Die CSU hat eine offene Personalfrage entschieden. Geklärt ist damit aber noch nicht viel. Die Bayern könnten zum entscheidenden Unsicherheitsfaktor beim Versuch einer GroKo-Neuauflage werden.
Unter Kabarettisten soll Martin Schulz gefürchtet sein. So mancher seiner Auftritte sei dazu geeignet, einen Kleinkünstler arbeitslos zu machen. Kabarettisten aus Bayern sollen trösten, Schulz sei doch nur eine vorübergehende Modeerscheinung, kein Vergleich zur dauerregierenden CSU, von Franz-Josef Strauß über den einmaligen Edmund Stoiber bis hin zum jüngsten Dreamteam Seehofer/Söder. Kein Wunder, dass selbst der unvergessene Dieter Hildebrandt nach Berlin abgehauen ist. Doch schon lang ist die CSU ja pingelig darauf bedacht, dass die bayerischen Weisen auch bundesweit zur Geltung kommen.
Rollenverteilung noch unklar
Kurz nachdem sich Horst Seehofer und Markus Söder passend zum ersten Advent auf die Nachfolge geeinigt hatten, konnte Seehofer gar nicht anders, als gleich mal ein Beispiel seiner Unterhaltungskünste via Fernsehen in die restliche Republik zu versenden. Er, der Horschti, habe dem Söder-Markus empfohlen, einen „authentischen" Politikstil zu pflegen. Söder müsse „seine Lebenserfahrung, seine Überzeugung zum Ausdruck bringen und in die Politik umsetzen". Seehofer ließ die gut gemeinten Empfehlungen in dem Zusatz gipfeln: „Die Leute wollen keine Inszenierung."
Wer nicht spätestens hier in schallendes Gelächter ausbrach, dem kann auch kein Arzt mehr helfen. Alleinunterhalter Horst Seehofer in seinem Element. Das konnte Markus Söder, noch bayerischer Finanzminister, so natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Er setzte im bundesweiten TV noch einen drauf, indem er seine politischen Freunde in der Landesregierung dazu aufrief, „wieder mehr mit- als übereinander zu reden und sich unterzuhaken". Auch das recht kühn für einen, der in der CSU seit mehr als einem Jahrzehnt als der Chefintrigant gilt. In der CSU gilt als ausgemacht, dass es der damalige Generalsekretär Markus Söder war, der die Geschichte von Seehofers heimlicher Geliebten in Berlin und dem gemeinsamen Kind gegenüber der „Bild" ausgeplaudert hat. Solche „Schmutzeleien" tragen selbst bei den Christsozialen in Bayern nicht wirklich zu einer tiefen Freundschaft bei, obwohl sich dort die politische Mentalität schon erheblich von der im Rest der Republik unterscheidet. Seehofers Ehe war dann doch noch gerettet, die Wähler hatten dem Ministerpräsidenten verziehen und ihn 2013 wieder mit absoluter Mehrheit ausgestattet, die die CSU fünf Jahre zuvor verloren hatte.
Die neue bayerische Regierung war gerade vereidigt, da tauchten schon wieder Gerüchte über Seehofers Unzulänglichkeiten bei der Ehepflege auf. Und wieder soll es Söder gewesen sein, der dafür sorgte, dass die Gerüchte publik wurden. Diese und viele weitere Söder-Sticheleien hat eine sehr intensive Männerfeindschaft bis heute gedeihen lassen. Und dieses Duo soll in den nächsten Wochen bei den möglichen Sondierungen zur erneuten Großen Koalition für die CSU mit einer Zunge reden.
Dass Seehofer sich umgekehrt bei Söder immer umgehend revanchierte, versteht sich von selbst. So hob er den Superstar Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg aus der Taufe. Nachdem dieser wegen seiner gefälschten Doktorarbeit dann schnell wieder abtauchen musste, zerrte ihn Seehofer vor einem Jahr wieder vor die Kameras, nur um Söder zu ärgern. Ähnlich wurde plötzlich Innenminister Joachim Herrmann ins Rampenlicht gedrängt. Seehofer machte ihn zum Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl, und war sich seiner Sache dabei so sicher, dass er ein Direktmandat für Hermann für nicht erforderlich hielt. Es wurde das schlechteste Bundestagswahlergebnis der CSU aller Zeiten, Herrmanns Karriere in Berlin fiel aus. Nun wird er wohl als Finanzminister Söder nachfolgen und somit in Bayern bleiben. Seit der Bundestagswahl war dann plötzlich Alexander Dobrindt der neue große CSU-Zampano von Seehofers Gnaden an der Spree, er leitet die Landesgruppe in der Bundeshauptstadt.
Auch hier spielte die Qualifikation keine Rolle, Söder sollte einfach mal wieder jemand Neues vor die Nase gesetzt werden. Bei den Sondierungen durfte Dobrindt für die CSU öfters mal artig Bericht erstatten, dann tauchten Gerüchte auf, Dobrindt könnte auch CSU-Vorsitz. Das hat sich nun für den Ex-Verkehrsminister erledigt.
Ähnlich ergeht es Ilse Aigner, auch sie hängt nun wieder in der Luft, wurde aber ebenfalls schon als Nachfolgerin Seehofers, mal für den einen, mal für den anderen Job gehandelt.
Söders Interesse gilt Bayern
Bei der großen Schwesterpartei CDU halten sich alle Mandatsträger mit Kommentaren zur neu verabredeten Machtkonstellation in der CSU zurück. Bloß nicht noch Öl ins bayerische Feuer kippen. So begrüßten natürlich alle artig die Entscheidung der beiden Männer, doch Begeisterung klingt anders. An den etwas spontanen Springinsfeld Seehofer hatte man sich in Berlin gewöhnt. Nun kommt noch eine politische Wundertüte Söder dazu, und beide reagieren obendrein bei direktem Kontakt äußerst allergisch aufeinander. Seehofer hat es fertiggebracht und mit Söder fast zwei Jahre nur das Nötigste gesprochen.
Auch nach der Entscheidung, die vor allem im Blick auf die bayerische Landtagswahl im kommenden Herbst getroffen wurde, weiß niemand so recht, wohin die CSU in den kommenden Wochen steuern wird. Seehofer, ganz der alte Sozialpolitiker, hat sich bei den Jamaika-Sondierungen beinahe schon hingebungsvoll um die Grünen gekümmert, selbst seine Obergrenze hat er sich „weich" reden lassen. Auch im Vorfeld der möglichen Gespräche mit der SPD hat Seehofer schon signalisiert, dass man selbst über eine Bürgerversicherung reden könne. Dass Markus Söder da mitspielt, ist nicht zu erwarten. Söder hat bereits seinem Kabinett in München angekündigt, die CSU müsse sich nach links mehr abgrenzen, wolle man in Bayern nicht den rechten politischen Rand in absehbarer Zeit als offene Flanke der AfD zuspielen. Das müsste im Söder-Klartext heißen: Bei der Obergrenze keine Kompromisse, der Familiennachzug bleibt ausgesetzt, und über eine Bürgerversicherung brauche man erst gar nicht reden. Damit wären die GroKo-Gespräche, wenn sie dann kommen, innerhalb von einer Stunde auch schon wieder beendet. Allerdings kann derzeit niemand sagen, wer in der CSU der Verhandlungsführer ist. Ist das der Noch-Ministerpräsident und Weiterhin-Parteichef Horst Seehofer? Oder ist es der zukünftige Ministerpräsident und damit Spitzenkandidat zur Landtagswahl im September Markus Söder?
Söders Interesse war nie erkennbar auf Berlin gerichtet. Sein Spielfeld ist Bayern, wo von ihm erwartet wird, dass er die so wichtige absolute CSU-Mehrheit verteidigt. Macht man bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin zu viele Zugeständnisse, gerät dieses Ziel in Gefahr. Also muss der 50-Jährige in Berlin recht brachial auftreten, will er den bei der Bundestagswahl zur AfD abgewanderten Wähleranteil in Bayern für seine Partei zurückgewinnen.
CDU und SPD werden sich überraschen lassen müssen, wie die CSU im Mix-Double sondieren und gegebenenfalls anschließend über ein Dreier-Bündnis verhandeln will. Das macht die Sache nicht einfacher. Da könnte es gut sein, dass sich CDU und SPD einig sind und beide Parteien dann auf das neue Dream-Team aus München warten müssen, weil sich Seehofer und Söder untereinander mal wieder völlig zerstritten haben. Für gute Unterhaltung ist – zum Leidwesen mancher Kabarettisten – somit auf jeden Fall gesorgt.