„Die Verlegerin" erzählt, wie Anfang der 70er-Jahre die Pentagon-Papiere an die Öffentlichkeit kamen. Meryl Streep zeigt erneut, wie gut sie schwierige Frauencharaktere spielen kann.
Ein Film, der von lange zurückliegenden Ereignissen erzählt, sollte im besten Fall auch einen aktuellen Bezug zur Gegenwart haben. Mit „Die Verlegerin" hat Regisseur Steven Spielberg so eine Geschichte entdeckt. Meryl Streep und Tom Hanks spielen die Hauptrollen in dieser bald 50 Jahre alten Story, die heute so aktuell ist wie damals.
Es ist das Jahr 1971. Zwei Mitarbeiter der Regierung übergeben ein heimlich kopiertes, gut 7.000 Seiten starkes Schriftstück an die „New York Times", einer der stärksten überregionalen Zeitungen der USA. Die Papiere offenbaren, wie mehrere US-Regierungen hintereinander wichtige Informationen über den Vietnam-Krieg verheimlicht haben, um ihre Handlungen vor dem Volk zu rechtfertigen. Die Geheimdokumente belegen zudem Attentate und Missachtungen der Genfer Konventionen. Die „New York Times" druckt einige Auszüge und löst in den USA eine große Schockwelle aus. Schnell setzt sich die Maschinerie in Washington in Bewegung und zerrt alle Beteiligten vor Gericht, das infolge dem Verlag der „New York Times" jede weitere Veröffentlichung dieser Papiere untersagt.
Detailtreue und -reiche Inszenierung
Indes konnte auch Ben Bradlee (Tom Hanks) einige Teile der Geheimakten beschaffen. Er ist Redakteur bei der Regionalzeitung „Washington Post" und erkennt in dem Material die Chance, seine Karriere erheblich voranzutreiben. Die Entscheidung, die Papiere in der „Washington Post" zu veröffentlichen und die Vertuschungsversuche endgültig zu brandmarken, liegt aber bei Verlags-Chefin Katharine Graham (Meryl Streep). In einem nervenzerreißenden, sehr rasanten und spannenden Kampf riskieren Graham und Bradlee ihre Karrieren und die Zukunft ihrer Zeitung. Ihre Ziele sind der Erhalt der Pressefreiheit und die lückenlose Aufklärung der Bevölkerung. Ihre Gegner: die komplette US-Regierung.
„Die Verlegerin" ist ein hochinteressanter, sehenswerter Film. Spielberg zeigt den Redaktionsalltag der frühen 70er-Jahre mit großer Authentizität. Kleidung, Frisuren, Büro – alles ist detailreich inszeniert. Für Meryl Streep stellt die Verlegerin Graham eine ebenso starke und komplexe Rolle dar wie schon „Die eiserne Lady" (2011) oder zuletzt „Florence Foster Jenkins" (2016). Graham kämpft an verschiedenen Fronten: Sie hatte nach dem Selbstmord ihres Mannes kurzfristig den Verlag übernommen, obgleich sie zuvor ausschließlich Ehefrau und Mutter war. Die „Washington Post" stand zu dieser Zeit kurz vor der Pleite, ein Börsengang sollte das finanzielle Problem lösen. Zudem war Graham die einzige Frau in der Branche und hatte entsprechend mit Gegenwind zu kämpfen. Allein die Darstellung von Streep lohnt den Besuch des Filmes. Erstaunlich, wie perfekt es ihr gelingt, sich Grahams Habitus zu eigen zu machen. Durch Streep kann der Zuschauer Grahams faszinierende Entwicklung beobachten: von der engelsgleichen, zurückhaltenden Ex-Hausfrau, über die Zweiflerin im Kampf mit ihrem Gewissen bis zur Geschäftsfrau, die mit ihrer Entscheidung „Wir drucken!" ihren Verlag ebenso wie ihre Familie aufs Spiel setzt. Meryl Streep und Tom Hanks bilden ein brillantes Schauspielerpaar, das zukünftig hoffentlich noch häufiger gemeinsam vor einer Kamera stehen wird.
Zahlreiche aktuelle Bezüge zu den USA
Spannend ist „Die Verlegerin" auch, weil der Film mit der Geschichte der Pentagon-Papiere mehrere aktuelle Themen anspricht. Ein US-Präsident, der die Pressefreiheit einschränken möchte; ein Whistleblower, der mit der Veröffentlichung geheimer Unterlagen der Regierung zahlreiche Lügen nachweist; ein Krieg, in dem die USA eine Niederlage einstecken: Die Parallelen zwischen unserer Gegenwart und den Ereignissen um die Pentagon-Papiere sind allzu deutlich und zeigen, dass die Führungsriege der USA noch immer ihr eigenes Spiel spielt. So wird die Handlung von „Die Verlegerin" zum Spiegelbild der Gegenwart – sehenswert! Aber der Film ist auch eine Herausforderung. Das Drehbuch ist voller Details über die US-Politik, die Erzählgeschwindigkeit ist hoch, und die Dialoge sind lang – so mancher Zuschauer dürfte sich überfordert fühlen in diesen knapp zwei Stunden Nachhilfe der US-Geschichte.
