Der Wirbelsturm „Maria“ hat Puerto Rico verwüstet. Hilfe für das US-Außengebiet lief schleppend an. Auch, weil Puerto Ricos Einwohner – obwohl US-Bürger – keine Abgeordneten nach Washington schicken? Der Zwitterstatus wird für die hoch verschuldete Insel zum Problem.
Wenn Puerto Rico ein US-Bundesstaat wäre – würde es Hilfe in Notlagen wie Hurrikan „Maria“ erleichtern?“ Auf diese Frage gab US-Präsident Donald Trump keine Antwort. Gestellt hatte sie ein Journalist im Oktober 2017. Der Gouverneur des US-Außengebiets war einen Monat nach dem verheerenden Wirbelsturm zu Trump nach Washington gereist, um mehr Hilfe für die Karibikinsel zu erbitten.
Die Zerstörungen durch „Maria“ und die heftige Kritik für Trumps späte und im Vergleich zu den Sturmschäden in Florida und Texas verhaltene Reaktion rückten die jahrelange Debatte über Puerto Ricos rechtlichen Status – Außengebiet aber kein Bundesstaat – wieder in den Mittelpunkt. Es dauerte fünf Tage, bis Trump Puerto Rico in seinen Tweets erwähnte. Anstatt sein Mitgefühl mit der Bevölkerung auszudrücken, sprach er über schlechte Infrastruktur und die Schulden des praktisch bankrotten Gebiets.
Bis 1898 war Puerto Rico eine spanische Kolonie, seit 1917 sind die Bewohner US-Staatsbürger. 1952 wurde die Insel zum Freistaat. Sie ist „ein nicht inkorporiertes US-Gebiet“ und weder ein eigener Bundesstaat, noch Teil eines Bundesstaats. Die etwa 3,4 Millionen Einwohner haben verfassungsmäßige Grundrechte, aber etwa kein Wahlrecht bei Präsidentenwahlen und keine stimmberechtigten Vertreter im Kongress. Für den Anthropologen David Vine macht dies Puerto Rico bis heute zu einer Kolonie, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Viele Puerto Ricaner würden dies auch so empfinden, meint etwa Ricardo Barrios, Puerto Rico-Experte des Washingtoner Think-Tanks Inter-American Dialogue. Sie fühlten sich von der Regierung behandelt, als seien sie Bürger zweiter Klasse – oder schlimmer noch – nicht einmal Staatsbürger. „Unter der Trump-Regierung ist diese unterschiedliche Behandlung noch deutlicher geworden, aber es ist mehr ein anderer Ton als eine Veränderung im Inhalt.“ Einer Umfrage der „New York Times“ zufolge war vor „Maria“ 54 Prozent der Amerikaner nicht bewusst, dass Puerto Ricaner ihre Mitbürger sind.
Puerto Ricos rechtlicher Zwitterstatus wird von einigen Politikern und Analysten auch für die Wirtschaftskrise der Insel mitverantwortlich gemacht: Schulden von mehr als 70 Milliarden Dollar, 45 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosenrate ist mit zehn Prozent mehr als doppelt so hoch wie im US-Durchschnitt. Im Mai 2017 erklärte die Insel den Staatsbankrott. Wegen des besonderen Status hätte Puerto Rico offiziell gar nicht Insolvenz anmelden dürfen, doch der US-Kongress hatte zuvor ein eigenes Gesetz (Promesa) zu diesem Zweck verabschiedet. Puerto Rico zahlt keine Steuern in die Bundeskasse. Die Insel bestimmt zwar ihre Innenpolitik, die Außenpolitik aber wird in Washington gemacht. Als Bundesstaat hätte Puerto Rico besseren Zugang zu Bundesgeldern, auch weil es im Kongress vertreten wäre. „Wären wir ein Staat, hätten wir all die Hilfe, die Florida bekommen hat“, sagte Puerto Ricos Delegierte im US-Kongress, Jenniffer González-Colón.
Washington will den Status nicht ändern
Seit 1967 gab es auf der Insel fünf nicht-bindende Volksabstimmungen zum Status. 2012 gab es erstmal eine Mehrheit dafür, zum 51. US-Bundesstaat zu werden, bei der letzten Abstimmung im Juni 2017 waren es 97 Prozent. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei 23 Prozent. Das Weiße Haus betonte, nur der Kongress könne den Status ändern. Puerto Rico sei ein machtloses Land ohne eigene Regierung, dass seinen Willen nur in nutzlosen Volksabstimmungen ausdrücke, schrieb der puerto-ricanische Schriftsteller José Rivera in der „LA Times“: „Puerto Rico ist in Wirklichkeit ein Zombie-Staat.“
In Washington selbst gibt es wenig Willen, den Status des Freistaats zu verändern. Der republikanische Senator Marco Rubio aus Florida ist einer der wenigen Konservativen mit einer klaren Position. Er sei für ein von der Bundesregierung unterstütztes Plebiszit pro oder kontra Bundesstaat, schrieb er 2015. Washington und der Präsident sollten dann das Ergebnis respektieren. Auch die Demokraten haben sich dafür ausgesprochen, dass die Insel der 51. Bundesstaat wird.
In Florida leben etwa eine Million Puerto Ricaner. Diese Zahl könnte noch steigen, da viele die Insel wegen der Wirtschaftskrise und den Hurrikan-Zerstörungen verlassen wollen. Auf dem US-Festland dürfen Puerto Ricaner übrigens dann ihre Stimme in Kongress- und Präsidentenwahlen abgeben. Da viele die Demokraten wählen und Puerto Rico als Bundesstaat zwei Senatoren und fünf Abgeordnete im Repräsentantenhaus stellen würde, haben die meisten Republikaner ein eher geringes Interesse daran, dass das Außengebiet zum Bundesstaat wird.
Barros glaubt sogar, dass „Maria“ trotz des medialen und politischen Echos den Weg in Richtung Bundesstaat noch schwieriger gemacht hat. „Die Vereinigten Staaten werden keinen Staat mit einer stagnierenden Wirtschaft in die Union integrieren“, meint er.