Mit dem Klassiker Rallye Monte Carlo startet die Weltmeisterschaft nächste Woche (24. bis 28. Januar) in die neue Saison. Mit Sensationssiegen und unglaublichen Geschichten ist die „Mutter" aller Rallyes in die Motorsport-Annalen eingegangen.
Zum 86. Mal bittet die „Monte", wie die Rallye Monte Carlo kurz und prägnant genannt wird, ihre Verehrer zum Tanz auf Eis, Schnee und Asphalt. Auftakt ist am kommenden Mittwoch (24. Januar) mit dem Shakedown, einem letzten Test oder einem „Warmfahren" über 3,35 Kilometer in Gap. Der eigentliche Startschuss zu den 17 Wertungsprüfungen (WP) an vier Tagen fällt am Donnerstag um 18 Uhr vor dem berühmten Casino von Monte Carlo. Exakt 388,59 Kilometer müssen die Fahrer der 68 Teams auf den WPs unter Berücksichtigung der Stoppuhr durch die Lichtschranken absolvieren. Mit den Verbindungsetappen beträgt die Gesamtdistanz 1.260,37 Kilometer und als Komplett-Rallye inklusive der Kilometer „auf Zeit" 1.648,96 Kilometer. Soweit die nackten Fakten.
Die Route wurde zu 50 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr geändert. Nach dem glamourösen Start müssen sich die Fahrer auf die ersten Nachtprüfungen einstellen, die im Departement Alpes-de-Haute-Provence unter die Räder genommen werden. Am Freitag geht es in den Norden von Gap, wo zwei Schleifen mit drei Prüfungen über 160 Kilometer Action gegen die Uhr anstehen. Eine ebenso strapaziöse dritte Etappe am Samstag beinhaltet fünf weitere herausfordernde Prüfungen rund um Gap mit dem letzten Service. Anschließend siedelt der Rallye-Tross ins Fürstentum über. Die letzten vier WPs beenden die Rallye am Sonntag. Soweit das sportliche Programm.
Als bester „Tänzer" mit der „alten Dame" erwies sich bisher der neunmalige Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb. Gleich sieben Mal und immer mit Citroën (2003, ’04, ’05, ’07, ’08, 2012, 2013) gewann der Franzose die berühmt-berüchtigte „Monte". Als ungekrönter König gilt für viele Rallyefans der Regensburger Walter Röhrl, Weltmeister 1980 und 1982. Mit seinem Gebetbuch-Vorleser, Co-Pilot Christian Geistdörfer, gewann „Der Lange" vier Mal die Rallye Monte Carlo. Das Besondere aber an seinen Siegen ist, dass Röhrl diese Veranstaltung mit vier verschiedenen Autos der Marke Fiat (1980), Opel (1982), Lancia (1983) und Audi (1984) dominierte. „Wer die Monte gewinnt, ist der Größte", unterstreicht der Ex-Weltmeister die Bedeutung dieser einzigartigen Rallye.
Die Route wurde zu 50 Prozent geändert
Ebenfalls viermaliger Monte-Sieger ist Sandro Munari. Der Italiener beherrschte in den 70er-Jahren (1972, 1975 bis 1977) immer mit Lancia als Bester den Schnee- und Eistanz. Ein weiterer „Quertreiber", wie die Rallye-Piloten auch bezeichnet werden, welcher der „Monte" als Vierfach-Sieger seinen Stempel aufdrückte, war der Finne Tommi Mäkinen. Der „König von Finnland", fünf Mal Sieger in Folge bei seinen Heimrallyes (1994/Ford Escort, 1995 bis 1998/Mitsubishi), war bereits 1996, ’97, ’98 dreimaliger Rallye-Weltmeister. Sein erster von vier Triumphen bei der „Monte" gelang „Big Mäc" aber erst 1999 (Mitsubishi). Im gleichen Jahr wurde Mäkinen zum vierten Mal Rallye-Champion. In den folgenden Jahren 2000, 2001 (Mitsubishi) und 2002 (Subaru Impreza) absolvierte der Driftkünstler aus dem hohen Norden jeweils den besten „Tanz" mit der „Monte" und reihte sich ebenfalls in die Liste der viermaligen Sieger ein. Doch lang, lang sind die Kunststücke von Röhrl, Munari und Mäkinen her.
Als aktuell weltbester „Quertreiber" gilt Sébastien Ogier. Der Franzose hat nach Monte-Siegen bereits zu dem deutschen, dem italienischen und dem finnischen Rallye-Altmeister aufgeschlossen. 2014, ’15 und ’16 siegte der diplomierte Skilehrer und ausgebildete Automechaniker im VW Polo. Mit seinem vierten Triumph in Folge schrieb Ogier 2017 eine der unglaublichsten Geschichten in der Rallye-Historie. Blick zurück: Nachdem sich der Wolfsburger Seriensieger Volkswagen nach vier Jahren (2013 bis 2016) mit 42 Siegen in 52 WM-Läufen und vier Fahrer- und Herstellertiteln aus der Rallye-WM verabschiedet hatte, stand der viermalige Champion Sébastien Ogier auf der Straße. Aufhören oder weitermachen? Der 33-Jährige machte weiter. Ogier unterschrieb einen Einjahresvertrag bei dem privaten britischen Team M-Sport, das den Ford Fiesta einsetzt. Ein Privat-Team gegen die drei reinrassigen Hersteller Toyota mit dem größten Budget, Hyundai mit dem besten Auto und Citroën mit der größten Erfahrung. Doch ausgerechnet beim Saisonauftakt 2017 in Monte Carlo zeigte Ogier den Werksteams, wo der Hammer hängt. Dem Neuzugang gelang der Sensationssieg. Zwar holte er anschließend in Portugal nur noch einen weiteren Saisonsieg, aber seine Konstanz machte schließlich den Unterschied aus. Bei 13 Rallyes stand der Franzose aus Gap, verheiratet mit der deutschen TV-Moderatorin Andrea Kaiser, neunmal auf dem Podest. Schon bei der vorletzten Rallye in Großbritannien war Ogier zum fünften Mal Weltmeister.
M-Sport erhält mehr Unterstützung vom Werk
Blick nach vorn: Nach den großen Erfolgen in der vergangenen Saison setzt Ford wieder intensiv auf die Rallye-Weltmeisterschaft. Die Amerikaner treten erstmals seit 2012 wieder als Werksteam an. Das britische Einsatzteam M-Sport wird in diesem Jahr erheblich mehr Unterstützung vom Werk erhalten. Dafür machte sich der französische Superstar, der von der Konkurrenz heftig umworben war, stark. Ogier war sich seiner Alternativen und der Qual der Wahl bewusst und somit in der Lage, klare Bedingungen zu stellen: entweder Werksunterstützung oder Abschied von M-Sport Ford. Sein Wunsch schien dem US-Konzern Befehl. Mit der Rallye Monte Carlo tritt Ogiers Truppe unter dem Namen „M-Sport Ford World Rallye Team" an. Zusammen mit M-Sport-Boss Malcolm Wilson will der Weltmeister die Titelverteidigung in Angriff nehmen. „Was wir erreicht haben, ist unglaublich. Und das wollen wir verteidigen", so der Franzose entschlossen. Damit gibt der fünfmalige Rallye-Champion gleichzeitig die Jagd nach seinem sechsten WM-Titel als Ziel aus.
Ogier ist sich aber auch bewusst, dass „es nicht einfach werden wird". Er erwartet einen noch engeren Kampf um die Weltmeisterschaft. „Der Konkurrenzdruck ist riesig. Mittlerweile sind alle Werksteams und zahlreiche Fahrer siegfähig. In dieser Saison wird die Luft nochmals dünner", hat der Franzose erkannt. Sein Chef Malcolm Wilson ist dennoch optimistisch und überzeugt, dass sein Star durch seine „meisterhafte Herangehensweise und Strategie in der Lage sein wird, Ergebnisse zu liefern." Bereits bei der Rallye Monte Carlo soll Ogier mit seinem „Monte"-Sieg Nummer fünf die Bilanz weiter aufwerten. Der Franzose will sich an die Rekordmarke von sieben „Monte"-Erfolgen seines Landsmannes ranrobben.
Heute ist die berühmteste Rallye der Welt nicht mehr das, was sie einmal war. Die Rallye Monte Carlo – das war auch einmal die „Nacht der langen Messer". Die Nacht, in der in Eis und Schnee der heißeste Kampf um Zehntelsekunden ausgefochten wurde, den der Rallyesport kennt. Pilgerstätte zigtausender unzerstörbarer Rallye-Derwische war ein Berg namens Col du Turini. Dieser 1.607 Meter hohe mäßig ambitionierte Hügel ohne schroffe Klippe war der berühmteste Berg in der Rallye-Geschichte. Dieser kühle „Kauz" war so etwas wie der Heilige Gral. Eine 32 Kilometer lange Sonderprüfung mussten seine Bezwinger über den heiligen Berg unter Räder und Spikes nehmen. Die Frage, warum gerade der „Col" zum heiligen Berg des Rallyesports wurde, warum sich gerade für diese Passhöhe Zehntausende Menschen bei Frost und zweistelligen Minusgraden zusammenpferchten und die schwierigsten Strapazen auf sich nahmen, um auf diese kahle und konturlose Kuppe zu kommen, ist nicht immer leicht zu erklären – und doch irgendwie und irgendwo nachvollziehbar. „Die Monte ohne den Col, das ist wie die Suppe ohne Salz", erkannte Altmeister Walter Röhrl einmal nostalgisch. Die Massen trauern heute noch ihrer Hysterie und ihrer Zeit nach.
„Die gestutzte Monte ist etwas für Weicheier"
Vor zehn Jahren bekam die alte „Grande Dame" ein frisches Make-up verpasst. Die „Monte" wurde geliftet, gestrafft. Die berüchtigte „Nacht der langen Messer" in den französischen Seealpen wurde wegen Sicherheitsbedenken aus dem Programm genommen. Die Zuschauermassen rund um den Col wurden immer bedrohlicher. „Die gestutzte Monte ist heute etwas für Weicheier, das ist ja schlimm", sprach sich Röhrl fast in Rage. „Diese Rallye ist für alte Männer, die in der Nacht nicht gut sehen. Zu viele Faktoren, die den Besten auszeichnen, werden einfach gekappt", ereiferte sich der zweimalige Champion. „Für mich war die Monte in ihrer Gesamtheit immer das Größte", so einer der größten Rallyefahrer seiner Zeit. Das neue Reglement findet Röhrl einfach nur tieftraurig, glaubt, dass die „Monte" ohne den Col und ohne die „Nacht der langen Messer" nur die Hälfte wert ist.
Die WM-Rallye Deutschland findet vom 16. bis 19. August mit Rallye-Zentrum als Dreh- und Angelpunkt in Bosen statt.