Der Aufschrei über ehemals kostenfreie Angebote ist teils ziemlich verlogen.
Eine Nachricht ließ Marketingtreibende schon vor Jahren auf der ganzen Welt erzittern: „Facebook schränkt die organische Reichweite ein.“ Ab Ende 2013 kam es vermehrt zu Beschwerden – von Unternehmerseite. Was war passiert? In der guten alten Zeit – genauer gesagt ab 2007 – konnten Unternehmen eigene „Fanseiten“ anlegen. Facebook-Nutzer konnten jetzt nicht nur „Freunde“ von Onkel Gregor, Tante Erna und zahllosen Schulkameraden, mit denen sie eigentlich nichts mehr zu tun haben wollten, werden. Sie konnten nun auch „Fans“ von Unternehmen sein. Vom großen Möbelhersteller über den lokalen Fleischereibetrieb bis hin zu Seiten von Freiberuflern. Unternehmen konnten aus ihrem Alltag berichten, in Kundendialog treten und der potenziellen Kundschaft die eine oder andere Werbebotschaft präsentieren.
Nun haben es Privatleute nicht gern, wenn der eigene Newsfeed bei Facebook hauptsächlich aus Unternehmensbotschaften besteht. Man könnte deswegen ja übersehen, wenn Onkel Gregor ein neues Blumenfoto hochlädt. Facebook reagierte also und schränkte die organische Reichweite von Unternehmensseiten schrittweise ein – und das nicht zu knapp. Die Social-Media-Sparte der renommierten Werbeagentur Ogilvy & Mather fand heraus, dass ein Facebook-Post eines Unternehmens bereits 2012 nur noch rund 16 Prozent der Fans erreichte. Den Post einer Seite mit 5.000 Fans bekamen also nur 800 überhaupt zu sehen. Das trieb selbst dem härtesten Marketer ein Tränchen ins Auge.
2014 war die Reichweite weiter auf magere 6,5 Prozent gefallen. Seiten mit mehr als 500.000 Gefällt-mir-Angaben erreichten sogar nur noch zwei Prozent ihrer Anhänger. In den Social-Media-Abteilungen dieser Welt herrschte ab da wohl Dauerlärm aufgrund platzender Hutschnüre.
Facebook ist einer Sintflut von Informationen ausgesetzt. In einer Minute werden global rund 300.000 Status-Updates veröffentlicht. Das sind 432.000.000 am Tag. Die gilt es eben zu organisieren und mit Nutzerwüschen – lieber Onkel Gregor lesen als Unternehmen XY – in Einklang zu bringen. Doch statt einfach nur Unternehmensinhalte herauszufiltern, ließ die soziale Plattform verlauten, dass ein neuer Algorithmus dafür sorge, Nutzern die „relevantesten“ Inhalte zu präsentieren.
Es ist jedoch nach wie vor ein Leichtes, bei Facebook mit Werbung seine Zielgruppe zu erreichen. Vorausgesetzt man schaltet kostenpflichtige Anzeigen. Unternehmen finden das eher doof, Facebook selbst gefällt das. Sogar doppelt: So hat man einerseits die privaten Nutzer zufriedengestellt und kann andererseits den Unternehmen Geld für eine Leistung abknöpfen, die vorher weitgehend kostenfrei zu haben war.
Nun will ich ehrlich sein: Auch ich finde das, nun ja, suboptimal. Egal, ob es um mein eigenes Unternehmen oder das von Kunden geht: Schöner wär’s, wenn alles kostenlos wäre. Das gilt aber auch für das leckere Essen im Restaurant und für Baumaterial, das ich im Baumarkt kaufe.
Worauf ich hinaus will: Der Aufschrei mag einerseits verständlich sein. Es ist im ersten Moment nie schön, wenn sich bewährte Dinge ändern. Auf der anderen Seite: Facebook ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Facebook ist ein wirtschaftlich agierendes Unternehmen. Als solches betreibt es – wer hätte es gedacht – Gewinnmaximierung. Willkommen im Kapitalismus, Freunde. Die Unternehmen, die sich nun über mangelnde (kostenlose) Reichweite aufregten, haben Facebook doch auch nur für – Achtung, Knaller – Gewinnmaximierung benutzt. Facebook stellt Funktionen zur Verfügung und kann diese mit dem gleichen „Recht“ wieder zurückziehen oder abwandeln. Facebook schuldet uns gar nichts.
Wer ernsthaft Kritik üben will, sollte überdenken, ob er im Kapitalismus gut aufgehoben ist, oder ob vielleicht ein Aussteigerleben auf einem Berg in Griechenland nicht vielleicht besser wäre. Feta statt Facebook sozusagen. Vor allem bräuchte es dann eine umfassende Kapitalismuskritik und nicht nur dann, wenn der Kapitalismus der eigenen Gewinnmaximierung im Wege steht. Das ist doch ein wenig verlogen.