Bertolt Brecht, am 10. Februar vor 120 Jahren geboren, war einer der einflussreichsten deutschen Literaten der Neuzeit. Er schrieb nicht nur weltbekannte Theaterstücke wie die „Dreigroschenoper" oder „Mutter Courage", sondern veränderte auch die Art und Weise der Theaterinszenierung.
Es war im Februar 1919. „Bald nach Ausbruch der sogenannten deutschen Revolution, kam in meine Münchner Wohnung ein sehr junger Mensch, schmächtig, schlecht rasiert, verwahrlost in der Kleidung. Er drückte sich an den Wänden herum, sprach schwäbischen Dialekt, hatte ein Stück geschrieben, hieß Bertolt Brecht. Das Stück hieß ,Spartakus‘. Im Gegensatz zu der Mehrzahl der jungen Autoren, die, wenn sie Manuskripte überreichen, auf das blutende Herz hinzuweisen pflegen, aus dem sie ihr Werk herausgerissen hätten, betonte dieser junge Mensch, er habe sein Stück ,Spartakus‘ ausschließlich des Geldverdienens wegen verfasst." So erinnerte sich später der Dichter Lion Feuchtwanger an die erste Begegnung mit dem jungen Brecht, der ihn aufgesucht hatte, damit der einflussreiche Feuchtwanger ihn fördern und in der Szene bekanntmachen würde.
Damals war noch nicht abzusehen, dass Bertolt Brecht selbst einmal zu einem der einflussreichsten deutschen Lyriker der Neuzeit aufsteigen würde. Als den „größten Dramatiker des 20. Jahrhunderts" hat ihn Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bezeichnet. Bertolt Brecht hat nicht bloß Theaterstücke geschrieben, die bis heute weltweit aufgeführt werden – wie die „Dreigroschenoper", das „Leben des Galilei" oder „Mutter Courage und ihre Kinder". Er hat vielmehr das Theater an sich revolutioniert.
Brecht gilt als der Begründer des sogenannten epischen Theaters, auch bekannt als dialektisches Theater. Er wollte nicht, dass sich die Zuschauer mit den Bühnenfiguren identifizieren können, dass sie mit ihnen mitfühlen oder gar von ihnen verzaubert sind. „Glotzt nicht so romantisch", stand auf Plakaten, die bei der Uraufführung seines ersten Stückes „Trommeln in der Nacht" im Zuschauerraum hingen. Stattdessen wollte er das Publikum zum kritischen Nachdenken anregen. Das erreichte er, indem er das Spiel auf der Bühne absichtlich verfremdete und somit als Schauspiel erkennbar machte – Brecht nannte es den „Verfremdungseffekt". Er war ein politischer Autor, der gesellschaftliche Veränderungen anstoßen wollte, deswegen mussten literarische Texte für ihn einen Nutzen haben. „Das Theater darf nicht danach beurteilt werden, ob es die Gewohnheiten seines Publikums befriedigt, sondern danach, ob es sie zu ändern vermag", sagte er.
Erste Gedichte verfasste er bereits als Kind
Seine ersten Gedichte verfasste Bertolt Brecht bereits als Kind. Am 10. Februar 1898 hatte er in Augsburg das Licht der Welt erblickt – damals nannte er sich allerdings noch nicht Bertolt, sondern Eugen, einer seiner insgesamt drei Vornamen. Erst ab 1916 verfasste er seine Werke unter dem heute bekannten Namen. Im März 1917 meldete sich Brecht zum Kriegshilfsdienst; es war die Voraussetzung dafür, dass er das Abitur ablegen durfte und in München ein Studium der Medizin und Philosophie beginnen konnte. Seine wahre Liebe galt jedoch stets der Literatur. 1918 schrieb er sein erstes Stück „Baal", für das sich jedoch zunächst niemand fand, der es veröffentlichen wollte. So verfasste Brecht Theaterkritiken, die nicht selten polemisch waren. Überhaupt war er nicht zimperlich: „Der junge Brecht ist näher an Eminem als sonst einer der alten Dichter", befand Kulturjournalist Albert Ostermaier im „Spiegel" – er „disste seine Kollegen wie ein Rapper, [Rainer Maria] Rilke etwa, der für ihn, wenn er sich mit Gott befasst, absolut schwul ist‘".
Veröffentlicht wurde der „Baal" erst 1922. Es war das Jahr, in dem Bertolt Brecht endlich der Durchbruch gelang. An den Münchener Kammerspielen wurde mit „Trommeln in der Nacht", einer überarbeiteten Version des „Spartakus", erstmals ein Stück von ihm aufgeführt; weitere Stücke sollten folgen. Spätestens als Brecht der mit 10.000 Reichsmark dotierte Kleist-Preis verliehen wurde, war in Deutschland eine regelrechte „Brechthausse" ausgebrochen, wie Theaterkritiker Herbert Ihering anmerkte.
1928 gelang Brecht mit der „Dreigroschenoper" einer der größten Bühnenerfolge der Weimarer Republik. Dies war zum Großteil auch der Verdienst von Kurt Weill, der das Stück vertont hatte. Vor allem das Lied „Moritat von Mackie Messer" wurde zu einem absoluten Klassiker. „Und der Haifisch, der hat Zähne / Und die trägt er im Gesicht / Und Macheath, der hat ein Messer / Doch das Messer sieht man nicht." Bis heute haben unzählige Interpreten dieses Lied auf Deutsch oder in einer anderen Sprache gecovert. Von Louis Armstrong, Ella Fitzgerald und Frank Sinatra bis hin zu Robbie Williams, Helge Schneider und Udo Lindenberg.
Nazis verbrannten 1933 Brechts Bücher
Vorlage für die „Dreigroschenoper" war die englische „Beggar’s Opera" von John Gay (Text) und Johann Christoph Pepusch (Musik) aus dem Jahr 1728, die Brechts Mitarbeiterin und Geliebte Elisabeth Hauptmann entdeckt und übersetzt hatte. Gemeinsam hatten sie eine erste Version erarbeitet, doch Hauptmann wurde später kaum für ihren Verdienst an Brechts wohl bekanntestem Werk gewürdigt. Brecht arbeitete oft im Kollektiv, wobei er immer die dominierende Person blieb. Er bediente sich auch gern den Ideen anderer, um diese dann weiterzuentwickeln. „Focus"-Redakteur Jobst-Ulrich Brand nannte ihn den „größten Halunken unter Deutschlands Dichtern". Brand schrieb 2006 anlässlich des 50. Todestages von Brecht: „Für sein Werk ging er auf Raubzug – bei Mitarbeiterinnen, die Geliebte waren, oder bei Kollegen, die sich nicht wehren konnten. Aber er war ein Meisterdieb des Wortes. Was er nahm, fügte er neu zu großer Kunst zusammen."
Dieser Meinung waren jedoch nicht alle. Den Nationalsozialisten waren die Werke des überzeugten Kommunisten Brecht ein Dorn im Auge. Schon 1930 störten sie in Leipzig eine Aufführung der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", die nur mit Mühe zu Ende gespielt werden konnte. Im Mai 1933 wurden Brechts Bücher verbrannt. Zu diesem Zeitpunkt weilte er bereits im Exil. Über Prag, Wien, Zürich und Paris führte es ihn nach Dänemark auf die kleine Insel Thurø bei Svendborg, 1939 dann weiter nach Stockholm und 1940 nach Helsinki. Im Ausland verfasste er zwei seiner bekanntesten Werke: 1938 entstand „Leben des Galilei", 1941 veröffentlichte er das kriegskritische Stück „Mutter Courage und ihre Kinder".
Im selben Jahr übersiedelte er in die USA, wo er jedoch kaum literarisch tätig war. Er sei ein „Lehrer ohne Schüler" und notierte in seinem Tagebuch: „Zum erstenmal seit zehn Jahren arbeite ich nichts Ordentliches." Nachdem die USA in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren, musste sich Bertolt Brecht als feindlicher Ausländer („Enemy Alien") registrieren lassen; wegen seiner Nähe zum Kommunismus wurde er nach Kriegsende 1947 außerdem vor den Ausschuss für unamerikanische Umtriebe geladen. Kurz darauf verließ er das Land wieder und zog zurück nach Deutschland nach Ostberlin. 1949 bekam er dort ein eigenes Ensemble – das Berliner Ensemble –, geleitet von seiner Ehefrau Helene Weigel. Es ist bis heute eine der renommiertesten Spielstätten in Deutschland.
Tod durch Herzversagen im Alter von 58 Jahren
Die DDR rühmte sich Brechts, er hatte dort mehr Freiheiten als andere Künstler. 1951 überreichte man ihm sogar den Nationalpreis der DDR I. Klasse. Bertolt Brecht habe mit seinen Werken geholfen, „den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen." Doch nach wie vor wollte Brecht gesellschaftliche Veränderungen anstoßen, was nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 besonders deutlich wurde. Zwar drückte er noch am selben Tag in einem Brief an Generalsekretär Walter Ulbricht seine „Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" aus, doch er formulierte gleichzeitig die Erwartung einer „Aussprache mit den Massen über das Tempo des sozialistischen Aufbaus". Die Regierung veröffentlichte den Brief, blendete dabei aber jegliche Kritik aus, was Brecht empörte und in der Bundesrepublik an vielen Bühnen zur sofortigen Absetzung seiner Stücke führte. Trotzdem schaffte er 1954/55 mit zwei Gastspielen in Paris auch den internationalen Durchbruch.
Am 14. August 1956 starb Bertolt Brecht an Herzversagen. Zuvor hatte er die Ereignisse von 1953 in den „Buckower Elegien" noch einmal künstlerisch verarbeitet. An einer Stelle heißt es: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?" Für seine pointierten Bemerkungen wie diese ist Brecht bis heute eine literarische Legende geblieben.