Mit politischen Entscheidungen hat Sebastian Maack (AfD) in seinem Ressort wenig zu tun: Seit der Berliner Wahl im vergangenen Jahr ist er in Reinickendorf Stadtrat für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten. Um Parkverbote durchzusetzen, greift er schon mal zu drastischen Maßnahmen. Und es ist ihm wichtig, dass man im Bezirk nun rascher heiraten kann.
Herr Maack, Sie verantworten als Stadtrat das Ordnungsamt und die Bürgerdienste in Reinickendorf. Sie haben sich einen Flohmarkt zur Brust genommen – warum?
Rechtsfreie Räume sind für mich nicht akzeptabel. Und bei den Flohmärkten in der Markstraße gab es zwei große Probleme. Das erste betraf den Verkauf von Neuware, der gegen das Sonntagsöffnungsverbot verstößt. Das zweite, viel größere Problem waren allerdings die Falschparker: Die Busspuren waren so zugestellt, dass der Bus nicht mehr an den Stationen halten konnte, sondern durchfahren musste. Außerdem wurden die Einfahrten der Anwohner grundsätzlich zugeparkt. Auch die Kreuzungen waren zugestellt, sodass der Verkehr nicht mehr gefahrlos in die Straßen ein- und ausfahren konnte. Es hat sich keiner mehr darum gekümmert, wo ein Halteverbotsschild steht oder welche Regelungen das Gesetz vorsieht.
„Knöllchen“ haben nichts gebracht?
Nein, das hat nicht ausgereicht. Eine sogenannte Bowi – also die „Berliner Verkehrsordnungswidrigkeit“ liegt hier bei 15 bis 25 Euro. Diesen Betrag hatten einige Fahrzeughalter schon eingeplant.
Was haben Sie also getan?
Das Ordnungsamt hat insgesamt 36 Außendienst-Mitarbeiter. Das reicht nicht aus, um in einer Großstadt mit einer Viertelmillion Einwohnern, wie Reinickendorf es ist, für Ordnung zu sorgen. Um trotzdem noch eine Wirkung zu erzielen, nehmen wir neben den Aufträgen, die uns über Telefon und die Ordnungsamt-App erreichen, nun Schwerpunkteinsätze vor. Im Falle des Flohmarktes bedeutet dies: drei bis acht Ordnungsamtsmitarbeiter vor Ort, dazu die Polizei, zwei bis sechs Abschleppwagen und 30 bis 90 abgeschleppte Fahrzeuge.
Was kostet es, abgeschleppt zu werden?
Der Preis für die Umsetzung eines Fahrzeuges liegt sonntags bei 220 Euro.
Schon mehr als eine Bowi – eine Art Erziehungsmaßnahme?
Ja, das muss sich noch herumsprechen. Wir haben noch nicht die Erfahrung gemacht, dass wir die Anzahl der Abschleppvorgänge reduzieren konnten. Es hat bislang noch kein Umdenken stattgefunden. Aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Menschen merken, dass wir regelmäßig vor Ort sind.
Da waren aber die betroffenen Autofahrer bestimmt nicht erfreut! Können Sie Ihre Mitarbeiter vor dem Zorn schützen?
Wir hatten dort schon die Situation, dass sich im Rahmen der Umsetzung eines Fahrzeuges auch mal schnell 20 männliche Personen um die Ordnungskräfte versammelten, um deutlich zu machen, dass es ihrer Meinung nach so nicht geht. Wir haben die Maßnahme natürlich trotzdem durchgezogen. Dennoch kann es gefährlich werden, deswegen ist es gut, mehrere Streifen und Verstärkung vor Ort zu haben.
Auch bei einem anderen Thema gibt’s immer mal wieder Ärger: Müssen Hunde draußen nun eigentlich alle an die Leine oder nicht?
Ja, es gibt eine allgemeine Leinenpflicht im öffentlichen Raum. Diese gilt unabhängig von der Größe des Tieres. Ausnahmen gibt es nur für Hundeauslaufgebiete oder private Grundstücke.
Und wer erwischt wird, zahlt?
Das hängt davon ab, wie oft die Person schon mit einem nicht angeleinten Hund erwischt wurde. Beim dritten, vierten Mal geht es dann schon auf die 200 bis 300 Euro zu. Eine mündliche Ermahnung passiert sehr selten, meistens wird eine Anzeige geschrieben. So lässt sich auch feststellen, ob der Hundehalter schon anderen Kollegen aufgefallen ist.
Aber Sie können ja nicht jedem Hund hinterherrennen ... Wie viele Leute bräuchten Sie denn, um alles zu schaffen?
Ich rechne hier mit einer Mitarbeiterzahl in dreifacher Höhe. Wenn wir 108 Mitarbeiter hätten, dann hätten wir eine Chance, hier wirklich etwas zu bewegen.
Aber davon kann man doch in ganz Berlin nur träumen.
Es gibt schon eine Reihe von Abteilungen, die zurechtkommen. Zum Beispiel ist das Standesamt Reinickendorf jetzt personell so gut ausgestattet, dass es die Anfragen vernünftig abarbeiten kann.
Das ging vorher nicht?
Das Standesamt war vorher ein Sanierungsfall und das größte Problem hier. Wir hatten eine Wartezeit von fünf Monaten auf die Voranmeldung für eine Eheschließung. Auf Geburtsurkunden und Sterbeurkunden mussten die Bürger vier bis sechs Wochen warten. Das ist dramatisch, da man ohne Geburtsurkunde auch kein Kindergeld beantragen kann, das gibt es erst ab der Antragstellung. Das heißt, den Familien sind da ein bis zwei Monate Kindergeld verloren gegangen, was bei einkommensschwachen Familien schon erheblich ist – gerade, weil man in der Zeit nach der Geburt ja die gesamte Erstausstattung anschaffen muss. Bei Sterbeurkunden war es ebenfalls schlimm. Denn wer die Urkunde nicht hat, kann das Erbe nicht antreten und auch keine Wohnung kündigen.
Wie ging es weiter?
Zunächst habe ich die Mitarbeiter gefragt, was sie machen würden. Diese haben mir gesagt, sie bräuchten mehr Standesbeamte – die gibt es in Berlin aber nicht. Ich habe mich dann an meinem vierten Arbeitstag direkt ins Standesamt gesetzt und mir von den Mitarbeitern jeden einzelnen Arbeitsschritt erklären lassen. Ich habe diese Schritte aufgenommen und darüber Datenflussdiagramme gezeichnet und mich anschließend mit der Leitungsebene, den Beschäftigtenvertretern und Standesbeamten zusammengesetzt und überlegt, wie die Abläufe durchgeführt werden und bei jedem Schritt gefragt: Muss das ein Standesbeamter machen? Und es stellte sich heraus, dass es eine ganze Reihe von Vorgängen gibt, die von Nicht-Standesbeamten vorgenommen werden können. Um den Rückstau abbauen zu können, musste ich dann fünf Stellen mit Nicht-Standesbeamten besetzen. Mir wurde zunächst nur eine Dreiviertelstelle angeboten, gleichzeitig wurde eine Kollegin leider versetzt. Ich habe dann so lange Personal gesucht und aus verschiedenen Bereichen umgesetzt, bis ich die benötigten sechs Mitarbeiter zusammenhatte. Für das Standesamt, das aus zehn Kollegen besteht, war das eine prima Aufstockung.
Wie sah das Ergebnis am Ende aus?
Wir haben die Änderung Mitte Januar beschlossen und Ende Februar waren wir quasi schon im grünen Bereich. Zusätzlich haben wir dann in den Sprechstunden auch spontane Voranmeldungen zur Eheschließung angeboten. So fielen die fünf Monate Wartezeit weg und jemand, der ein oder zwei Stunden in der Sprechstunde wartete, konnte seine Anmeldung dann direkt dort vornehmen. Nach drei bis vier Monaten konnten wir relativ viel Personal wieder abziehen. Dann habe ich noch eine Stelle nachbesetzt, die schon vakant war, und zusätzlich eine weitere neu geschaffen. So können wir langfristig verhindern, dass sich wieder ein Rückstau bildet. Wir haben den Turnaround also mittels eines kurzfristigen und eines langfristigen Konzeptes geschafft.
Gilt das auch bezüglich der Sterbeurkunden?
Bei den Sterbeurkunden haben wir den Bestattern mit vielen Vorgängen je ein Fach zugeteilt und Formulare entwickelt, die etwaige fehlende Unterlagen oder andere Probleme auflisteten. Diese Bestatter mussten dann nicht mehr in der Sprechstunde warten und auch für alle anderen verkürzte sich die Wartezeit dadurch erheblich.