Ethan ist pädophil. Das war ihm wohl schon immer bewusst, sich selbst eingestehen konnte es der 62-Jährige aber erst spät – und mit Hilfe einer Therapie. Klar war für ihn aber, dass er niemals seiner Neigung nachgeben würde. So wie es ihm viele „Leidensgenossen“ gleichtun. In Deutschland gibt es hierfür ein besonderes Hilfsangebot mit dem passenden Namen „Kein Täter werden“.
Nicht jeder Pädophile ist auch ein Triebtäter. Diese Unterscheidung fällt nicht immer leicht, werden wir doch ständig mit erschreckenden Nachrichten über Kinderschänder konfrontiert. Nachvollziehbar, dass alle die sich von Kindern angezogen fühlen, für Menschen mit einer „normalen“ sexuellen Präferenz als abartig angesehen werden.
So sehen das aber auch vielen pädophil veranlagten Männer und Frauen. In Hilfsforen im Internet sprechen sich Tausende Pädophile gegen Kinderschänder aus. Verurteilen diese, ziehen klare Grenzen, würden niemals jemanden verletzen nur um ihren Trieb auszuleben. Sie arbeiten hart an einem normalen Leben, wollen eine „normale“ Partnerschaft mit einem Erwachsenen, wehren sich gegen ihre Neigung. Für diese Menschen gibt es hier in Deutschland seit einigen Jahren ein hervorragendes Angebot: „Kein Täter werden“.
Das Ziel des deutschlandweiten Präventionsnetzwerks der Berliner Charité war und ist es immer noch, Sexualstraftaten an Kindern sowie die Nutzung von Missbrauchsabbildungen, sogenannter Kinderpornographie, durch die therapeutische Behandlung von Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, bereits im Vorfeld zu verhindern. Prof. Klaus M. Beier, Sprecher des Netzwerks und Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité: „Bereits erste wissenschaftliche Evaluationen des Projektes haben eindeutig gezeigt, dass das Behandlungsprogramm geeignet ist, bekannte Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch zu senken und bei den Betroffenen eine erfolgreiche Verhaltenskontrolle aufzubauen. Aus aktuellen Nachuntersuchungen, die im Schnitt fünf Jahre nach der Behandlung durchgeführt wurden, wissen wir, dass keiner der Teilnehmer nach der Therapie sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen begangen hat.“
Die Nachfrage nach der Therapie unter absoluter Schweigepflicht ist nach wie vor ungebrochen. Seit Ende September 2016 haben sich 7.075 Menschen aus ganz Deutschland Hilfe suchend an das 2011 gegründete Netzwerk gewandt. 2.298 Personen stellten sich an einem der elf Standorte zur Diagnostik und Beratung vor, 1.264 von ihnen konnte ein Therapieangebot gemacht werden. Insgesamt haben seitdem 659 Teilnehmer die Therapie begonnen und 251 erfolgreich abgeschlossen. 265 befinden sich aktuell in einzel- und gruppentherapeutischer Behandlung. Interessenten, die aufgrund zu weiter Anreisewege keine Diagnostik und Therapie an einem der Standorte in Anspruch nehmen können oder bei denen Faktoren vorliegen, die eine Aufnahme in das Therapieprogramm zumindest vorerst verhindern, zum Beispiel schwere psychische Störungen oder Substandabhängigkeit, werden den Gegebenheiten angemessene Therapiealternativen vermittelt.
Auch Christina Wirtz, Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist vom Projekt überzeugt: „Die meisten Fälle von Kindesmissbrauch finden im sogenannte Dunkelfeld statt und bleiben unerkannt. Es gibt Studien, nach denen die Dunkelziffer sexuellen Kindesmissbrauchs bis zu 30-fach höher liegen soll, als aus amtlichen Statistiken hervorgeht. Am sinnvollsten und am besten für alle Beteiligten ist es deshalb, bereits anzusetzen, bevor etwas passiert. Prävention ist der beste Opferschutz.“
Die angebotenen gezielten Therapien können helfen, dass Menschen mit pädophilen Neigungen lernen, diese so zu kanalisieren, dass sie sie nicht ausleben, sondern sicher und dauerhaft kontrollieren. „Pädophile Menschen haben in der Regel starke psychische Belastungssymptome: Sie sind gehemmter und ängstlicher, weil sie wissen, dass die Mehrheit der Gesellschaft sie mit Sexualstraftätern gleichsetzt und dafür ausgrenzt“, erklärt Prof. Uwe Hartmann, stellvertretender Sprecher des Präventionsnetzwerks und Sexualmediziner der Medizinischen Hochschule Hannover. „Die Folge dieser sozialen Stigmatisierung: Sie isolieren sich, sind stärker und häufiger depressiv.“
Auch der 62-jährige Ethan aus den USA kämpfte jahrelang mit Depressionen. Erst spät gestand er sich ein, dass er sich zu jungen Mädchen hingezogen fühlt. Für den dreifachen Vater war aber von Anfang an klar, dass er seinem Trieb niemals nachgeben wird. Er ist Teil des Online-Selbsthilfeforums „Virtuous Pedophiles“.
Ethan, wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass Sie sich zu Kindern hingezogen fühlen?
Ich weiß seit Langem, dass ich mich zu zwölfjährigen Mädchen hingezogen fühle, habe mir aber nichts dabei gedacht, weil ich mich auch zu erwachsenen Frauen hingezogen fühlte. Aber in meinen frühen Fünfzigern habe ich realisiert, dass ich auf noch jüngere Mädchen stehe, mehr noch als auf Zwölfjährige oder Erwachsene.
Haben Sie diese Gefühle sofort als falsch wahrgenommen?
Nein. Aber in meinen Fünfzigern wusste ich längst, dass Handeln moralisch korrekt oder verwerflich sein kann. Aber Gefühle kann man nicht immer kontrollieren, sie können intensiv, widersprüchlich und so weiter sein. Aber sie sind nie falsch oder richtig.
Aber wie sind Sie damit umgegangen?
Ich wurde mir meiner Pädophilie nach und nach bewusst, als die Mädchen immer jünger wurden. Aber ich habe mir wirklich nie erlaubt auf meine Neigung in irgendeiner Weise zu reagieren, abgesehen von Fantasien über junge Mädchen.
Wie alt sind die Kinder, von denen Sie sich angezogen fühlen? Sind es nur Mädchen oder auch Jungs?
Niemals Jungs, nur Mädchen. Von Dreijährigen bis 30-Jährigen und darüber hinaus: Aber intensivere Gefühle habe ich für Mädchen am unteren Ende der Altersspanne.
Haben Sie jemals in irgendeiner Art und Weise auf Ihre Neigungen reagiert?
Ich hatte schon Fantasien. Ich habe mir Fotos und Videos von Mädchen in diesem Alter angesehen. Das Bildmaterial war aber vollkommen harmlos, in keiner Weise sexuell.
Waren Sie jemals kurz davor zu handeln?
Niemals. Ich würde niemals jemanden für mein eigenes Vergnügen verletzen. Aber die meisten Männer brauchen auch keine speziellen Strategien um keine Frauen zu vergewaltigen.
Hatten Sie trotz der pädophilen Neigungen Beziehungen mit Frauen oder Männern?
Ja, ich war verheiratet und wir haben gemeinsam drei Töchter großgezogen.
Leben Sie zurzeit in einer Beziehung?
Nein. Ich hatte eine zehn Jahre lange Beziehung nach der Scheidung, aber nicht in letzter Zeit.
Können Sie denn überhaupt eine erfüllende Beziehung mit einem Erwachsenen führen?
Das kann ich sehr wohl. In meinen 30ern und 40ern waren Frauen meines Alters sehr anziehend. Aber über 40 weckte kaum eine Frau mehr sexuelle oder romantische Gefühle in mir. Jetzt in meinen 60ern ist es praktisch unmöglich.
Wissen Freunde und Familie von Ihren sexuellen Präferenzen?
Zwei Freunde wissen es, aber niemand aus meiner Familie.
Wie haben die beiden reagiert, als sie es erfahren haben?
Sie haben es sehr gut aufgenommen. Aber natürlich waren sie nicht begeistert.
Waren Sie schon einmal in Therapie aufgrund Ihrer Neigung?
Ich war bei vielen Therapeuten über die Jahre, aufgrund von Depressionen. Einen dieser Therapeuten sehe ich nun schon seit über 15 Jahren, und durch unsere gemeinsame Arbeit habe ich erst meine Pädophilie entdeckt und konnte sie benennen.
Haben Sie Tipps für andere pädophile Männer und Frauen?
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Anziehung und Aktion. Du bist für deine eigenen Handlungen verantwortlich, aber nicht für das, was du anziehend findest. Außerdem: Konzentriere Dich auf Erwachsene und was Dich an ihnen anzieht und versuche diese Attraktivität weiter auszubauen. Auch wenn Du Dich mehr zu Kindern hingezogen fühlst, ist es Dir vielleicht dennoch möglich eine richtige Beziehung mit einem Erwachsenen aufzubauen.