Lothringen dreht den Spieß um: Unweit der Grenze entsteht bis Frühjahr 2018 ein Einkaufszentrum der Superlative. Es bleibt nicht das einzige. Damit sollen deutsche Kunden zum Shoppen nach Frankreich gelockt werden. Bisher profitiert vor allem Saarbrücken von der französischen Kundschaft.
Rund 25 Kilometer vor den Toren Saarbrückens entsteht in Frankreich ein neues Einkaufsparadies – und das hat es auch auf deutsche Kundschaft abgesehen. Auf 55.000 Quadratmetern baut der französische Immobiliengigant Codic mit Hochdruck am neuen Einkaufscenter der Superlative mit dem Namen B’est. Im Frühjahr kommenden Jahres soll das Megaprojekt in Farébersviller an den Start gehen. Die Supermarktkette Auchan ist auf 8.000 Quadratmetern das größte Geschäft. Hinzu kommen 100 Boutiquen für Bekleidung, Freizeit- und Sportartikel über Haushaltswaren und Drogerieartikel bis hin zu Elektrobedarf. Und damit das Einkaufen auch familienfreundlich gestaltet werden kann, haben sich die Macher einiges einfallen lassen: Restaurants und ein Freizeitpark mit Bowlingbahnen, Trampolin, Hindernisparcours, Laserspielen, Kletterpark, Streichelzoo und vieles mehr sollen die potenziellen Kunden möglichst lange auf dem Gelände halten: Einkaufen, Essen und Trinken sowie Freizeit unter einem Dach, dazu über 2.000 kostenlose Parkplätze, die Anbindung an die Autobahn A 4 mit eigener Auf- und Abfahrt, das Ganze eingebettet im Grünen, dazu ein Tick Nachhaltigkeit mit Holzfassaden, Dachbegrünung, Regenwassernutzung, Photovoltaikanlagen und zusätzlichen Energiesparmaßnahmen in den jeweiligen Gebäuden.
Wenn alles gut läuft, sollen über 750 neue Arbeitsplätze im neuen Einkaufstempel entstehen. Bei der Grundsteinlegung im vergangenen Jahr unterzeichnete Codic eine Partnerschaft mit der französischen Arbeitsagentur Pôle d‘Emploi, um das künftig benötigte Personal bereits im Vorfeld zu rekrutieren und entsprechend umzuschulen. Ein wichtiger Schachzug, um den Gegnern des Projekts ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schließlich braucht die Gegend um Farébersviller mit einer Arbeitslosigkeit von rund 14 Prozent dringend neue Arbeitsplätze. Da sei jede Ansiedlung willkommen, sagt Bürgermeister Laurent Kleinhentz, der im Vorfeld mit seiner Kommune über 270 Grundstücke zusammenkaufen musste, um dieses Megaprojekt überhaupt flächenmäßig zu ermöglichen.
Konsum auf 55.000 Quadratmetern
Der Einzelhandel in den umliegenden Städten und Gemeinden nimmt es inzwischen gelassen hin, dass wieder mal ein Einkaufszentrum mehr und damit Konkurrenz auf der grünen Wiese entsteht. Trotz anfänglich massiver Proteste aus Städten wie St. Avold, Forbach und Sarreguemines gehen die Geschäftstreibenden davon aus, dass die Neugierde der Kunden nach einigen Monaten nachlässt und sie wieder in den Geschäften vor ihrer Haustür einkaufen. Forbachs Bürgermeister Laurent Kalinowski hält sich in dieser Frage allerdings lieber vornehm zurück und äußerst sich auf Anfrage erst gar nicht zum Thema.
Was sollten die Kommunen bei hoher Arbeitslosigkeit letztendlich gegen die neuen Shoppingcenter tun? Mehr als zu hoffen und die Stärken des lokalen Handels auszuspielen, bleibt ihnen eh nicht, zumal der Bau neuer Einkaufszentren im Mosel-Département derzeit en vogue zu sein scheint. Nach „Waves" bei Metz eröffnete noch im November der nächste Einkaufstempel „Muse" gegenüber des Centre Pompidou in der Metzer Innenstadt.
Mögen die neuen Einkaufszentren in Metz mit 70 Kilometern wahrscheinlich vom Saarland noch weit genug entfernt sein, so dürfte es bei „B’est" in Farébersviller mit nur 25 Kilometer von Saarbrücken anders aussehen. Eine Vorabstudie spricht bei „B’est" von einem Einzugsgebiet von rund 260.000 Einwohnern in einem Umkreis von 35 Kilometern, und da zielt man nicht nur auf deutsche Kunden.
Die Euros im eigenen Land behalten
Der Präsident des Generalrats von Moselle, Patrick Weiten, macht gar keinen Hehl daraus, dass er von den Euros, die seine Landsleute in Saarbrücken ausgeben, lieber mehr im eigenen Land behalten würde. Immerhin sollen laut Umfragen die Geschäfte in der Saarbrücker Innenstadt bis zu 30 Prozent Umsatz mit französischen Kunden machen. Die neueste Studie des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlandes sagt, dass französische Kunden im Schnitt 1.400 Euro im Jahr in Saarbrücken ausgeben. Inwieweit durch das neue Einkaufszentrum in Farébersviller Kaufkraft vor Ort gebunden werde und daher weniger lothringische Nachbarn zum Einkaufen nach Saarbrücken kommen, könne man derzeit nur schwer beurteilen, so Sprecher Robert Mertes von der Stadt Saarbrücken. „Unabhängig vom neuen Konkurrenzangebot starten wir Anfang 2018 gezielte Marketingmaßnahmen in den angrenzenden Départements, um für die Einkaufsstadt Saarbrücken bei den französischen Kunden zu werben. Für die Attraktivität des Saarbrücker Einzelhandels aus Sicht von Kunden aus Lothringen sprechen nicht zuletzt die Angebotsvielfalt und das günstige Preisniveau."
Der Präsident des Handelsverbands Saarland, Hans E. Agostini, setzt auf das gute und überzeugende Warenangebot im Einzelhandel in Saarbrücken oder Saarlouis, um die drohende Konkurrenz abzuwehren. Trotzdem rechnet er bei der Größenordnung des Einkaufszentrums in Farébersviller mit negativen Auswirkungen. Zusätzliche Sorgen bereiten ihm vor allem die Einführung der Maut Ende 2018 und die hohen Parkgebühren in Saarbrücken. „Der gesamte Handel muss gut vorbereitet sein."
Mag sein, dass zurzeit noch ein Großteil der Franzosen zum Einkaufen und für Freizeitaktivitäten lieber ins benachbarte Saarland fährt. Angesichts der Entwicklungen seien die Geschäftsleute gut beraten, die Entwicklung im Nachbarland genau zu beobachten und sich auf ihre Stärken zu besinnen. Zumal die von vielen Unternehmern als hinderlich empfundene Pkw-Maut ein zusätzliches Handicap im kleinen Grenzverkehr sein wird – und jeder Euro entweder im Saarland oder in Lothringen nur einmal ausgegeben werden kann.