Sie können auch alkoholfrei. Aber die Drinks, die die Barkeeper vom „Jamboree" mit guten Spirituosen in die Gläser zaubern, können mit ihren Umdrehungen durchaus zu sehr qualifizierten Rauschzuständen führen.
Burak Köseoglu und sein Bar-Team haben es geschafft, uns in heiterste Stimmung zu versetzen: Erst der zehnte Drink war der alkoholfreie. Yay, eine „Virgin Golden Colada", die jungfräuliche Schwester meines ersten Cocktails! Die Dramaturgie war erkennbar. Begeisterung beim Barchef im „Grand Hyatt" Hotel und dem Team angesichts der drei probierwilligen Gäste. Die Begeisterung war ebenso auf unserer Seite. Angelockt vom Wissen um die flottgemachten und neuinterpretierten Cocktails im Spirit der 80er-Jahre und um den ordentlichen Alkoholgehalt in denselben, hatten wir sicherheitshalber ab Runde zwei um alkoholfreie Drinks gebeten. Doch die Profis auf der anderen Seite des Tresens nahmen unser Interesse an Kreationen wie „Dirty Harry", „Guns ’n Roses" oder „The Roxy" beglückt auf. Sie begannen zu mixen und uns jedes alkoholische Kaltgetränk, über das wir sprachen, sogleich zu servieren.
Die Mission „dienstlich trinken" wurde also mit Bravour erfüllt. Mit qualifiziertem Stoff zudem. Keiner von uns hatte am nächsten Tag den gefürchteten „Kopf". „Ich bin schon wieder ganz nüchtern", kabelte die Begleiterin, als wir uns auf dem Heimweg in der Bahn die Fotos der auch optisch attraktiven Drinks zuschickten – einer schöner als der andere. Mein „Blueberry Hill" konnte etwa mit getrockneten Zitronen- und Orangenscheiben sowie Blattgold auf fliederfarbenem Blaubeerpüree punkten. Zu dem mit Patchouli aromatisierten Mix aus Don Papa Rum, Beeren, Zitrone und Champagner hörte ich die Geister von Fats Domino, Glenn Miller und Louis Armstrong im Hintergrund Trompete spielen.
Vielleicht war das der Grund, warum ich den „Wachmacher", den die Karte allerdings für den frühen Abend vorsieht, als vorletzten erhielt? Der Alkohol versendete sich jedenfalls dezent in der eher frischen denn süßen Fruchtigkeit und in meiner Wahrnehmung. Gut möglich, dass auch der Mond stillstand, als wir die Bar gegen 23 Uhr verließen.
Erst einmal begrüßten uns jedoch zwei Herren mit Loch im Kopf: Ein schwarz gewandeter „Dirty Harry" sowie ein weißer Keramik-Samurai namens „Big in Japan". Sollte sich Clint Eastwood als Inspektor Harry Callahan auf der Jagd nach einem psychopathischen Serienkiller ins „Jamboree" verirren, bekäme er gewiss diese kerlige Version aus einem „Ardbeg 10"-Whiskey, Mandarinen- und Limettensaft, Karamell und Salz serviert. Das „Haar" aus angeflämmten Rosmarin-Zweigen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der torfige Geschmack des Whiskeys noch lange am Gaumen nachraucht. Gar nicht mein Ding. „Gut gelagertes Holz", sagt die Begleiterin. Genau ihr Ding. Sie hatte auf die Frage nach den Geschmackspräferenzen zu Anfang gleich „Nicht süß, gern herb oder mit Gurke" geantwortet und bekam diesen Drink zugespielt.
Alkoholfreie Cocktails mit Tee
Während sie dem grimmig dreinschauenden Harry Qualitäten als künftigem „Signature Drink" der Bar zuspricht, lässt sich der Fotograf asiatisch anhauchen. Rose-Sake ist die Basis für die Klänge von Alphaville, die er zu den säuerlichen Akzenten von Yuzu-Saft, Citrus-Wodka, Gojibeeren und Kiefern summt. Der Samurai im Becher hat etwas leicht Anparfümiertes, bleibt aber dabei auf der unsüß-fruchtigen Seite.
Wir verzichten auf die Sushi, die dazu in der Karte angeboten werden und für die das „Vox"-Restaurant im Hotel seine Expertise hat. Wir bleiben beim Barfood solide-knollig. „Süße Belgier" stärken uns in Gestalt von Süßkartoffel-Pommes. „Aufregend", sagt die Begleiterin über die Erdnuss-Chili-Sauce dazu. Knackige ganze Erdnüsse dümpeln in der cremigen Sauce mit einem Tick Chili-Feuer. Die flotten Belgier mit Nüsschen könnten schon allein eine solide Grundlage zum Trinken sein, aber eine Kräutercreme und Rhabarber-Ketchup warten ebenso auf ihren Auftritt. Die Saucen werden allesamt frisch im Haus gemacht, so wie im „Grand Hyatt" nicht anders zu erwarten. Das Ketchup bietet mit fast schon erdbeerigem Aroma einen Vorgeschmack auf den Frühling.
Ich beiße genüsslich in ein Ciabatta-Scheibchen mit Roastbeef und Remoulade. Das Fleisch tendiert in Richtung Pastrami von der Würze her. Aber auch die Scheibchen mit Hüttenkäse und schwarzem Salz oder mit Thunfisch und Salzzitrone munden bestens und bilden eine wohlschmeckende, herzhafte Grundlage für ein absichtsvolles oder unbeabsichtigtes Kampftrinken.
Mein Favorit in der ersten Runde ist der „verflüssigte Obstsalat" im metallenen Ananasbecher – eine fruchtige, aber eher süße „Golden Colada" mit Stiefmütterchen-Deko. Sie lässt mich mit Cachaça, Ananaspüree, Guave, Zimt, Zitrone und der obligatorischen Kokosnuss in den Sonnenuntergang an der Copacabana versinken. Ich mag solche „Mädchendrinks", bei denen das Betrunkenwerden „hintergründig über die Frucht verläuft", wie die Begleiterin spricht.
Klassiker in neuem Gewand
Über qualifizierten Alkoholersatz immerhin sprechen wir ausführlich mit Burak Köseoglu. Er wechselte nach mehr als zehn Jahren im „The Curtain Club" vom „The Ritz-Carlton Hotel" einmal über die Straße. Mit der Eröffnung des „Jamboree" im Juli 2017 übernahm er den Job als Chef beider „Grand Hyatt"-Bars. Die andere ist gleich neben dem „Jamboree", im Restaurant „Vox". „Es gibt schöne Tees und Infusionen, mit denen man Alkohol nachmachen kann", sagt Köseoglu. „Die Möglichkeiten sind unendlich." So kann etwa Grüner Tee hellen Alkohol wie Gin oder Wodka ersetzen und Schwarztee den Part von dunklem Alkohol wie Whiskey oder Rum übernehmen. Die jungfräuliche Schwester von der Copacabana, die „Golden Virgin Colada", einer der fünf nicht-alkoholischen Drinks in der Karte, verzichtet nicht nur auf das „Feuerwasser", sondern auch gleich auf die Tees. Sie wirkt damit einen Tick säuerlich-erfrischender als der „beschwipste Obstsalat".
Burak Köseoglu orientierte sich bei seinen Kreationen an den 80er-Jahren – natürlich fehlt auch der als „Sex en Cancún" neu interpretierte Klassiker vom Strand nicht. Red Berry Tequila ersetzt Wodka und Ananassaft den Orangensaft. Cranberry-Nektar, Pfirsichlikör, Zitrone und Grenadine erledigen auftragsgemäß ihren Job, den Drink erröten zu lassen. „So ist er fruchtiger abgerundet", sagt Köseoglu. Er modernisierte ebenfalls den „Kir Royal". Félix Kir, Bürgermeister von Dijon in der Nachkriegszeit und Namenspatron des „Kir", darf abtreten, wenn Cassis-Püree anstelle des Schwarze-Johannisbeer-Likörs „Crème de Cassis", Gin und Vetiver – ein asiatisches Süßgras – ins Spiel kommen. Ein mit Wacholder versetzter Champagner adelt das Getränk per Aufguss schließlich zum „King Royal". Ein schlichter „Cosmopolitan" oder „Black Russian" stehen dagegen nicht eigens auf der Karte: „Die Gäste erwarten dort Neues, Überraschendes", sagt der Barchef. „Die Klassiker können wir ohnehin auf Zuruf servieren."
Raubeinig und freiheitsliebend reitet zum „King Royal" der „Jamburger" aus US-Rindfleisch auf Brioche, mit lila Senf, Barbecuesauce und Pommes Frites ein. Der östliche, rohe Kollege vom Cowboy ist „Das Fleisch des Tartaren" – feines Rinderhack mit roten Zwiebeln, Schnittlauch, Anchovis-Aioli und Laugengebäck. Diese größeren Fleischgerichte liegen für 16 Euro auf dem Teller. Kleinere Snacks wie die Ciabatta oder die Süßkartoffel-Pommes werden für sieben oder sechs Euro gereicht. Die aufwendigeren alkoholischen Drinks kosten zwischen zwölf und 17 Euro; die „Quick Drinks" wie ein „Highlander" oder „French Mule" kommen für neun bis elf Euro flott ins Glas. Die alkoholfreien Drinks kosten neun Euro.
Wasser lässt die Rohre rosten
„Die werden nur auf den ausdrücklichen Wunsch der Gäste herausgerückt", resümiert die Begleiterin gen Ende hin erheitert. Vielleicht werden sie tagsüber williger verkauft? Wenn’s montags sowie mittwochs bis freitags eine „Lunch Combo" für 13 Euro gibt? Andererseits: Der Begriff „ein Jamboree machen" kommt aus der Pfadfindersprache und bedeutet so viel wie „die große Party am Feuer" zum Abschluss eines Lagers und steht synonym für exzessives Feiern. Die Bar will ihrem Namen schließlich Ehre machen, und das klappt mit Qualitätsalkohol und viel davon zweifellos besser.
Wir werden das mit den alkoholfreien Drinks erneut testen müssen. Bis dahin gilt die Devise des amerikanischen Komikers W.C. Fields, die auf der ersten Seite der Barkarte gedruckt steht: „I never drink water; that is the stuff that rusts pipes". Auf gut Deutsch: „Ich trinke niemals Wasser; das ist das Zeug, das die Rohre rosten lässt."