Internationale Spannungen, ein veränderter Markt und die Globalisierung: Das geht auch an der deutsch-französischen Airbus Group, dem zweitgrößten Luftfahrtkonzern der Welt, nicht spurlos vorbei. Vorstandsmitglied Johannes von Thadden kennt den Konzern seit zehn Jahren. Auf das Unternehmen kommen zahlreiche Umbrüche in den kommenden Jahren zu.
Die Konsolidierung in der Luftfahrtbranche schreitet voran, die Sicherheitslage in Europa ist angespannt, neue Konkurrenz auf dem Markt: eine Gemengelage, in der der deutsch-französische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus ausgerechnet jetzt in Schwierigkeiten gerät. Nicht nur durch Korruptionsermittlungen wegen eines ehemaligen Vertriebschefs, sondern auch wegen schleppender Flugzeugverkäufe. Nun macht der Konzern positiv von sich reden, eine Erleichterung für den Vorstand: 430 Jets hat Airbus kürzlich auf einen Schlag verkauft, bezahlen wird ein US-Investor, der die Flugzeuge an Billigflieger in Nord- und Südamerika und in Ungarn vermietet.
Johannes von Thadden kennt einen großen Teil der Konzernentwicklung und den Luftverkehrsmarkt. Seit 2007 arbeitet er für Airbus, mittlerweile als Senior Vice President. Er weiß: Zwei Drittel des Konzerngeschäfts werden mittlerweile außerhalb von Europa abgewickelt.
Klar, dass sich Airbus intern ändern muss, um den Anforderungen gerecht zu werden: Weiblicher, bunter und internationaler soll der zweitgrößte Flugzeugbauer der Welt werden, so von Thadden im Interview. Und es wird künftig noch schwerer, gegen die wachsende Konkurrenz zu bestehen, nicht nur durch Boeing aus den USA: China stellte kürzlich den ersten selbst entwickelten Verkehrsjet, den Comac 919 vor. Zwar produziert Airbus auch für den Markt in Fernost Flugzeuge, doch könnte sich das bald ändern.
Herr von Thadden, wie beurteilen Sie die derzeitige Konsolidierung der Luftfahrtgesellschaften in Deutschland?
Wir sind ein Flugzeugbauer und daher neutral. Nichtsdestotrotz beobachten wir natürlich die Entwicklung der zivilen Luftfahrt weltweit. Schließlich sind die Luftfahrtgesellschaften unsere Auftraggeber.
Airbus stellt nicht nur Flugzeuge für die zivile Luftfahrt her, sondern ist auch sehr stark im militärischen Bereich tätig. Sorgt die derzeitige weltpolitische Lage für einen Auftragsboom für Kampfjets?
Die Sicherheitslage in Europa hat sich durch die Annexion der Halbinsel Krim und den Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine verändert. Die weltpolitische Lage an den Rändern Europas wie im Nahen Osten oder in der Türkei ebenfalls. Hinzu kommt das Drängen der Amerikaner an die Nato-Mitgliedsstaaten – und das nicht erst seit Präsident Trump –, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Die Europäer sollen mehr für ihre eigene Sicherheit tun. Es sind die europäischen Länder, die die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit festlegen und finanzieren. Sie haben einen Bedarf ausgemacht. Frankreich und Deutschland haben sich deshalb darauf verständigt, ein neues Kampfflugzeug zu entwickeln. Airbus wird bei dieser Entwicklung eine führende Rolle übernehmen.
Wir leben in Deutschland seit vielen Jahrzehnten in Frieden, aber die Insel der Glückseligen muss nicht ewig dauern. Der Zustand des Einsatzmaterials bei der Bundeswehr ist bekanntermaßen nicht immer zum Besten bestellt.
Airbus ist das größte Raumfahrtunternehmen Europas. Wie schätzen Sie deren Entwicklung ein?
Der ESA-Ministerrat hat 2016 in seiner Sitzung entschieden, rund zehn Milliarden Euro in den nächsten Jahren in die europäische Raumfahrt zu investieren. Airbus macht derzeit sechs bis sieben Milliarden Euro Umsatz mit der Raumfahrt bei einem Wachstum von zehn Prozent im Jahr. Die Raumfahrt ist ein Hochtechnologie- und gleichzeitig ein Wachstumsmarkt, auf dem wir in Europa unsere führende Rolle ausbauen wollen.
Frankreich und Deutschland sind auch hier die Motoren, ob es sich um die europäische Trägerrakete Ariane, Satelliten zur Erdbeobachtung für Klima- und Umweltschutz, für Wetterbeobachtung oder intelligente Mobilität handelt. Der Bedarf an Lösungen aus dem All für ein besseres Leben auf unserer Erde ist hoch.
Was halten Sie von den Ambitionen Luxemburgs in der Weltraumindustrie?
Luxemburg geht einen sehr interessanten Weg, Hochtechnologieunternehmen im eigenen Land anzusiedeln. Das kleine Land wurde vor vielen Jahren mit der Ansiedlung von Ses Astra belächelt. Heute gehört das Unternehmen zu den weltweit führenden Satellitenanbietern. So etwas möchte Luxemburg mit einer neuen Generation von Hightech-Unternehmen in der Raumfahrt wiederholen. Airbus diskutiert mit der luxemburgischen Regierung, wie wir dazu beitragen können.
Sie arbeiten heute in einem global agierenden Weltunternehmen. Die Airbus Group beschäftigt weltweit rund 136.000 Mitarbeiter mit 136 verschiedenen Nationalitäten. Wie viele Sprachen müssen künftige Airbus-Mitarbeiter können?
Englisch ist bei Airbus Arbeitssprache. Aber an den jeweiligen Standorten wird beispielsweise in Pausen oder im Umgang untereinander natürlich die Landessprache gesprochen. Einen französischen Mitarbeiter in Toulouse würde man in der Kaffeepause nicht unbedingt auf Englisch ansprechen. Wer bei Airbus eine internationale Karriere anstrebt, sollte neben Englisch die Landessprache beherrschen sowie die kulturellen Unterschiede kennen.
Die Airbus-Gruppe ist im Kern ein europäischer Konzern mit starken deutsch-französischen Wurzeln. Heute sind ein Drittel der Belegschaft Deutsche, ein Drittel Franzosen und ein Drittel andere Nationen. Wir denken allerdings noch zu europazentrisch. Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter von China nach Südamerika wechselt, stellen sich ganz neue Herausforderungen für ein globalisiertes Unternehmen. Wir sind sehr bemüht, das in den nächsten Jahren bei Airbus zu ändern.
Wie sieht die Airbus-Gruppe denn künftig aus?
Wir wollen weiblicher, bunter und internationaler werden oder anders herum ausgedrückt: weniger männlich, weniger weiß, weniger eurozentrisch. Dafür haben wir gewisse Quoten in der Gruppe vereinbart, beispielsweise zur Förderung weiblicher Mitarbeiter. Dass Airbus sich so wandeln muss, ist in erster Linie unserem Geschäft geschuldet: Mehr als zwei Drittel unseres Gesamtumsatzes erzielen wir heute außerhalb Europas. Zwar wachsen wir auch in Europa, aber weltweit eben noch schneller. Die Diskrepanz zwischen Beschäftigungs- und Geschäftsstruktur werden wir lösen. Die kulturellen Unterschiede sind auf diesem Weg eine der größten Herausforderungen.
Sie sind zugegebenermaßen aber auch eine Stärke.
Das ist in der Tat so. International besetzte Entwicklungsteams mit verschiedenen Herangehensweisen, Lösungsvorstellungen und Kompetenzen sind in der Regel besser aufgestellt als rein nationale oder regionale Teams trotz möglicher Kommunikationsprobleme. Aufgeschlossen gegenüber fremden Kulturen zu sein und sich diese Vielfalt nutzbar zu machen, sind wichtige Voraussetzungen der Mitarbeiter bei Airbus.
Dann müsste Airbus ja besser aufgestellt sein als der größte Wettbewerber Boeing.
Der Luftverkehr im Tourismus- und Geschäftsbereich wird in den nächsten Jahren weiter deutlich wachsen. Dazu gehören Flugzeugbestellungen im fünfstelligen Bereich. Die große Aufgabe wird es sein, hocheffiziente und umweltschonende Flugzeuge zu bauen, die deutlich weniger Lärm verursachen, weniger Schadstoffe wie CO2 ausstoßen und weniger Kerosin verbrauchen. Das können solarbetriebene oder elektrische Flugzeuge sein. Dazu gehört auch Biotreibstoff aus Algen. Die künftig eingesetzten Materialien spielen eine große Rolle. Zurzeit erforschen wir Sitze aus Biomaterialien, die sich dem Körper anpassen. All das sind spannende Zukunftsthemen. Dazu kommt unsere Forschung in der Raumfahrt, zum Beispiel wie wir künftig Satelliten im Weltall bauen können.
Welche Konkurrenten erwarten Sie künftig auf einem lukrativen Flugzeugmarkt?
Flugzeugbau ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Neben den Europäern und Amerikanern hat China starke Ambitionen, auch wenn wir dort selbst produzieren. Russland will wieder verstärkt mitmischen und Schwellenländer wie Brasilien drängen ebenfalls auf den Markt.