Bei allen Olympischen Spielen diskutieren die Sport-Fans im Vorfeld immer wieder auch die Frage nach den mutmaßlichen Stars der Wettbewerbe. Für die Winterspiele in Südkorea kommen etwas mehr als ein Dutzend herausragende Athletinnen und Sportler für eine solche Rolle in Betracht.
Die Sportwelt blickt in diesen Tagen gebannt auf Pyeongchang. Die Olympischen Winterspiele in Südkorea versprechen mit ihren zahlreichen Kämpfen um Gold, Silber und Bronze wieder mehrere Sternstunden durch bekannte Topstars und voraussichtlich wieder auch Geburtsstunden neuer Helden.
Die Frage nach dem Star der Spiele schlechthin bestimmte im Vorfeld von Pyeongchang zunehmend die vorfreudigen Diskussionen unter den Wintersportfans. Hierzulande fielen dabei natürlich häufig die Namen von Biathlon-Königin Laura Dahlmeier oder Skisprung-Adler Richard Freitag. Tatsächlich gehören beide zu den Kandidaten für diese exponierte und nach den Spielen auch lukrative Rolle. International jedoch konkurrieren gleich mehr als ein Dutzend Topsportler mit Dahlmeier und Freitag um den inoffiziellen Titel des Superstars von Pyeongchang, wobei natürlich Aktive mit Aussichten auf Erfolge in mehreren Wettbewerben wie immer leichte Vorteile haben dürften. Zu den größten Rivalen des Establishments könnten jedoch auch die immer wieder interessanten Exoten gehören, die in Pyeongchang besonders aus dem weniger winteraffinen Afrika so zahlreich an den Start gehen wie niemals zuvor.
Allerdings sind aufgrund des weltweit großen Interesses an den alpinen Ski-Wettbewerben die etablierten „Schneekönige“ die ersten Anwärter auf den Status eines Superstars. Allen voran Marcel Hirscher. Der „ewige“ Rivale des verletzt fehlenden Deutschen Felix Neureuther (Kreuzbandriss) fährt mit der Konkurrenz in den technischen Disziplinen (Slalom und Riesenslalom) seit Jahren regelmäßig Schlitten. Mittlerweile hat der Österreicher mehr Weltcupsiege auf dem Konto als die Ikonen Alberto Tomba (Italien) und Hermann Maier (Österreich), nur noch der legendäre Schwede Ingemar Stenmark stand in der Weltcup-Historie öfter als Hirscher auf dem obersten Stockerl.
So viele afrikanische Starter wie niemals zuvor
Trotz seiner mitunter erdrückenden Dominanz in den Torläufen hat sich der 28-Jährige einen Traum noch nicht erfüllen können: Hirscher fehlt noch wenigstens ein Olympiasieg. Vor vier Jahren bei den vorherigen Spielen im russischen Sotschi wedelte der Weltmeister zweimal als Zweiter knapp am ersehnten Gold vorbei.
Einmal Gold in seiner Vita hat Aksel Lund Svindal seit seinem Triumph 2010 in Vancouver im Super-G schon stehen. Doch der Norweger ist auch mit inzwischen 35 Jahren und trotz zahlreicher schwerer Sturzverletzungen noch so erfolgshungrig wie eh und je. Deswegen gilt Svindal bei seiner vierten Olympia-Teilnahme in den Speed-Disziplinen als ein heißer Kandidat auf neue Siege.
Die Gegenstücke zu Hirscher und Svindal sind bei den Frauen die US-Amerikanerinnen Mikaela Shiffrin und immer noch Lindsay Vonn. Shiffrin hat sich nach ihrem Slalom-Gold von Sotschi zu einer kompletten Skirennläuferin weiterentwickelt und muss daher in allen Disziplinen zu den Siegkandidatinnen gezählt werden. Als Empfehlung für Pyeongchang schraubte die erst 23 Jahre alte Allrounderin die Anzahl ihrer Weltcupsiege als erste Läuferin ihrer Altersklasse seit fast 40 Jahren auf schon über 40 Erfolge – und das mit für die Konkurrenz oft geradezu demoralisierenden Vorsprüngen.
Auch Vonn will acht Jahre nach ihrem Abfahrts-Gold von Vancouver noch einmal ganz nach vorne fahren. Der Ehrgeiz des alpinen Glamour Girls mit latentem Hang zur „Drama Queen“ ist trotz ihrer mittlerweile 33 Jahre ungebrochen, nachdem Vonn die Spiele vor vier Jahren im Zenit ihrer Laufbahn wegen eines Kreuzbandrisses verpasst hatte. Abseits der Pisten ließ Vonn im Olympia-Winter durch ihren Plan für eine Teilnahme an einem Weltcup-Rennen der Männer aufhorchen. Für Gesprächsstoff dürfte in Korea durch die Ex-Freundin von Golf-Superstar Tiger Woods also reichlich gesorgt sein.
Auch Außenseitern fliegen die Herzen zu
Noch viel schriller als Vonn kommt ihr Landsmann Shaun White daher. In der lauten Snowboard-Szene hat der 31 Jahre alte Olympiasieger von 2006 und 2010 längst schon Kult-Status. Seine spektakulären Flugeinlagen verzücken die Fans und beeindrucken die Konkurrenten nicht minder.
Als „Könige der Lüfte“ stehen auch Freitags Skispringer-Kollegen Kamil Stoch und Simon Ammann im gleißenden Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Stoch peilt nach seinem historischen Triumph bei der diesjährigen Vierschanzentournee als zweiter Gesamtsieger nach dem deutschen Idol Sven Hannawald mit Erfolgen auf allen Schanzen in Asien sein drittes Olympia-Gold nach dem Doppelsieg in Sotschi an. In seiner polnischen Heimat genießt der 30-Jährige eine Pop
ularität wie ansonsten nur Popstars und wurde erst kürzlich zum „Sportler des Jahres“ gekürt.
Stiller ist es um Ammann, wobei der Schweizer zumeist bei Olympia zu Höchstleistungen imstande zu sein scheint. Jedenfalls sind seine vier Goldmedaillen in olympischen Einzelwettbewerben ein beachtlicher Winterspiele-Rekord.
Im Biathlon strebt der Franzose Martin Fourcade in Pyeongchang seine wohlverdiente Krönung an. In den vergangenen Jahren führte der Weg zu einem Sieg in aller Regel immer nur über den 29-Jährigen. Fourcade besticht bei seinen zahlreichen Weltcuperfolgen stets durch Schnelligkeit in der Loipe und Zielsicherheit am Schießstand. Gegen den derzeit wohl komplettesten Winter-Zweikämpfer der Welt hat bei Olympia voraussichtlich nur der Norweger Johannes Thinges Bö eine Chance – eine Außenseiterchance.
Schon als Olympia-Ikone reist unterdessen Marit Björgen nach Fernost. Die unbestrittene „Königin des Langlaufs“ hofft in Pyeongchang auf eine Fortsetzung ihrer historisch einmaligen Erfolgsserie bei Winterspielen: Dreimal Gold 2010 in Vancouver und dreimal Gold in Sotschi sowie vier weitere Medaillen haben die 37-Jährige schon zur erfolgreichsten Frau und damit zu einer Legende in der Geschichte der Winterspiele avancieren lassen. Ihre Ambitionen unterstrich die Skandinavierin im Olympia-Winter denn auch schon mit weiteren Weltcup-Erfolgen.
Doch womöglich bedarf es gar nicht der großen Triumphe für den Aufstieg zu einem Superstar der Spiele. Wie das Beispiel des völlig chancenlosen englischen Skispringers Eddie „The Eagle“ Edwards 1988 in Calgary äußerst eindrucksvoll bewiesen hat, fliegen die Herzen der Menschen zuweilen auch den idealistischen Außenseitern auf den hinteren Plätzen zu. Besonders im Fokus stehen in Pyeongchang jedenfalls die Olympia-Teilnehmer aus afrikanischen Ländern, in denen Schnee und Eis aus klimatischen Gründen auf alle Ewigkeit wohl nur durch Fernsehen und Bücher bekannt sind.
Große Aufmerksamkeit ist bereits den Frauen-Bob-Teams aus Nigeria und erstmals auch aus Jamaika, deren männliche Vorgänger 1988 als „Cool Runnings“ sogar zu Hollywood-Ehren kamen, sicher. Blickfang für zahlreiche Kameraobjektive dürften in Südkorea allerdings auch ein Skeletoni aus Ghana oder die alpinen Skirennläufer aus Eritrea und Kenia sein. Durch weitere Olympia-Teilnehmer aus Madagaskar, Marokko und Togo ist der afrikanische Kontinent bei Winterspielen mit so vielen Nationen wie niemals zuvor vertreten.
Das Star-Potenzial all dieser „Underdogs“, die für die Erfüllung ihrer olympischen Träume in ihren Heimatländern teilweise erst überhaupt noch Verbände gründen mussten, ist ohne jeden Zweifel vorhanden. Die nigerianische Bobpilotin Seun Adigun etwa, 2012 bei den Sommerspielen in London Olympia-Teilnehmerin im Hürdenlauf, musste zur Bändigung des Ansturms von Fans bei öffentlichen Auftritten schon eigens Sicherheitspersonal engagieren. Sponsoren stehen denn auch schon bei ihrem Team mit vergleichsweise attraktiven Werbeverträgen Schlange, die ersten Spots von Adiguns Werbepartnern sind im Internet ein Hit.
Die Werbespots von Seun Adigun sind im Internet ein Hit
Dabei betreiben die sogenannten Exoten ihren Sport durchaus mit Ernsthaftigkeit und nicht mehr nur aus Lust an der Extravaganz: Trainerin von Jamaikas Bobfahrerinnen beispielsweise ist niemand Geringeres als Sandra Kiriasis – Deutschlands Olympiasiegerin von 2006 in Turin.