Yoko Ono wird am 18. Februar 85 Jahre alt. Sie wurde berühmt als John Lennons Muse, Ehefrau, Mitstreiterin und Nachlassverwalterin. In den vergangenen 50 Jahren hat sie viele bedeutende Spuren als Sängerin und Fluxus-Künstlerin in der Popmusik hinterlassen.
Aktionskunst will die Trennung zwischen Kunst und Leben aufheben. Niemand hat das spektakulärer demonstriert als John Lennon und Yoko Ono. In der Nacht auf den 25. März 1969 beginnt das frisch vermählte Ehepaar aus New York sein berühmtes Bett-Happening in einer Suite des Amsterdamer Hilton-Hotels. Auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs wollen der Musiker und die Fluxus-Künstlerin mit ihrer abstrakten Aktion und Slogans wie „Bed Peace" und „Hair Peace" für den Frieden demonstrieren. Dabei werden sie eine Woche lang umzingelt von Reportern aus aller Herren Länder, die ihre Botschaft in die Welt hinausposaunen sollen. Vom 26. Mai bis zum 2. Juni legen sich Lennon und Ono im Hotel Fairmont The Queen Eisabeth in Montreal noch einmal ins Bett. Im Pyjama geben sie Händchen haltend und mit sanfter Stimme Interviews: „Wenn Hitler und Churchill im Bett geblieben wären, wären heute noch viele Menschen am Leben." Bei dieser Fluxus-Kunst-Aktion entsteht die Friedenshymne „Give Peace A Chance". Sie wird zu einem Klassiker der Rockmusik.
Doch zunächst stellt sich kein Frieden ein, denn Yoko Ono wird hart angegriffen. Und zwar von Beatles-Fans, die glauben, die am 18. Februar 1933 in Tokio geborene Avantgardistin habe die Band auseinandergebracht. In den kommenden 40 Jahren gehörte es bei Ex-Beatle Paul McCartney und Yoko Ono zum guten Ton, ihre Feindschaft öffentlich zu pflegen. Erst 2012 schließt McCartney Frieden mit der Witwe seines 1980 verstorbenen Freundes und bezeichnet sie sogar als Mitglied der Beatles. Nicht Yoko Ono sei Schuld am Ende der Fab Four, sondern die Band selbst sei zerbrochen. Lennon sei ausgestiegen, um mit seiner großen Liebe Projekte für den Weltfrieden zu realisieren. Heute weiß man, dass die Bed-Ins auf die Konflikte in der Welt wenig Einfluss genommen haben, aber die Bilder aus dem Bett sind zu einer Ikone in der Pop-Kultur geworden. Yoko Ono möchte noch immer helfen, die Welt friedlicher zu machen. „Ich bin nicht so naiv zu glauben, ein Künstler könne den Weltfrieden herbeischaffen", sagte sie im Gespräch. „Aber ich kann helfen, Wunden zu heilen. Zum Beispiel mit Musik."
Skandal um Nacktcover im Jahr 1968
Onos und Lennons erstes gemeinsames Album „Unfinished Music No. 1 – Two Virgins" löst 1968 bereits einen handfesten Skandal aus: Beide sind auf dem Cover nackt zu sehen. Ein Teil der Auflage wird von der Polizei beschlagnahmt. „Musikalisch betrachtet war es eine unheimlich gute Platte", findet Ono rückblickend. „Damals hat das aber niemanden interessiert. Alle regten sich nur über das Cover auf. Ich habe das Album bewusst ‚Unfinished Music‘ genannt. Das war prophetisch, wenn man sieht, wie unsere Musik heute weiterentwickelt wird. Ich möchte sogar behaupten: Meine Musik ist niemals fertig."
Im Mai 1969 erscheint das Nachfolgewerk unter dem Titel „Unfinished Music No. 2 – Life With The Lions". Die erste Seite der LP enthält einen Konzertmitschnitt aus der Mitchell Hall in Cambridge, wobei eine kreischende Yoko Ono den „Gesangspart" übernimmt und Lennon auf der E-Gitarre zirpende und fiepende Rückkopplungen erzeugt. Die Show gilt heute als die verstörendste Performance in der Geschichte der Rockmusik.
Yoko Ono erinnert sich: „Die Platte wurde teils bei einem Auftritt von John und mir an der Universität von Cambridge und teils in einem Londoner Krankenhaus aufgenommen, wo ich wegen einer Fehlgeburt behandelt wurde. John spielte in Cambridge eine unglaubliche Gitarre. Es waren kaum mehr als 500 Leute da. Von der Bühne aus konnte ich die Gesichter im Publikum erkennten. Die Blicke waren sehr ernst, weil sie von uns überhaupt nicht das kriegten, was sie erwarteten. Für mich war diese Musik von Anfang an etwas Großartiges. Ich konnte nie verstehen, warum die Leute sie schrecklich fanden".
Mit vier Jahren bekommt Yoko Ono Klavier- und mit 14 Gesangsunterricht. Sie ist fasziniert von den Zwölftonkomponisten Arnold Schoenberg und Alban Berg. In Manhattan lernt sie später die Avantgardisten John Cage und La Monte Young kennen. Ihr erster öffentlicher Auftritt findet 1961 in der Carnegie Recital Hall statt: Eine Mixtur aus Performance und radikaler experimenteller Musik. Ihr „Concert of Music for the Mind" hat 1967 in Liverpool Premiere. Ein Jahr später werden Yoko Ono und John Lennon ein Paar. Die Avantgardistin macht den Popstar mit einer anderen Art der Künstlerexistenz bekannt, die er sehr anziehend findet.
Nach drei experimentellen Alben, auf denen Ono mit ihrer ausgebildeten Opernstimme die ungewöhnlichsten Töne und Schreie erzeugt, gründen die beiden 1969 die Plastic Ono Band. Deren Debüt „John Lennon/Plastic Ono Band" gilt wegen kritischer und aufrüttelnder Songs wie „Give Peace A Chance" als das „ehrlichste Rockalbum aller Zeiten". Das Paar nimmt die Nummer am 1. Juni 1969 in Montreal im Hotelzimmer auf. Begleitet werden sie von Allen Ginsberg, Timothy Leary, Derek Taylor, Petula Clarke und singenden und tanzenden Radha-Krishna-Mönchen.
Das erste Konzert von John Lennon nach den Beatles geht am 1. August 1971 in Toronto über die Bühne. Neben Yoko Ono ist Gitarrengott Eric Clapton mit von der Partie. Mit herkömmlicher Popmusik hat dieses Happening allerdings nicht viel zu tun. Auf dem Programm: ein einziger Akkord und ein markerschütternder Urschrei von Yoko Ono.
Zeitsprung. Im Frühjahr 1980 hört John Lennon während eines Urlaubs auf den Bermudas aktuelle Pop-Songs von Lene Lovich und den B-52‘s im Radio. Diese erinnern ihn an Yoko Onos Sound. Das wertet er als Indiz, dass seine Frau im Mainstream angekommen ist. Am 17. November 1980 veröffentlichen Lennon und Ono das gemeinsame Album „Double Fantasy". Drei Wochen später wird John Lennon im Beisein von Yoko Ono vor seiner Haustür in Manhattan von Mark David Chapman erschossen. Noch Stunden zuvor hat der geisteskranke Beatles-Fan sich die LP „Double Fantasy" von Lennon signieren lassen. Sie klettert in England und in den USA auf Platz eins. Die Singleauskopplung „Woman" ist zugleich eine Liebeserklärung an Yoko Ono und eine Botschaft an alle Frauen.
„Die wahre Queen des Punk"
Anlässlich ihres 77. Geburtstages am 18. Februar 2010 reformiert die Witwe die Plastic Ono Band für ein Konzert in New York – mit den Originalmitgliedern Eric Clapton und Klaus Voormann. 2012 nimmt sie mit Kim Gordon und Thurston Moore die improvisierte Noiserock-Platte „Yokokimthurston" auf. Ansonsten ist ihr Sohn Sean Ono Lennon ihr musikalischer Partner.
Stellt sich die Frage, ob es auch einen Musikstil gibt, den sie aus Prinzip nicht spielen würde. „Nein, weil ich mich einfach nicht einschränken lassen will", antwortet die exzentrische Stil-Ikone. „Für mich ist grundsätzlich alles reizvoll, was neu ist. Ich stehe total auf Independent-Musik. Weil hier aus der Tradition heraus etwas Neues entsteht."
Yoko Ono wird „die wahre Queen des Punk" genannt. Das schmeichelt der ewig jungen Seniorin. „Ich bin ein Punk. Punk bedeutet für mich vor allem, gute Musik zu machen. Ich war immer rebellisch, auch schon, bevor mir John begegnet ist."
Plötzlich ist es cool, Yoko Ono zu hören. Die Avantgarde ist zum Mainstream geworden. Sie selbst ist davon am meisten überrascht: „Ich bin froh, dass ich das noch erleben darf."