Der Riegelsberger Nico Zarcone wurde kürzlich italienischer Meister im Ringen. Und das, obwohl alles unternommen wurde, um einen Triumph des Polizisten zu verhindern.
Tante Liana gehörte zu den ersten Gratulanten. „Mio nipote campione di Italia“, schrieb die „Zia“ (ital. für Tante) voller Stolz auf Facebook: „Mein Neffe ist italienischer Meister.“ Kurz zuvor hatte Nico Zarcone es geschafft. Im Finale der Klasse bis 61 Kilo Freistil der italienischen Ringer-Meisterschaft in Ostia bei Rom hatte sich der Saarländer technisch überlegen mit 12:1 klar gegen Eni Kertusha durchgesetzt. „Ich wusste, dass ich die Kämpfe klar bestimmen muss, weil die Schiedsrichter sicher nicht auf meiner Seite waren“, erzählt Nico, von dem Ausflug in die Heimat seines Vaters sichtlich gezeichnet: „Sie haben mich an den Fingern gehalten, mich ins Gesicht getreten. Das hat mich wütend gemacht, aber am Ende habe ich ja gewonnen.“ Nico gewann technisch überlegen, bekam trotzdem Verwarnungen wegen angeblicher Passivität. Eine Platzwunde am Auge musste geklebt werden, dass ganze Gesicht ist voller Abschürfungen. Nicht alle waren glücklich, dass die „machina“ – die Maschine aus dem Saarland – die italienische Konkurrenz mit der Beinschraube schwindelig drehte. Dennoch: Das Turnier war gut besetzt. Zumindest was die Quantität angeht. Alleine 20 Sportler starteten in Nicos Gewichtsklasse. Die Organisation war vorbildlich, das Zuschauerinteresse groß. Im italienischen Verband ist – auch durch die Einbürgerung ausländischer Athleten – durchaus eine positive Entwicklung zu verzeichnen, zur europäischen Spitze ist es vielerorts allerdings noch ein weiter Weg.
Die Maschine aus dem Saarland
Nico Zarcones Vater Antonio hat sizilianische Wurzeln, Mama Anja ist Saarländerin. Der Papa hatte seinen Sohn begleitet. „Anfänglich wollte ich das nicht“, sagt Nico grinsend, „aber Papa war beim Militär in Rom, kennt sich noch gut aus.“ Doch während Nico nach dem Trevi-Brunnen und der Vatikanstadt sich nachts bei der Siegesfeier auch die eine oder andere Disco anschaute, arbeitete der Herr Papa die Erlebnisse des Tages auf. „Als Nico dann bei der Siegerehrung aufs Treppchen gestiegen ist und den Erfolg anschließend seinem Großvater gewidmet hat, war das schon ein ganz besonderer Moment. Das ging unter die Haut“, erzählt der 49-jährige Antonio, der zwar selbst in Deutschland geboren wurde, aber ehrlich zugibt: „Es schlagen immer zwei Herzen in der Brust. Obwohl die Verantwortlichen Nico zu Beginn des Turniers nicht eines Blickes würdigten.“ Doch der fegte nicht nur den bis dahin amtierenden Meister von der Matte, Nico blieb bei alle seinen vier Kämpfen ungefährdet. „Es war eine gute Trainingseinheit. Der Start war mit dem deutschen Bundestrainer abgesprochen und auch mit den Kollegen der Sportfördergruppe der Polizei, ohne deren Unterstützung Spitzensport nicht möglich wäre“, sagt Zarcone artig: „In der Jugend gab es einmal eine Anfrage des italienischen Verbands, ob ich nicht für das Heimatland meines Vaters starten will. In Italien ist der Ringerverband finanziell deutlich besser aufgestellt, der Sport im Aufwind. Und weil es weniger Konkurrenz gibt, hätte ich mich dort wohl sicher für jede Europa- und Weltmeisterschaft qualifizieren können.“ Doch Nico, der viermal Deutscher Meister in der Jugend und bei den Kadetten wurde, entschied sich ob der stärkeren Konkurrenz für den Deutschen Ringer-Bund (DRB). „Es war für meine Entwicklung besser, wie man jetzt sieht. Und es steht außer Frage, dass ich weiter für Deutschland ringen werde“, sagt der Kommissar-Anwärter, der seine Diplomarbeit zum Thema „Organisiertes Verbrechen am Beispiel der Mafia“ schreibt.
Familie wird bei den Zarcones großgeschrieben. Er und die zwei Jahre ältere Schwester Vanessa haben sowohl einen deutschen als auch einen italienischen Pass. „Meine Schwester ist von Kindesbeinen an geritten, ich habe mich fürs Ringen entschieden. Unsere Eltern waren, seit ich denken kann, jeden Tag mit uns unterwegs, haben uns zu Training und Wettkämpfen gefahren. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Vor einem Jahr haben die Geschwister gemeinsam ein Haus gekauft. Vanessa ist ein „Hardcore-Fan“ ihres Bruders, schaut sich jeden Kampf live oder, wenn nicht anders möglich, im Internet an. „Meine Mama geht dann lieber raus, sie kann nicht zuschauen, wenn man mir wehtut“, sagt Nico, der auch sportlich zweigleisig unterwegs ist. „In der Bundesliga starte ich für Köllerbach, bei Einzelwettbewerben für meinen Heimatverein Riegelsberg. Das ist nach den Regeln des Verbandes so möglich“, erklärt der 23-jährige angehende Polizist. Dass dies anfangs von den KSV-Fans kritisch beäugt wurde, ist längst vergessen. Wegen seines beherzten Kampfstiles haben die Anhänger den „italienischen Hengst“ längst ins Herz geschlossen. „Es ist nicht die russische oder die kubanische Meisterschaft. Aber es ist ein nationaler Titel, der gut fürs Selbstvertrauen ist“, beurteilt Köllerbachs Mannschaftsverantwortlicher Thomas Geid den Erfolg seines Schützlings, „Nico ist längst deutsche Spitzenklasse. Zur europäischen Spitze fehlt ihm noch etwas die Wettkampfhärte, aber das lernt er noch. Er ist noch jung.“
„Ein sehr fleißiger Junge“
Riegelsbergs Trainer Edgar Paulus hat Nico vom Ringer-Kindergarten bis zu den Aktiven hin betreut. „Unser Verhältnis ist nicht in Worte zu fassen. Er hat mir immer geholfen, selbst in der Schule“, sagt Zarcone: „Riegelsberg ist mein Heimatverein, darum hänge ich an dem Haufen.“ Und Paulus über Nico: „Er ist ein sehr fleißiger Junge. Er stellt sich den Herausforderung, Beruf und Spitzensport unter einen Hut zu bringen. Das ist nicht einfach. Er ist gewandt, beweglich und technisch versiert. Im Kraftbereich hat er noch leichte Defizite.“
Die will und muss der neue italienische Meister aufarbeiten, denn er hat sich schon die nächsten Ziele gesetzt. „Im Juni sind die Deutschen Einzel-Meisterschaften“, sagt Nico Zarcone, „da will ich dann nach Platz zwei beim letzten Mal jetzt gerne auch Erster werden.“ Und nach der Vize-Meisterschaft mit dem KSV hat er auch im Mannschaftswettbewerb noch eine Rechnung offen. Tante Liana würde dann wohl in beiden Fällen wieder als eine der ersten gratulieren.