Extravaganz ist angesagt. Was sonst verschrottet würde, wird aufwendig recycelt. Das junge St. Wendeler Unternehmen Wilco Design UG hatte die Idee.
Üblicherweise werden Flugzeuge nach Ablauf ihrer Dienstjahre zerlegt und recycelt. Was nicht wieder zu verwerten ist, wird verschrottet. Jahr für Jahr werden weltweit unzählige Flugzeuge aus dem Verkehr genommen, abgestellt, ausgeschlachtet und im besten Fall irgendeiner anderen Verwendung zugeführt. Fliegen bedeutet Leidenschaft. „Wenn ich ein Vogel wär …" Ist es doch im Allgemeinen dem Menschen nicht gegeben, sich selbstständig auf irgendeine Art in den Lüften zu bewegen, so tut er es doch. So manch einer umfliegt jährlich ein paar Mal den Globus und kann kaum genug bekommen vom Duft der großen weiten Fliegerwelt. Dies weiß auch der junge Unternehmer Marius Krämer, Ex-Flieger, Ex-Lehrer bei der schweizerischen AlpilotX-Flugsimulation Basel und Zürich, Gründer und, wie er sich selbst nennt, „Kapitän" von Flugzeugmöbel.de. „2011 machte ich bei einer Lufthansatochter in Frankfurt eine Ausbildung zum Verkehrspiloten. Nach zweimonatiger Theorie in Frankfurt ging es einmal für fünf Monate zur Praxisausbildung Sichtflug und einmotoriges Training nach Florida in die USA", erzählt Krämer. Zurück in Deutschland, kamen neun Monate Theorie und airlinespezifische Unterrichtung im Flug größerer Maschinen, Instrumentenflug, Navigation und einiges mehr auf ihn zu. Erneut vier Monate nach Florida zur Unterrichtung im Instrumentenflug und endlich nach einer Vielzahl von Prüfungen erhielt er 2013 eine Piloten-Lizenz. „Danach war ich fliegerisch nur noch privat unterwegs und arbeitete unter anderem als Pilot in der Hagelabwehr, meist in den Weinbaugebieten unserer Region", sagt der Jungunternehmer. Dabei soll ein in den Wolken versprühtes chemisches Gemisch das Wetter beeinflussen und Schäden durch Hagel verringern.
Im November 2013 gründete er die Firma Wilco Design UG mit der Marke Flugzeugmöbel.de. Als er gefragt wird, wieso er vom Piloten den Schritt ins Handwerk tat, erzählt Marius Krämer: „Mein Interesse an technischen Dingen war schon als Kind sehr groß. Durch die fliegerische Ausbildung und die Kontakte, die entstanden, wurde es mir möglich, ausrangierte Flugzeugteile zu beschaffen. Ich baute mir einen Tisch aus einem Winglet der berühmten Boeing 737."
Möbel nach individuellem Wunsch der Kunden
Dazu muss man dem Laien erst einmal erklären, was denn ein Winglet überhaupt ist. Ein Winglet ist die nach oben verlängerte Spitze eines Flugzeugflügels am Ende
der Tragfläche. Jeder, der einmal wirklich große Vögel, Adler, Geier, Kondore, in aufsteigender Thermik hat kreisen sehen, dem wird aufgefallen sein, dass die Vögel am Ende ihrer tierischen Tragflächen abstehende Flügelspitzen besitzen, mit denen sie ihren Gleitflug stabilisieren. Also haben sich Aerodynamiker die Besonderheiten der Natur zu Nutzen gemacht und Winglets den Flügelspitzen der Vögel nachgeahmt.
„Nachdem aus meinem Bekanntenkreis die Nachfrage kam, weitere Tische aus Flugzeugteilen zu bauen, verbesserte ich meine handwerklichen Fähigkeiten und begann Produkte zu designen und ihre Produktion zu modifizieren. 2016 mietete ich dann eine Halle im Gewerbegebiet St. Wendel-Bliesen und Anfang 2017 eine zweite dazu", erzählt der Saarländer.
Seit Sommer 2016 ist ein Freund aus Schweizer Tagen Teilhaber der Firma und verantwortlich für den betriebswirtschaftlichen Bereich. Seit September 2017 sind zwei Vollzeitkräfte bei ihm beschäftigt: ein Werkzeugmacher für alle Metallarbeiten und ein Schreiner. Das Unternehmen fertigt Möbel nach Maß, ganz nach den individuellen Wünschen der Kunden. Ebenso auf Anfrage werden Beistelltische aus Bauteilen, die einmal in Flugzeugen verbaut waren, gefertigt. Entweder werden diese im Originalzustand geliefert oder nach Wunsch umlackiert. Hingucker für das besondere Büro sind der Beistelltisch aus einem Boeing-Rumpfblech, aus der Bordwand des Langstreckenfliegers, den Felgen der Airliner oder der Beistelltisch „Moskva" aus einem russischen Sternmotor. Kein Schnäppchen bei einem Preis von 8.500 Euro, aber für den, der es mag, ein traumhaftes Möbelstück. Im Portfolio befinden sich Schreib- und Esstische, Sitzmöbel für die hauseigene Bar oder das besondere Restaurant. Aber auch für den exklusiven Badespaß findet man das Passende. Für 20.000 Euro gibt es das Highlight der Möbelbauer, einen Whirlpool, der aus einem Triebwerkeinlass eines A320 gebaut wurde. „Dieser A320 Engine Inlet Whirlpool beschert exklusiven Badespaß in einem außergewöhnlichen Design", sagt Krämer.