Bereits im Kindesalter wusste Balian Buschbaum, der mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurde, dass er ein Mann ist. Im Interview spricht der 37-jährige Ex-Sportler über seinen Weg.
Herr Buschbaum, in welchem Alter haben Sie gemerkt, dass Sie ein Mann sind? Wie hat es sich bemerkbar gemacht?
Mir war bereits mit fünf Jahren klar, dass ich irgendwie anders bin. Ich wollte wie die anderen Jungs auch im Stehen pinkeln, spielte mit Lego Technik, fand meine Kindergärtnerin unglaublich schön und wollte sie von mir überzeugen. Dazu versuchte ich unter ihrer Aufsicht so viele Liegestütze zu machen, wie ich konnte. Gebracht hatte das damals natürlich nichts. Mein Selbstverständnis war schon immer das eines Jungen.
War es eine große psychische Belastung, dass Sie ein anderes Geschlecht hatten? Hatten Sie zum Beispiel auch Identitätsprobleme?
Mit 18 Jahren habe ich zum ersten Mal gehört, dass es so etwas wie eine Geschlechtsangleichung gibt. Diesen Schritt sah ich irgendwo in den Tiefen meines Unterbewusstseins als meine Erlösung. Allerdings stand ich damals vor meiner Stabhochsprungkarriere und war zum damaligen Zeitpunkt schon sehr erfolgreich. Ich schob den Gedanken beiseite und tobte mich im Spitzensport aus. Hier errang ich Titel, Urkunden, Medaillen und Pokale und dachte nach einem erfolgreichen, erreichten Ziel, dass das nächste Erreichen mich glücklicher machen würde. Dem war nicht so. Ich musste das Glück in mir finden und nicht im Außen. Das ist mir aber erst etwas später klar geworden.
Wem haben Sie sich damals als Erstes anvertraut?
Ich war schon Mitte 20 und redete mit meiner damaligen Freundin, die nebenbei Psychologie studierte, sehr viel, und mein Bild von mir kam mehr und mehr an die Oberfläche.
Ich erreichte im Spitzensport alles, was ein Mensch erreichen kann. Ich war jedoch nie glücklich. Dann wurde mir klar, dass ich kein zweites Olympia mehr in diesem Körper erleben möchte, sondern jeden Tag in mir Olympia feiern darf, wenn ich tatsächlich den Weg zu mir gehe.
Wie haben Ihre Familie und Ihrm damaliges Umfeld reagiert?
Ausnahmslos positiv. Ich behaupte, dass Menschen ein Gefühl füreinander haben, und meine Familie und Freunde wussten schon immer, dass mit mir etwas nicht stimmt beziehungsweise sahen sie mich zum Glück auch als jenen Menschen an, der ich tatsächlich war. Als Junge beziehungsweise Mann. Ich wurde von Freunden nie bei meinem Vornamen angesprochen. Dieser passte einfach nicht zu mir.
Als ich dann mein Umfeld über meine Schritte zum Mann-Sein aufklärte, fielen sie mir reihenweise in die Arme und sagten: „Endlich! Es ist nicht verrückt von Dir, diesen Schritt zu gehen. Es wäre verrückt gewesen, ihn nicht zu gehen.“
Wurden Ihnen nie Rollenklischees aufgezwungen?
Zum Glück hatte ich ein freies Elternhaus, dessen Horizont sehr weit und offen war. Ich wurde frei erzogen, da meine Eltern meine Wünsche und Bedürfnisse respektierten. Typische Rollenklischees waren gestern. Heute sowie auch schon damals in meiner Erziehung ging es um Bedürfnisse, bedingungslose Liebe und Freiheit. Was braucht man als Kind mehr?
Sie wurden als Yvonne Buschbaum geboren und waren eine sehr erfolgreiche Stabhochspringerin. Über Ihre Geschlechtsangleichung haben Sie öffentlich gesprochen und waren häufig in den Medien präsent. Haben Sie Akzeptanz in der Gesellschaft erfahren oder stießen Sie auch auf Unverständnis und bekamen dumme Sprüche zu hören? Und sind Sie im Bereich des Profi-Sports auch auf Toleranz und Verständnis gestoßen?
Nach meiner Pressemitteilung erhielt ich Briefe, E-Mails aus der ganzen Welt. Sie beglückwünschten mich für meinen Weg. Bei mir trafen diese Nachrichten zunächst auf Verwunderung, denn schließlich bin ich nur meiner Wahrheit gefolgt. Ich war aber auch dankbar, dass die Welt bereit war, zu verstehen. Auf Diskriminierungen bin ich persönlich von Auge zu Auge nie gestoßen. Menschen, die so etwas tun, fehlt oftmals nur Aufklärung und Respekt. Ich bin mir aber darüber bewusst, dass die meisten Diskriminierungen hinter dem Rücken stattfinden.
Halfen Ihnen die Gespräche in der Öffentlichkeit dabei, besser mit den vielen Veränderungen umzugehen?
Die Öffentlichkeit spielte in meinem Leben keine besonders große Rolle. Veränderungen, die gelebt werden wollen, werden im Umfeld kommuniziert. Hier spielt das wahre Leben. Für mich war meine Veränderung selbstverständlich. Das war der Weg zu mir. Ich musste lediglich lernen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, damit sie versteht, dass die Menschheit vielfältig ist.
Haben Sie Ihre Sportkarriere wegen Ihrer Veränderung beendet?
Ich habe meine Sportkarriere beendet, da ich durch meine äußerlichen Schritte zum Mann vor einer Hormonsubstitution stand. Für mich war klar, dass ich zunächst meine sportliche Karriere beenden muss, bevor ich diese Schritte einleite. Denn Testosteron bedeutet in der Welt des Sports Doping, und nichts liegt mir mehr am Herzen als Gerechtigkeit und Fairness. Meine Karriere habe ich deshalb beendet, weil sie zwischen mir und meinem Glück stand.
Haben Sie das Gefühl, dass die zunehmende Medienpräsenz von Transsexuellen – aktuell zum Beispiel Model Giuliana Farfalla – dazu beigetragen hat, Vorurteile und Diskriminierung abzubauen?
Ich finde es positiv, dass manche Medien mittlerweile seriös über die Vielfalt dieser Welt berichten. Je mehr seriöse Aufklärung stattfindet, desto besser. So werden Vorurteile und Ängste abgebaut.
Hatten Sie damals Zweifel vor der Geschlechtsangleichung?
Warum sollte ich an mir und meinem Weg zu mir zweifeln? Ich bin mit einem männlichen Gehirn und männlichem Selbstverständnis, also einer männlichen Identität, auf die Welt gekommen. Es wäre Selbstmord gewesen, den Weg nicht einzuschlagen.
Leben Sie heute in einer glücklichen Partnerschaft mit einer Frau?
Ich lebe in einer glücklichen Beziehung und liebe mein Leben. Ich bin jeden Morgen dankbar und demütig dem Leben gegenüber und freue mich, dass ich leben kann, wie ich möchte und bin.
Wusste Ihre Freundin bei Ihrem Kennenlernen von Ihrer Angleichung, und war das jemals ein Problem für sie?
Meine Freundin ist zum Glück intellektuell und empathisch. Sie lernte mich kennen, verliebte sich und umgekehrt. Mich interessiert ja auch nicht, ob sie sich vor zehn Jahren ein Hühnerauge hat entfernen lassen.
Ist es heute überhaupt noch ein Thema in Ihrem Leben, dass Sie mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden?
Meine Vergangenheit spielt nur noch in den Medien eine Rolle. Privat lebe ich ein ganz normales Leben.
Wurden Sie schon von anderen Menschen, die im falschen Körper geboren wurden, um Rat gefragt?
Berufsbedingt ist es meine Berufung, mich um die Gesundheit meiner Kunden zu kümmern. Unter meinen Aufgabenbereich fällt zum Glück sehr viel. Von der Ernährungsberatung über die Ursachenerkennung körperlicher Schmerzen bis hin zu Vorträgen rund um das Thema Persönlichkeitsentwicklung. Natürlich kommt auch immer wieder mal ein Betroffener und bittet um Rat.
Hat es Vorteile, sich in Männer und Frauen einfühlen zu können?
Das ist eine gute Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich weiß nicht, wie sich eine Frau fühlt, da ich nie eine war! Generell hat es Vorteile, wenn man empathisch ist und Gefühle zulassen kann. Ich wurde aus meinem Selbstverständnis heraus als Mann geboren, lediglich prägten sich meine Geschlechtsmerkmale falsch aus. Wenn Sie mich fragen, wie ich mich als Mann fühle, dann kann ich Ihnen antworten: fantastisch.
Mit welcher Intention haben ,Sie das Buch „Blaue Augen bleiben blau“ geschrieben?
In erster Linie wollte ich meine Geschichte erzählen, da ich weiß, dass es Millionen andere Menschen auf dieser Welt gibt, die ebenfalls in einem Gefängnis sitzen. Sie sind unglücklich in ihrem Beruf, ihrer Partnerschaft oder haben andere Probleme, für die sie eine Lösung suchen. Meine Intention war es, zu signalisieren, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt und das Glück kein Luxus ist, sondern das Geburtsrecht jedes Menschen.
Womit sind Sie derzeit beschäftigt?
Beruflich bin ich breit aufgestellt. Aktuell schreibe ich an meinem dritten Buch, in dem es um ganzheitliche Gesundheit geht. Ich bin als Speaker in Firmen und auf Veranstaltungen unterwegs und finde die Entwicklung wirklich toll. Viele Großfirmen haben verstanden, dass Vielfalt richtig eingesetzt werden muss, damit sie noch erfolgreicher werden. Aschaffenburg ist zwar meine Heimat, doch bin ich als Coach auch deutschlandweit unterwegs. Viele Menschen brauchen manchmal die Analyse von außen, um ihren Fahrplan für ihr glückliches neues Leben wieder sehen zu können. Dafür bin ich da. Ich zeige den Menschen, wie man gesund und glücklich ist.