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WAS MACHT EIGENTLICH...

Jimmy Hartwig arbeitet seit 2002 als Theaterschauspieler.
Foto: imago/Sven Simon

… Jimmy Hartwig?

Er war dreimal deutscher Fußballmeister, Europapokalsieger, Nationalspieler, Trainer und TV-Moderator. Nach Karriere­ende und Überwindung einer Krebserkrankung arbeitet der 62-Jährige heute als Theaterschauspieler und engagiert sich in Sportorganisationen und der Gesundheitsprävention.

Wenn Jimmy Hartwig am 9. Dezember dieses Jahr es im Theater Augsburg bei der Premiere der Fußball-Operette „Roxy und ihr Wunderteam" auf der Bühne stehen wird, kann er wieder mal zwei seiner Lebenswelten in Einklang bringen: Der Ex-Nationalspieler hat sich nämlich nach der Überwindung von Hoden- und Prostatakrebs Anfang der 90er-Jahre aus der Fußballszene zurückgezogen und sich zu einem ernstzunehmenden Bühnenschauspieler entwickelt.

Die zweite Karriere Hartwigs begann 2002 an der Seite von Ben Becker in Brechts „Baal" am Deutschen Nationaltheater Weimar. Er machte seine Sache so gut, dass weitere Rollen folgten. 2008 konnte er in Wolfsburg in einem Theaterstück, das auf seiner ersten Biografie „Ich möchte noch so viel tun" basiert, gute Kritiken einheimsen, sodass er ein Jahr später im Zentraltheater Leipzig im Büchner-Drama „Woyzeck" die Titelrolle übernehmen durfte. 2014 spielte er im Grand Théâtre Luxemburg 2014 in der Premiere von „Spiel ohne Ball" die tragische Hauptrolle. „Er entwickelt auf der Bühne eine unbändige Kraft und Ausstrahlung. Bei ihm geht es nicht um Eitelkeit, im Rampenlicht zu stehen. Er hat schlichtweg das Bedürfnis, etwas zu erzählen", gab Autor Ostermaier seinem Protagonisten ein hohes Lob.

Mit Drogen vom Krebs abgelenkt

Jimmy Hartwig in seiner Zeit als Fußball-Nationalspieler.
Jimmy Hartwig in seiner Zeit als Fußball-Nationalspieler. - Foto: picture alliance/Herbert Rudel

„Den alten Jimmy Hartwig gibt es schon lange nicht mehr", sagt der Ex-Nationalspieler. Im Rampenlicht hat der Sohn eines farbigen US-Soldaten schon früh gestanden. Mit 24 Jahren wurde er nach seinem Wechsel zum HSV Nationalspieler und Fußball-Millionär. In der Folge belegen Drogenprobleme, Hirntumor, Krebs und zwei Selbstmordversuche ein krisenreiches Privatleben, das Hartwig in zwei Biografien (1994, 2010) öffentlich ausgebreitet hat. Im Vorjahr sprach er offen über seinen Drogenkonsum, mit dem er sich vom Krebsleiden ablenken wollte: „Ich habe Kokain genommen zwischen Chemotherapie und Glückseligkeit. Ich habe 58 Kilo gewogen, gestunken und gedacht, wenn ich Koks nehme, dann ist alles gut. Es ist eine Zeit lang schön, aber psychisch wirst du immer mehr runtergezogen." So was käme heute nicht mehr in Frage, beteuert Hartwig, der inzwischen am Ammersee wohnt: „Es geht mir richtig gut". Zwar pflegt er noch gute Kontakte zu einigen ehemaligen Hamburger Teamkollegen, denkt aber über den HSV schon lange nicht mehr nach. Obwohl ihn der Club in einer schwierigen Phase alleine gelassen habe, bedauere er, dass es dem HSV sportlich nicht so gut geht. „Ich hatte eine wunderschöne Zeit in Hamburg, aber nach 1987 hat sich der Verein immer mehr in Richtung Abgrund bewegt. Selbst Uwe Seeler hat sich zurückgezogen." Der FC Bayern binde im Gegensatz zum HSV ehemalige Spieler in die Clubführung mit ein. „Da kann ich nur den Hut ziehen", drückt Hartwig seine Begeisterung für den Münchner Club aus, dessen Heimspiele er regelmäßig besucht. Er selbst wäre bereit gewesen, beim HSV die Jugendarbeit zu übernehmen. Aber es habe ihn niemand gefragt, obwohl er an vielen Stellen bewiesen habe, dass er gut mit jungen Menschen umgehen kann. Er bedauert, dass das bei seinem Sohn Daniel Hartwig, der heute als TV-Moderator erfolgreich ist, nicht gelungen ist: Der Gesprächsfaden zwischen beiden ist seit Längerem abgerissen. Hartwig ist heute für den Deutschen Fußballverband tätig: „Ich bin als Integrationsbotschafter im Jugendbereich in ganz Europa unterwegs. Es gibt nichts Besseres, als wenn Kinder verschiedener Nationalitäten zusammen Fußball spielen." Weil ihm selbst sein Fußballtalent geholfen habe, als dunkelhäutiger Bub Anerkennung zu finden, hat er als einer der Ersten nach seiner Karriere Fußballschulen für Jugendliche gegründet.

Zwei Selbst­­mord-Versuche

Neben seinem Engagement für Jugendliche setzt sich Hartwig auch für Flüchtlinge ein. 2016 hat er in München erstmals den Nationen-Cup der Flüchtlinge mitveranstaltet, der zur ständigen Einrichtung werden soll. Wegen der Erfahrungen mit seiner Krebserkrankung ist er zudem als AOK-Gesundheitsbotschafter für die Prostata- und Darmkrebs-Prävention unterwegs.

Im Vergleich zu seinen Fußball-Zeiten ist Hartwig heute glücklicher: „Weil ich mich auch selbst gefunden habe. Ich bin nicht mehr der Sunnyboy, der nur auf Anerkennung aus ist, sondern einfach nur Jimmy Hartwig."

Dass er 2004 ins „Dschungelcamp" eingezogen war, hat er als notwendiges Übel abgehakt. Er sei damals wegen hoher Krankheitskosten und falscher Berater in Existenznot geraten, was auch zu zwei Selbstmordversuchen geführt habe. Als Glücksfall dagegen bezeichnet Hartwig die 2010 geschlossene Ehe mit seiner dritten Frau Stefanie: „Sie hat mir gezeigt, dass das Leben anders funktioniert. Durch sie bin ich zu einem wahrhaftigeren Menschen geworden. Und sie hält alles von mir ab, was nicht gut für mich ist." Dass er heute mit kleineren Gagen leben muss, sei kein Problem: „Uns geht es auch ohne Millionen gut. Solange wir uns ab und zu ein Weißwurstfrühstück leisten können, sind wir zufrieden."

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