteilwurde. So kamen neuartige Damenschuh-Kreationen auf den Markt, glitzernde Modelle mit hohem Absatz und Riemchen. Die Materialien waren vor allem Samt, Satin, Schlangenleder und Krokodilleder. Strass, Glasperlen oder goldene Applikationen waren ebenso beliebt.
Goldene Applikationen, Strass und Glasperlen waren beliebt
„Doch vollendet wird ein Auftritt nur mit der entsprechenden Frisur und dem Make-up“, sagt Henzen. Frauen, die sich standesgemäß in Schale schmeißen wollen, sollten zumindest für das erste Mal einen Frisiersalon aufsuchen und sich die Haare im passenden Stil stylen lassen. Dort wird der Kundin die Wasserwelle gelegt, bei kürzeren Haaren war damals der Bubikopf oder der Pagenschnitt angesagt. Lockenprachten bändigte man im Gipsy-Style mit einem gebundenen, farbigem Tuch. Die typische „Gretchenfrisur“ hat dagegen einen Mittelscheitel und rechts und links eine Haarschnecke. Für die „Schmalzlocken“, die „Pin Curls“, die sich über beide Backen kringeln, benötigt die Dame einen Pony und zirka kinnlanges Haar; die Locken werden dabei mit Haarspray fixiert. Eine passende Ergänzung für die Pin Curls sind üppige Haarreifen, die mit Strass besetzt sind.
Da Bälle für Bohème-Fans eher rar angesiedelt sind, bietet sich auch der Silvesterabend oder die Weihnachtszeit für einen glamourösen Auftritt in vollendetem Look an.