Sternekoch Christian Bau hat mittlerweile alle Preise abgeräumt, die es gibt. Der frisch gekürte „Koch des Jahres“ über sein Erfolgsrezept, seine Rolle als Trendsetter und wie er sich ständig weiterentwickelt.
Herr Bau, jetzt haben Sie schon so viele Preise und Auszeichnungen erhalten, und doch freuen Sie sich gerade wie verrückt. Warum bedeutet Ihnen der Titel „Koch des Jahres“ so viel?
Ich habe tatsächlich schon viele Ehrungen entgegennehmen dürfen, aber vom „Gault&Millau“ zum „Koch des Jahres“ gewählt zu werden, das ist die höchste Einzelauszeichnung, die ich in Deutschland erreichen kann. Das macht mich schon sehr stolz, aber auch sehr dankbar. Mit dieser Auszeichnung ist wirklich ein lang gehegter Jugendtraum von mir in Erfüllung gegangen. Die Preisverleihung in München war einer der schönsten Tage in meinem beruflichen Leben. Ich freue mich riesig über den Titel und bin einfach sehr glücklich.
Die Michelin-Sterne gelten fürs ganze Restaurant. Der Titel „Koch des Jahres“ gehört Ihnen dagegen ganz alleine. Welche Auszeichnung ist Ihnen nun wichtiger?
Das ist, wie wenn Sie mich fragen würden, welche meiner Töchter ich lieber habe. Es ist die einzige Auszeichnung, die mir noch gefehlt hat, und darüber freue ich mich natürlich sehr. Obwohl ich ja nicht wegen der Trophäen koche, sondern aus Leidenschaft. Und es geht mir nicht so sehr darum, dass sich der Preis auf meine Person bezieht. Ich hätte diesen Erfolg ja nie alleine erreichen können. Diese Auszeichnung habe ich nur stellvertretend für meine „Schloss Berg“-Familie entgegengenommen.
Klingt, als ob Sie nicht nur dem „Gault&Millau“ dankbar sind.
In der Tat. Ein herzliches Dankeschön geht an mein aktuelles Team in Küche, Service, Rezeption, Hotel und Stewarding und alle, die uns in den vergangenen 20 Jahren hier auf Schloss Berg begleitet haben. Sie alle sind auch „Koch des Jahres“. Besonders möchte ich die gesamte Victor’s-Unternehmensgruppe einschließen. Es macht mich nach wie vor unheimlich stolz, für dieses Unternehmen zu arbeiten. Unser Erfolg ist ganz eng mit den Namen Susanne Kleehaas und Hartmut Ostermann verbunden. Ohne deren visionären Weitblick, den Rückhalt und den kreativen Freiraum wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Tausend Dank hierfür!
Auch meiner Familie habe ich so viel zu verdanken. Besonders meiner Frau Yildiz, die mich seit Anbeginn meiner Karriere begleitet hat. Schon seit 30 Jahren hält sie mir den Rücken frei, und als Restaurantleiterin hat sie einen großen Teil zu meinem Erfolg und zur Reputation des „Victor’s Fine Dining“ beigetragen. Und das als zweifache Mutter – eine enorme Leistung, wie ich finde. Auch meine beiden Töchter stehen voll hinter mir, was mir viel Kraft gibt. Dabei ist es für sie bestimmt nicht immer so leicht, wenn der Papa mal wieder bis tief in die Nacht am Herd steht. Und eins sollten wir nicht vergessen: Meinen Erfolg habe ich auch unseren vielen lieben Gästen zu verdanken, die mir seit 20 Jahren die Treue halten. Viele sind inzwischen persönliche Freunde geworden. Unsere Gäste waren immer mein Antrieb, meine Motivation. Sie glücklich zu machen macht mich selbst glücklich. Und auch da spreche ich nicht nur für mich, sondern für mein ganzes Team.
Für manche Beobachter ist die Entscheidung der „Gault&Millau“-Jury eine dicke Überraschung. Meistens wird der Titel „Koch des Jahres“ medienwirksam an Newcomer verliehen, doch Sie sind jetzt schon seit knapp 20 Jahren Küchenchef im „Victor’s Fine Dining“. Wie kam es zu dieser späten Ehre?
Ich will es mal so sagen: Das war keine Liebe auf den ersten Blick. Ich habe diesen Restaurantführer aber immer respektiert. Mittlerweile wurde der „Gault&Millau“ neu aufgestellt. Ein neuer Verlag, eine neue Chefredakteurin, Patricia Bröhm. Sie hat meine Arbeit die vergangenen Jahre detailliert, fachkundig und vor allem unvoreingenommen verfolgt. Und dann liegt es natürlich an meiner Entwicklung. In den vorigen Jahren haben wir noch bessere Produkte eingesetzt, unsere Rezepte deutlich entschlackt und nie irgendwelche Trends nachgemacht, sondern eher welche vorgegeben. Das wurde jetzt honoriert.
Da werden jetzt bestimmt verschiedene junge Köche enttäuscht sein, die selbst auf den Titel spekuliert haben. Was sagen Sie ihnen?
Ich denke, in dieser Entscheidung der „Gault&Millau“-Jury steckt auch eine Botschaft. Sowohl an mich, als auch an andere, jüngere Köche.
Welche Botschaft?
Dass sich Kontinuität auszahlt. Dass man sein Handeln ständig hinterfragen sollte, aber immer seiner Linie treu bleibt. Das habe ich getan. Auch nach dem dritten Michelin-Stern habe ich mich nicht auf meinen Lorbeeren ausgeruht, sondern meine Arbeit immer hinterfragt, Kritik ernst genommen und ständig überlegt, wie ich meine Küche weiter perfektionieren kann, wie ich zu meinem ganz eigenen Küchenstil finden kann. Und vor allem: In den zwei Jahrzehnten als Chef im „Victor’s Fine Dining“ habe ich immer daran geglaubt, dass sich Qualität irgendwann durchsetzt. Das hat sich jetzt dankenswerterweise bewahrheitet.
Sie gelten vielen als der meistkopierte Koch Deutschlands. Ärgert es Sie, dass andere Sie nachzumachen versuchen?
Nein, denn man sagt ja so schön: Kopiert werden ist die höchste Form der Anerkennung. Außerdem werde ich ja nicht wirklich kopiert, nicht eins zu eins nachgekocht. Ich habe einen Trend angestoßen, den andere aufgreifen. Heute macht zum Beispiel selbst ein Koch, der in der Regionalküche verwurzelt ist, auch mal ein Tomaten-Dashi.
Dashi, ein spezieller Fischsud, ist ein wichtiger Bestandteil der japanischen Küche. Und damit waren Sie der Erste in Deutschland?
Viele exotische Produkte, aber auch Zubereitungstechniken und neue Geschmacksbilder habe ich in Deutschland seit 2005 etabliert. Nur war es zu damaliger Zeit nicht medienwirksam. Für junge Köche sind diese Elemente heute selbstverständlich.
Sie haben schon so viele Preise errungen. Genau genommen: alle. Erinnern Sie sich noch an die erste Auszeichnung Ihrer Karriere?
Ja, das war 1990. Ich wurde bester Auszubildender in der Gastronomie des Landes Baden-Württemberg. Eine doppelte Eins in Theorie und Praxis, 199 von 200 Punkten. Ich erinnere mich noch gut: Ich hatte am selben Tag morgens meine Führerscheinprüfung bestanden. Die erste eigene Fahrt mit dem Auto führte zur Preisverleihung. Mir bedeutete das damals gar nicht so viel, dass da der Ministerpräsident anwesend war und so. Ich dachte nur: Mann, jetzt muss ich doch mal eine schwarze Hose anziehen…
Sie gelten als Musterschüler von Harald Wohlfahrt, der viele Talente hervorgebracht hat. Aber wenn man Ihnen so zuhört, waren Sie bereits vorher schon ziemlich gut.
Damals war es so, dass, wenn Sie in die „Schwarzwaldstube“ wollten, Sie bereits richtig kochen können mussten. Wohlfahrt hat mir sozusagen den letzten Schliff verpasst. Mein Talent entdeckt und mich gefördert hat aber schon jemand vor ihm: der Sternekoch Gutbert Fallert. 1990, direkt nach meiner Ausbildung, mit der oben genannten Auszeichnung, ging ich zu ihm ins „Hotel Talmühle“ nach Sasbachwalden. Eines der ältesten Sterne-Restaurants in Deutschland. Übrigens nur 20 Kilometer von Wohlfahrts „Schwarzwaldstube“ entfernt.
Hat Gutbert Fallert Sie darauf gebracht, selbst einmal Sternekoch zu werden?
Ja. In meiner Zeit in der Talmühle wurden schon die Weichen gestellt. Fallert war ja mit allen Spitzenköchen auf Du und Du, hat mich in die wichtigsten Restaurants zum Essen geschickt oder sogar eingeladen. Er hat mich mit den ganzen Lichtgestalten der Sterneküche vorgestellt. Und das Treffen mit Eckart Witzigmann in seiner „Aubergine“, noch in meinem Anfangsjahr 1990, das war für mich die Initialzündung. Mit 19 Jahren. Bei Fallert habe ich zum ersten Mal gelernt, mit Produkten wie Hummer, Taube und Gänseleber zu kochen. Und bei ihm habe ich gelernt, hart zu arbeiten. Ohne seine Wegbereitung hätte ich nicht diesen Weg in die Hochküche eingeschlagen.
Sie besuchen regelmäßig Spitzenrestaurants auf der ganzen Welt und schauen, was die Kollegen so machen. Gibt es Köche, von denen Sie selbst angeregt werden?
Jeder Mensch lässt sich immer und überall inspirieren. Wie auch jeder Künstler. Sich inspirieren zu lassen, hat aber nichts mit Kopieren zu tun. Ich esse zum Beispiel in Honkong einen tollen Seeigel und möchte diesen Genuss auch meinen Gästen zu Hause präsentieren. Ich koche dann aber niemals ein Gericht nach, nicht einmal in Teilen. Mir geht es um Produkte und Techniken. Ich gehe in erster Linie essen wegen des Genusses. Und dann gehe ich zu anderen Spitzenköchen essen, um mich „einzunorden“, um zu begreifen, wo auch wir uns noch verbessern können.
Wie finden Sie denn die jüngeren Kollegen heute?
Positiv fällt auf: Die Leistungsdichte nimmt international zu. Und der Trend „Casual fine dining“ hat sich durchgesetzt. Es macht Spaß, essen zu gehen. Aber ich stelle häufig auch eine Unsitte fest: Viele Teller sehen unglaublich schön aus, doch es fehlt der geschmackliche Tiefgang. Und vieles kommt nur noch lauwarm auf den Tisch. Ich finde aber, Sterneküche muss schmecken, und das Gericht muss perfekt auf den Punkt serviert werden.
Sie haben sich in den vergangenen Jahren ständig weiterentwickelt, ständig noch einen draufgesetzt. Wo geht die Reise aktuell hin?
Ich werde in Zukunft wieder mehr auf Purismus setzen, mehr auf das Produkt fokussieren mit weniger Ballast. Ein aktuelles Beispiel ist unser Hamachi von der Gelbflossenmakrele mit Buttermilch-Dashi.
… eins ihrer „Signature dishes“…
… und heute puristischer als noch im vergangenen Jahr. Ein weiteres Beispiel für diese Richtung ist die Langustine, die ich auf Binchotan grille. Das ist eine japanische Holzkohle, die besonders viel Hitze entwickelt. So entsteht, gepaart mit dem weißen Miso-Lack, eine wunderbare Kruste, und innen bleibt das Fleisch schön glasig. Die Langustine serviere ich auf einer Art japanischem Risotto aus Koshihikari-Reis. Dazu gepickelter Rettich – ganz puristisch. Aber wenn Sie das probieren, schweben Sie weg, so gut ist es.
Auch der „Gault&Millau“ lobt Ihre Langustine. Und vergibt die Traumnote 19,5. Gibt es jetzt noch etwas, worauf Sie hinarbeiten können?
Wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir die Berufe der Gastronomie wieder sexy machen. Unsere Lockerheit, unsere Souveränität und unseren Spaß wollen wir nicht nur den Gästen vermitteln. Ich möchte die Freude, die Passion, die mich antreibt, auf alle übertragen. Sowohl an Gäste wie auch an Dienstleister. Daran müssen wir arbeiten.
Wir müssen vermitteln: Hier gibt es die schönsten Berufe der Welt! Was bringen die ganzen Preise, wenn man am Ende alleine dasteht?
Zurück in die Gegenwart. Wer kocht eigentlich bei Ihnen zu Hause?
Ich. Und zwar ganz bodenständige Sachen. Den Speiseplan bestimmen meine Töchter.