Auch heute noch werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern gemacht: ob beispielsweise beim Gehalt – Stichwort Gender Pay Gap – oder auch im Supermarkt oder Friseursalon. Letzteres nennt sich Gender Pricing. Eine aktuelle Studie belegt: Frauen zahlen im Schnitt bis zu 20 Prozent mehr.
Gender Pricing heißt übersetzt nichts anderes als „dem Geschlecht einen Preis zu geben“. Und das ist ein reales Problem, jedenfalls machen einem das die Medien weiß, die aktuell hinter jedem Produkt gleich eine gemeine Verunglimpfung der Frau sehen. Doch ist das wirklich so? Zahlen Frauen immer mehr für Produkte und Dienstleistungen, als dies Männer tun? Eine bundesweite Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (kurz ADS) zur „Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland“ kommt zu folgendem Ergebnis: 59 Prozent von den 1.700 untersuchten Produkten und rund 380 Dienstleistungen differenzieren tatsächlich zwischen Frauen-Preisen und Männer-Preisen und zwar zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts. Diese Zahlen wurden bereits am 20. Dezember 2017 in Berlin veröffentlicht. Leiterin dieser Studie ist Juristin Prof. Dr. Maria Wersig vom Fachbereich „Angewandte Sozialwissenschaften“ der Universität Dortmund. Die Studie selbst fand im Auftrag des Instituts für sozioökonomische Forschung der 2HM & Associates GmbH statt. Demnach zahlen Kundinnen allein beim Friseurbesuch für einen Kurzhaarschnitt 12,50 Euro mehr als die männlichen Wuschelköpfe. Dabei handelt es sich um die gleiche Arbeitsleistung. Und es kommt noch dicker: Frauen verdienen nämlich im Durchschnitt auch noch 22 Prozent weniger als die Männer, haben somit eine geringere Kaufkraft und müssen trotzdem bei vielen Dienstleistungen tiefer in die Tasche greifen. Bei den Produkten in Drogerien und Supermärkten fallen die Ergebnisse des Preisvergleichs nicht ganz so tragisch aus. Lediglich vier Prozent der untersuchten Produkte kosten für Frauen tatsächlich mehr als für Männer. Und diese sind hauptsächlich Pflege- und Kosmetikprodukte.
Vielleicht polarisieren diese Ergebnisse gerade deshalb mehr denn je, denn ganz offensichtlich steckt hinter den Preisunterschieden eine Errungenschaft der modernen Marktwirtschaft. Frauen legen auf ihr Äußeres in der Regel mehr wert als Männer. Sie lassen sich gern von Verpackungsdesign und Werbeversprechen „ködern“ und sind dann auch bereit mehr zu zahlen, sind sich Werbeexperten sicher. Die Rechnung geht auf. Im Jahr 2017, so Hochrechnungen von Euromonitor, setzte die Kosmetikindustrie in Deutschland 16,6 Milliarden Euro um. Der Markt ist so groß wie sonst nirgendwo in Europa, und wenngleich die Verkaufszahlen bei der Männerkosmetik stetig steigen, geht doch ein überwiegender Teil der Milliardenumsätze auf die Rechnung der Frauen.
Griff zum Männerprodukt
Da stellt sich die Frage: Besteht gerade deshalb nicht Handlungsbedarf? Verstoßen tatsächliche geschlechtsspezifische Preisunterschiede gegen Diskriminierungsrechte? Eine Antwort auf diese Frage zu finden gestaltet sich aktuell schwierig, denn im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (kurz AGG) geht es nicht konkret um diese Fragen des Verbraucherschutzes, sondern um die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz. Deshalb könne das Gesetz auch nur mit Einschränkungen auf die Problematik angewandt werden, zum Beispiel dann, wenn es um Dienstleistungen im Alltag ginge wie bei Versicherungs- und Bankgeschäften oder bei Restaurantbesuchen, erklärt ein Pressesprecher der ADS. Es gäbe aber darüber hinaus eine EU-Richtlinie zur „Gleichstellung der Geschlechter“, die sich auch auf Bereiche außerhalb des Arbeitslebens beziehe und damit eine Benachteiligung im Segment Verbraucherschutz ausschließen soll. Dementsprechend empfiehlt Christine Lüders, Leiterin der Diskriminierungsstelle: „Unternehmen sollen ihre Waren und Dienstleistungen nach der konkreten Art der Leistung und nicht pauschal nach dem Geschlecht anbieten.“
Eine Forderung, die in New York längst Realität geworden ist. Hier haben die Verantwortlichen per Gesetz verboten, dass es zwischen den Geschlechtern für Dienstleistungen und Produkte unterschiedliche Preise gibt und damit ein Geschlecht diskriminiert wird. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass in einem Friseursalon in Brooklyn nicht mehr „Der Haarschnitt für den Mann“ und „Der Haarschnitt für die Frau“ angeboten wird, sondern schlicht zwischen Kurzhaarschnitten und Langhaarschnitten unterschieden wird. Ob sich Läden wie dieser an die Verordnungen halten wird streng überwacht. Verstöße gegen das Antidiskriminierungssetz können hohe Strafen nach sich ziehen. Ein Vorstoß mit Modellcharakter, dem vielleicht bald andere Städte folgen könnten.
Hierzulande gibt es inzwischen einen ganz anderen Ansatz der Preisgestaltung. Statt Gender Pricing heißt die neue Devise: Individualisierung. Das bedeutet konkret: Anhand der Kundendaten legen Händler personenspezifische Preise fest. Diese Methode nennt sich Dynamic Pricing und ist gekoppelt an komplizierte Algorithmen, die natürlich ein streng gehütetes Geschäftsgeheimnis sind. Und so passiert es heute immer öfter, dass sich 20 Personen in Deutschland ein und dasselbe Produkt bestellen und dafür am Ende eine ganz eigene Rechnung erhalten. Ob auch das eine Diskriminierung darstellt? Eine Benachteiligung derjenigen, die mehr zahlen, ist es auf jeden Fall. Doch wie lässt sich dies nachweisen? Einfacher bleibt es da, direkt im Geschäft einzukaufen und die Preise zu vergleichen. Wer als Frau nicht mehr zahlen will, der greift entweder zum Männerprodukt mit den gleichen Pflegeeigenschaften zum kleineren Preis oder er wendet sich vertrauensvoll an die Geschäftsleitung und beschwert sich über diese Ungleichbehandlung. Nur so lässt sich ein Umdenken erzwingen, vielleicht nicht sofort bundesweit und im Gesetzt verankert, aber zumindest vor Ort und zur eigenen Zufriedenheit.