Auf dem Saarbrücker Uni-Campus sind mehr als 60 „Kunst am Bau"-Projekte zu entdecken. Die Universitäts- und Landesbibliothek, kurz Sulb, gehört dazu und steht für eine gelungene Symbiose von Architektur und Bildender Kunst.
In den meisten Gebäuden der Uni ist es laut und hektisch. Studierende und Professoren sind eilig zur nächsten Vorlesung unterwegs, zwischendurch werden Telefonate geführt, Bekannte begrüßt und Verabredungen für die Mensa oder den Uni-Sport getroffen. Ein Gebäude unterscheidet sich davon: die Universitäts- und Landesbibliothek, kurz Sulb genannt. Hier herrscht stets meditative Stille, Bibliothekare huschen durchs Foyer, Studierende stellen ihr Handy auf Vibration, sobald sie das Gebäude betreten. Die Sulb ist für die Geschichte der Saar-Uni in mehrfacher Hinsicht erwähnenswert. Sie ist zum einen der erste realisierte Neubau der ab 1948 in Saarbrücken auf dem Gelände der ehemaligen Below-Kaserne angesiedelten Universität und zum anderen – wie auch die Mensa –
ein gelungenes „Kunst am Bau"-Projekt, bei dem Architektur und Bildende Kunst sich heute perfekt ergänzen. Im Gegensatz zur Mensa, bei der der Architekt Walter Schrempf bereits bei der Planung den Künstler Otto Herbert Hajek hinzuzog, erlebte die Sulb erst im dritten „Akt" bei der Umbau- und Sanierungsphase in den Jahren 2000 bis 2012 einen Dialog von Architekt und Künstler zur Umsetzung einer „Kunst am Bau"-Maßnahme.
Als im Jahr 1948 der universitäre Lehrbetrieb in Saarbrücken mit der juristischen und philosophischen Fakultät in den vorhandenen Gebäuden der Below-Kaserne startete, war bald ersichtlich, dass eine bauliche Erweiterung vonnöten war. Bereits 1952 wurde ein internationaler Architektenwettbewerb „für die Gesamtbebauung des Geländes der Universität und für den Neubau der Universitätsbibliothek und des Auditorium Maximums" rund um die Bestandsgebäude der Below-Kaserne ausgeschrieben. Ein erster Platz wurde bei dieser Ausschreibung nicht vergeben, der Zweitplatzierte, Prof. Richard Döcker, Ordinarius für Städtebau an der Technischen Hochschule Stuttgart, wurde schließlich mit der Umsetzung beauftragt. Einer seiner Studenten war übrigens Walter Schrempf, der 1963 die Mensa der Saar-Uni erbaute.
Die im Jahr 1954 von Richard Döcker erbaute Universitätsbibliothek umfasste zunächst ein Magazin sowie einen Verwaltungs- und Nutzerbereich. An den zehngeschossigen Bücherturm, der damals geradezu als Wahrzeichen der neuen Universität galt, schloss sich mit einem Riegel ein zweigeschossiger Verwaltungstrakt an. Der Zeitschriftenlesesaal wurde erst 1984 als Erweiterungsbau zum Ensemble angefügt.
Unter Denkmalschutz
Im Jahr 1997 wurde die Sulb unter Denkmalschutz gestellt, zeitgleich gewann das Saarbrücker Architekturbüro Professor Focht + Partner den Wettbewerb zum Umbau der Bibliothek, der schließlich in drei Bauabschnitten von April 2000 bis Mai 2012 realisiert wurde. Zunächst errichtete man ein neues, unterirdisch gelegenes zweigeschossiges Magazin, danach wurde das ehemals als Bücherturm genutzte „Hochhaus" zu Verwaltungs- und Büroräumen umgebaut und mit einem Fluchttreppenhaus ausgestattet. Die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen umfassten hauptsächlich die öffentlichen Nutzerbereiche der Bibliothek, im großen Lesesaal wurde eine Zwischengalerie aus Stahl eingefügt, sowie ein zweiter Lesesaal eingerichtet.
Der Architekt Prof. Bernhard Focht, der „Kunst am Bau" nicht als nachträgliche Dekoration versteht, bezog daher den von ihm ausgewählten Saarbrücker Künstler Lukas Kramer bereits während der Planungsphasen mit ein. Seit dem Jahr 1976 arbeiteten die beiden als Team zusammen und realisierten in der Folge zahlreiche „Kunst am Bau"-Projekte, so unter anderem beim Kaufmännischen Berufsbildungszentrum in Brebach (1982), beim Deutsch-Französischen Gymnasium in Saarbrücken (1990), beim Forschungs- und Entwicklungszentrum IDS Scheer in Saarbrücken (1996) oder auch bei der Landeszentralbank in Trier (1998). Für Focht soll die Kunst weder aufgesetzt wirken noch architektonische Schwachstellen kaschieren. „Die Kunst vielmehr muss, ob Malerei, Farbgestaltung oder Bildhauerei, weitestgehend integrierter Bestandteil der Architektur sein. Dies ist nur möglich, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt werden: zum einen, dass der Bauherr dem Architekten in diesem Bereich einen großen Freiraum lässt, zum anderen, dass eine möglichst frühzeitige Einbeziehung der Künstler in die architektonische Planung, am besten schon vor Baubeginn erfolgt. Hierbei muss zwischen Architekt und Künstlern größtmögliche Übereinstimmung über das „Wo" und „Wie" der Kunst bestehen", formuliert Bernhard Focht die Voraussetzungen für ein gelungenes „Kunst am Bau"-Projekt.
In der Sulb ist dies eindrucksvoll zu erleben. Gemeinsam entwickelten Kramer und Focht für den nach der Sanierung als Verwaltungsgebäude genutzten Bibliotheksturm, ein sich über zehn Geschosse spannendes Farbkonzept, bei dem immer zwei Etagen farbig miteinander verknüpft sind. Neben den Eingangsbereichen der Etagen sind auch die Teeküchen sowie das Treppenhaus in das farbige Gesamtkonzept integriert. „Die Farbe schafft Identifikation für die einzelnen Abteilungen", erklärt Lukas Kramer. „Allerdings gilt es zu beachten, dass das, was man sich im Atelier ausdenkt, auch zu den baulichen Gegebenheiten passen muss. Deshalb haben wir unser Farbkonzept in ein Modell übertragen, das vor Arbeitsbeginn auch in der Bibliothek den Entscheidungsträgern erläutert wurde", erinnert sich Kramer an die Vorarbeiten in der Sulb.
Bibliotheksturm mit zehn Etagen
Die Eingangsbereiche der Etagen im „Hochhaus" werden bestimmt durch eine Grundfarbe und jeweils sieben horizontal verlaufende und in sich rhythmisch gegliederte Farbbänder. Die Gliederung wird durch eingefügte Versatzstücke erzeugt, die an Kramers „Röhrenelemente" seiner Leinwandarbeiten erinnern. Es scheint als pulsierten „Elemente auf einer Schiene". Die Farbe entfaltet räumliche Wirkungen, die im Zusammenspiel mit den „Lichtbändern" der Strenge der Architektur entgegenwirken. Auf jeder zweiten Etage befindet sich eine Teeküche, die zwei Geschosse umspannt, wobei das höher gelegene Geschoss als Balkon fungiert. Die farbige Stirnwand wird von einem vertikalen grauen Band geteilt, in dem sich in gleichem Abstand kleine Lichtwellen zu bewegen scheinen.
„Wir genießen nach wie vor die Wandgestaltungen und auch den vertikalen, pulsierenden Farbbalken im Treppenhaus, der durch seine Größe anzeigt, auf welchem Stockwerk man sich gerade befindet. Denn der Balken wird immer länger, je höher man in die Stockwerke aufsteigt. Eine schöne Idee. Der Bau ist sehr nüchtern, mit klaren Linien, daher ist die farbige Gestaltung eine wunderbare Auflockerung. Es macht Spaß, hier zu arbeiten", schwärmt Eva Kopp, Fachreferentin für Psychologie, die auf der in Gelb gehaltenen Etage neun arbeitet. „So wie die Architektur ein Maß hat, das sich durchzieht, so arbeite ich auch in meiner Malerei. Die formale Wiederholung unterstreicht die Bedeutung der Form. Es entsteht ein magischer Effekt", erklärt Lukas Kramer die Wirkungsweise seiner „seriellen Malerei am Bau".
Im Lesesaal hat er seine Farb-Raum-Gestaltung in Form von seriell angeordneten, farbigen Platten als Hinterglasmalerei an den Stirnwänden fortgeführt und zusätzlich eine Wandmalerei angebracht. „Ich habe meine Glastafeln an der Breite der vorhandenen Holzpaneele sowie horizontal an der im Lesesaal neu eingefügten Galerie orientiert. Am Aufgang zur Galerie wurde eine Wand eingezogen, die die Klimatechnik verdeckt. Die bei dieser Wandmalerei vertikal aufstrebenden Lichtbänder ragen wie stilisierte Blumen in einer Vase auf", erläutert Kramer.
Dass die Arbeit durch das Treppengeländer und die Bücherregale teilweise verdeckt ist, stellt für ihn kein Problem dar. „Wir sind in einer Bibliothek und nicht in einer Ausstellung. Das gleiche gilt für die Wandmalereien auf den Etagen, die mit Kopierern und Arbeitsmaterialien zugestellt sind", kommentiert Kramer lächelnd den „Umgang" mit der „Kunst am Bau" in der Sulb.