André Schürrle und Mario Götze machten Deutschland 2014 zum Weltmeister. Seitdem verliefen ihre Karrieren aber nicht wie erhofft. Viele Verletzungen und Enttäuschungen pflasterten den Weg. Ob sie bei der nächsten WM dabei sind, ist deshalb noch offen.
Diese Co-Produktion beim Tor für die Ewigkeit wird ihnen niemand mehr nehmen. Ihr ganzes Leben lang werden Mario Götze und André Schürrle auf jene 113. Minute des WM-Finales am 13. Juli 2014 im Maracanã von Rio de Janeiro angesprochen werden. Und sie selbst werden sich irgendwann vielleicht beim gemütlichen Zusammensitzen als Rentner an jene Sekunden erinnern, als Schürrle den Ball von der linken Seitenlinie nach innen spielte, Götze ihn mit der Brust stoppte und im Fallen mit dem linken Fuß ins Tor schoss. Es war der einzige Treffer des WM-Endspiels zwischen Deutschland und Argentinien. Und Deutschland war durch diese Kombination zum vierten Mal Fußball-Weltmeister geworden.
Das bleibt. Für immer. Und Schürrle und Götze – die beide in jenem Finale erst eingewechselt wurden – werden für die meisten deutschen Fußball-Fans für immer Helden bleiben. So wie Helmut Rahn und Balleroberer Hans Schäfer nach dem Siegtor im Finale 1954, Torschütze Gerd Müller und Passgeber Rainer Bonhof nach dem Endspiel 1974 sowie Elfmeterschütze Andreas Brehme und der „gefoulte" Rudi Völler 1990. Und dass es damals kein Zufall war, dass Götze und Schürrle zu den Helden wurden, zeigte die 91. Minute. Da wäre nämlich beinahe schon das 1:0 gefallen, nach einer umgekehrten Kombination, Götze hatte Schürrle bedient.
Schon damals musste man sich aber die Frage stellen: Was konnte nach einem solchen Tor für die Ewigkeit denn noch kommen? Denn die beiden Protagonisten waren noch extrem jung. Schürrle erst 23, Götze sogar erst 22. Den Höhepunkt ihrer Karrieren würden beide hinter sich haben, das war damals schon klar. Man rechnete aber dennoch damit, dass bei solch begabten Fußballern noch einige Highlights kommen würden. Champions-League-Siege vielleicht oder persönliche Ehren wie Fußballer des Jahres oder vieles mehr.
Beide waren noch extrem jung
Die Wahrheit rund dreieinhalb Jahre nach dem Endspiel von Rio ist: Es gab einzelne Highlights, aber nur wenige und nicht allzu große. Im Großen und Ganzen ging es in der Karriere der beiden Gold-Jungs von Brasilien zuletzt insgesamt ziemlich bergab. Ein Beleg dafür ist die halbjährliche Umfrage des Fachmagazins „Kicker" unter den Bundesliga-Profis, bei der auch der Verlierer der vergangenen Monate abgefragt wird. Im Sommer 2016 und im Sommer 2017 „gewann" jeweils Götze. Diesmal, im Winter 2017, wurde Schürrle Zweiter hinter Lewis Holtby – der übrigens gemeinsam mit Schürrle und Götze im November 2010 bei einem 0:0 in Schweden sein Debüt in der Nationalelf gegeben hatte.
Im Vergleich zu Holtby legten Schürrle und Götze natürlich bereits überragende Karrieren hin. Der Hamburger hat nur drei Länderspiele absolviert, war bei keinem
Turnier dabei und gewann keinen Titel. Mit dem HSV spielte er zuletzt regelmäßig gegen den Abstieg – und in dieser Hinrunde stand er kaum noch auf dem Platz. Dagegen ist es bei Schürrle und Götze schon Jammern auf hohem Niveau. Dennoch: Es hat sich seit 2014 alles anders entwickelt, als es sich die beiden vorgestellt hatten.
Natürlich lag das auch an Verletzungen. Bei Götze hat das Portal „Transfermarkt.de" in der Verletzungshistorie 17 Ausfälle seit dem WM-Finale verzeichnet. Darunter viele mit nur drei oder vier Tagen Trainingspause. Aber eben auch 116 Tage nach einem Muskelfaserriss im Oktober 2015, 122 Tage wegen der Stoffwechselerkrankung, die im Februar 2017 diagnostiziert wurde. Und zuletzt noch mal 37 Tage wegen eines Bänderrisses im Sprunggelenk. Insgesamt fehlte Götze in diesem Zeitraum von dreieinhalb Jahren fast ein Jahr. Schürrle fiel in der ersten Saison nach dem WM-Finale nur zweimal für insgesamt zehn Tage aus. In den zweieinhalb Jahren seitdem aber weitere zehn Mal mit insgesamt 220 Ausfall-Tagen.
Siebenmonatige Auszeit bei Götze
Ihren Rhythmus konnten die beiden so nie so recht finden. Götze hatte den Schwung nach der WM eigentlich noch gut mitgenommen, stand beim FC Bayern in fast jedem Spiel in der Startelf und erzielte bis März 16 Pflichtspieltore. Bis zum Ende seines Münchner Engagements im Sommer 2016 folgten noch ganze sechs. Und vor allem: In den beiden wichtigsten Spielen, den Halbfinals der Champions League gegen Atlético Madrid, saß er jeweils 90 Minuten auf der Bank.
Die Rückkehr nach Dortmund sollte für ihn eine Befreiung bedeuten. Im gewohnten Umfeld, in dem er als Teenager zum Bundesliga-Star geworden war, sollte er zu alter Stärke zurückfinden. Doch das klappte zunächst überhaupt nicht. Bis Februar gelangen ihm nur zwei Tore, in wenigen Spielen überzeugte er. Als die Stoffwechselerkrankung erkannt wurde, schien ein Grund gefunden. Und nach der siebenmonatigen Auszeit fand der vielleicht talentierteste deutsche Fußballer der vergangenen zehn Jahre in neuer Rolle zumindest ansatzweise zu alter Stärke zurück. Der inzwischen schon entlassene BVB-Trainer Peter Bosz zog ihn aus der Offensive etwas zurück. Diese Position schien ihm auch deshalb ein wenig entgegenzukommen, da er sich in ihr von einem großen Schatten lösen konnte. Denn der legendäre Spruch, den Bundestrainer Joachim Löw ihm bei der Einwechslung im Finale 2014 mit auf den Weg gegeben hatte – „Zeig der Welt, dass Du besser bist als Messi" – hatte eine Eigendynamik entwickelt, einen Druck, dem niemand gewachsen sein konnte.
BVB-Chef Hans-Joachim Watzke stellte zu Saisonbeginn fest, dass einem bei Götzes Spiel immer noch „das Herz aufgeht". Er stellte aber auch fest: „Er spielt jetzt nicht – wie früher – wie Messi, sondern eher wie Iniesta. Er wird eine zentrale Figur werden." Das klappte halbwegs, bis ihn erneut eine Verletzung stoppte. Im Winter-Trainingslager des BVB in Spanien folgte nun das Comeback. Sollte Götze den Faden von vor der jüngsten Verletzung wieder aufnehmen, ist er auf einem guten Weg. Der ihn zumindest bei der nächsten WM 2018 noch in den Kader spülen konnte. Er habe mit Löw immer Kontakt, man habe „das ein oder andere Mal geschrieben oder telefoniert", berichtete Götze. „Gerade auch in der Zeit, in der ich nicht spielen konnte." Der Bundestrainer hatte ihm im November zum Nationalelf-Comeback nach einem Jahr verholfen und Götze hatte sich mit der Vorlage zum 2:2 in der Nachspielzeit gegen Frankreich revanchiert. „Er hat generell keine einfachen Jahre hinter sich", sagte Löw danach. „Er kommt, er wird besser und besser, aber er wird noch brauchen, um alles zu zeigen, was in ihm steckt. Doch er ist auf einem guten Weg."
„Er spielt jetzt eher wie Iniesta"
Das lässt sich von Schürrle aktuell nicht sagen. Der inzwischen 27-Jährige schaffte auch nach der WM keinen Stammplatz beim FC Chelsea und wechselte im Winter 2015 nach Wolfsburg. Das erste halbe Jahr dort verlief enttäuschend. In 22 Pflichtspielen gelang Schürrle nur ein Tor. Als der VfL gegen Dortmund den DFB-Pokal gewann, stand er nur neun Minuten auf dem Platz. Nach einer brauchbaren, aber nicht überragenden Saison wechselte er schließlich zum BVB. Dort war sein einstiger Mainzer Förderer Thomas Tuchel Trainer, er wollte Schürrle unbedingt. Doch auch unter ihm wechselte der Offensivspieler irgendwann zwischen Spielfeld und Bank. Hinzu kam eine Verletzung, und am Ende standen ganze zwei Bundesliga-Tore auf Schürrles Konto. Förderer Tuchel musste gehen, gleich im ersten Pflichtspiel unter Bosz verletzte sich Schürrle. Auch die beiden ersten Spiele unter Peter Stöger verpasste er wegen einer Prellung. Für Watzke ist der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte bislang ein Flop. „Ganz offen und ehrlich gesagt: Beide Seiten sind – Stand jetzt – noch nicht zufrieden", sagte der BVB-Geschäftsführer der Zeitung „Die Welt" über die 30-Millionen-Euro-Investition in André Schürrle.
Die WM-Teilnahme ist für den gebürtigen Ludwigshafener nun in weiter Ferne, offen beschäftigt er sich mit einem Vereinswechsel. Sein Berater Ingo Haspel sieht seinen Schützling falsch beurteilt. „André wird mir insgesamt viel zu negativ bewertet, teilweise unter der Gürtellinie", sagte er bei „Sport1". Er habe bis Dortmund eine gute Bilanz, und dort „fehlte in erster Linie das Glück, konstant gesund zu sein". Schürrle gehe aber fit in die Rückrunde. In der muss er endlich zeigen, dass er es nicht verlernt hat. Sonst wird der Vorlagengeber des goldenen Tors von 2014 die nächste WM nur vor dem Fernseher verfolgen.