Vor mehr als tausend Jahren entdeckten die Vorfahren der Maori mit Kanus eine unbewohnte Insel und ließen sich dort nieder. Heute machen die Maori knapp 15 Prozent der 4,6 Millionen Einwohner Neuseelands aus. Lange durch die Engländer unterdrückt, sind sie heute Teil der Gesellschaft.
Einer der vielen Maori-Legenden nach ist Neuseeland aus einem Fisch entstanden. Als Maui-tikitiki-a-Taranga, ein mystischer Halbgott im Körper eines Jungen aus dem mythischen Land Hawaiki, eines Tages mithilfe eines verzauberten Angelhakens einen riesigen Fisch aus dem Meer fing („Te ika a Maui", der Fisch von Maui), formte sich während dessen Todeskampf die Nordinsel Neuseelands. Das Tier wehrte sich so heftig, dass es in Berge, Kliffs und Täler aufbrach. Aus der Luft betrachtet, erkennt man mit etwas Fantasie den Fisch: Im Norden den Schwanz, Richtung Süden das Maul, und die Augen bilden der Wairarapa Lake und der Hafen von Wellington. Die südliche Spitze von Hawkes Bay, wo Maui seinen Angelhaken ablegte, heißt bis heute „Te Matau a Maui" (Angelhaken von Maui). Das Kanu, mit dem er fuhr, „Te Waka a Maui", wurde zur Südinsel.
Stämme waren sich uneinig
Man nimmt an, dass die heutigen Ureinwohner Neuseelands um 800 bis 1000 nach Christus aus der Inselwelt Polynesiens auf die grünen Inseln im Süden kamen. Hier fanden sie ein reichhaltiges Nahrungsangebot vor, auch Klima und Vegetation waren abwechslungsreicher und vor allem die Bäume größer als in ihrer alten Heimat, was mehr Holz für größere Kanus und die Holzschnitzerei bedeutete. Die Sozialordnung der Maori war sehr komplex. Großfamilie und Sippe bildeten die Säulen des verwandtschaftlichen Zusammengehörigkeitsgefühls. Weitere Volksgruppen bildeten sich um die Waka, die Nachkommen der Maori, die mit dem gleichen Kanu einst in Neuseeland angekommen waren. Noch heute wissen die meisten Maori, mit welchem Kanu (Waka) ihre Vorfahren nach Neuseeland kamen. Ihre Identität basiert auf den Stämmen, die von den Wakas abstammen.
Nicht immer waren sich die Stämme einig. Der Streit um das ihre Siedlungen umgebende Land führte oft zu kriegerischen Auseinandersetzungen. In der Sprache der Ureinwohner bedeutet das Wort Maori, dessen Betonung auf dem a liegt, „natürlich" beziehungsweise „ursprünglich" oder „eingeboren". In Legenden bezeichnet das Wort sterbliche Menschen im Gegensatz zu unsterblichen Wesen.
Den ersten Kontakt mit Europäern hatten die Maori 1642, als der niederländische Seefahrer Abel Tasman die Westküste des heutigen Neuseelands entdeckte, sie in nördlicher Richtung erkundete und ihr den Namen Nieuw-Zeeland verpasste – in Anlehnung an das niederländische Zeeland. Es sollten 127 Jahre vergehen, bis mit dem Seefahrer James Cook wieder ein Europäer nach Neuseeland kam. Als er 1769 anlegte, betrug die Einwohnerzahl der Maori um die 250.000.
Mit der Einwanderungswelle der Europäer im frühen 19. Jahrhundert kamen Krankheiten auf die Inseln, gegen die die Maori keine natürlichen Abwehrkräfte besaßen. Die hohe Sterberate hatte zur Folge, dass sich ihre Bevölkerung um die Hälfte dezimierte. Die schwerwiegendste Konfrontation mit den neuen Bewohnern ergab sich jedoch bei dem Streit um das Land. Die Maori verkauften zwar bereitwillig Landflächen an die Einwanderer, denn der Verkauf bedeutete für sie eher eine Machtbestätigung als die Abtretung der Besitzrechte an die Käufer. Sie konnten es sich daher nicht vorstellen, dass die Europäer auf die ausschließliche Nutzung des von ihnen erstandenen Landes bestehen würden.
Der Vertrag von Waitangi, der 1840 von einem Vertreter der britischen Krone und 45 Maori-Chiefs unterzeichnet wurde, sollte die Landfrage klären und die britische Oberherrschaft bekräftigen. Er garantierte den Ureinwohnern alle individuellen und kollektiven Rechte sowie das Eigentum an von ihnen genutztem Land, landwirtschaftlichen Flächen, Wäldern und Fischereigründen, solange sie diese nicht an den Staat verkauften. Missstimmigkeiten über den genauen Wortlaut beziehungsweise Übersetzungsfehler führten zu 30 Jahre andauernden Kämpfen, den sogenannten Land Wars. Mit den Kämpfen um das Land, das die Briten trotz Vertrag konfiszierten, entstand eine gewisse Einheit unter den Stämmen, die 1845 zur Wahl eines gemeinsamen Königs, Pototau I. führte. Wegen der traditionellen Stammesfehden fehlte den Maori jedoch der Zusammenhalt, was es den Briten erleichterte, den Widerstand zu unterdrücken. Das Königtum hat bis heute überlebt. Der aktuelle König, Tuheitia Paki, vereint die Stämme von seinem Amtssitz in Waikato auf der Nordinsel. Die 1909 gegründete Partei „Young Maori Party" verfolgte das Ziel, ihr Volk nach den Bedrohungen im vorangegangenen Jahrhundert wiederzubeleben: Einerseits durch die Förderung der traditionellen Kultur, andererseits durch die Übernahme britischer Werte und westlichen Wissens in Medizin und Ausbildung. Besonders Rugby spielte bei der Integration der Maori in die britisch geprägte neuseeländische Gesellschaft eine wichtige Rolle. Der Nationalsport der Briten kam den physischen Fähigkeiten der Maori entgegen und diese wurden rasch als ebenbürtige Mitspieler akzeptiert. Vor jedem ihrer Spiele tanzt Neuseelands Rugby-Union-Nationalmannschaft „All Blacks" einen Haka, den rituellen Kriegstanz der Maori, um die gegnerische Mannschaft einzuschüchtern.
Gründungsmitglied der Young Maori Party, Apirana Ngata, ab 1928 Minister für Maoriangelegenheiten, entwickelte ein Programm zur Landentwicklung und verhalf vielen Stämmen dazu, ihr Land zurückzugewinnen. Es sollte aber bis in die 60er-Jahre dauern, bis die Kultur der Maori einen tatsächlichen Aufschwung erlebte und die Regierung die Ureinwohner als politische Kraft anerkannte. 1975 wurde das Waitangi-Tribunal installiert, bei dem die Maori ihre Rechtsansprüche, die sich aus dem über 180 Jahre alten Vertrag von Waitangi ergeben, anmelden können. Dank dieses Tribunals konnten sie grundsätzliche Ansprüche auf Fischerei und Waldwirtschaft geltend machen. Einen weiteren Erfolg verzeichneten die Maori, als ihre Sprache Te Reo Maori 1984 als Amtssprache Neuseelands anerkannt wurde.
Ein Fluss bekam Menschenrechte
Nach über 20 Jahren Verhandlungszeit einigten sich 2008 die neuseeländische Regierung und ein Kollektiv aus sieben Maori-Stämmen auf eine umfassende Entschädigung für die Ureinwohner, der nun 176.000 Hektar kommerzielle Waldfläche im Wert von umgerechnet 250 Millionen Euro und die Einnahmen aus deren Bewirtschaftung zugesprochen wurde. Der Vertrag machte die Stämme zu den größten Waldbesitzern Neuseelands. Während die meisten Kulturen die Natur als Besitz des Menschen betrachten und sie dementsprechend ausbeuten, leben die Maori, wie viele andere indigene Völker, in enger Verbindung mit Bäumen, Flüssen und Feldern. Sie sehen sich als Teil der Schöpfung, sehen Pflanzen und Tiere als gleichwertig an und sich selbst in der Pflicht, für diese zu sorgen. So setzten die Maori es durch, dass der Te Urewera Nationalpark im Jahre 2014 und 2017 der Whanganui River die gleichen Rechte wie ein Mensch bekamen und sich nun vor Gericht gegen Ausbeutung wehren können. Sollte es so weit kommen, werden die Interessen von Fluss und Park von einem gewählten Gremium vor Gericht vertreten. Ein Präzedenzfall in der Geschichte der Erde.