Etwa die Hälfte aller Saarländerinnen arbeitet oder sucht Arbeit. Trotzdem liegt das Land bundesweit auf dem drittletzten Platz. Die Netzwerkstelle Frauen im Beruf der Arbeitskammer will das ändern. Ansprechpartnerin Mechthild Kartes kennt die Maßnahmen.
Frau Kartes, der Arbeitsmarkt boomt. Profitieren davon auch Frauen?
Noch immer sind Frauen im Berufsleben benachteiligt. Aber von einer guten Konjunktur profitieren sie natürlich auch. Frauen werden nicht nur in den üblichen Branchen wie Pflege, Handel und Erziehung gesucht, auch in früheren Männerdomänen wie dem IT-Bereich und in den sogenannten Mint-Berufen, Mathematik, Technik, Informatik und Naturwissenschaften sind Frauen gern gesehen.
Dann ist doch prima. Warum braucht es dann eine Netzwerkstelle wie die Ihre?
Weil es zwar viele offene Stellen gibt, aber auch viele erwerbslose Frauen. Bei der Erwerbsquote der Frauen liegt das Saarland auf dem drittletzten Platz. Außerdem nützt es ja nichts, wenn die Technikbetriebe Frauen gerne einstellen würden, sich aber zu wenige Frauen für Technik begeistern können.
Dennoch: Das Ganze klingt paradox. Warum ist das so schwierig?
Die niedrige Erwerbstätigkeit der Frauen ist auch ein Erbe der saarländischen Montanindustrie. Das hat bis heute starken Einfluss auf die Rollenbilder. Danach gehörte eine Frau an den Herd, um es einfach auszudrücken. Vor allem sobald die Kinder da waren, blieb die saarländische Frau zu Hause, um sich um die Kleinen zu kümmern. Der Mann ging zur Arbeit, versorgte die ganze Familie.
Das ist doch lange her.
Seitdem hat sich natürlich vieles verändert. Aber auch heute arbeiten Frauen oft Teilzeit oder in eher schlecht bezahlten Berufen. Die Familie versorgt weiterhin meist der Mann. Frauen machen sich auch unterdurchschnittlich oft selbstständig. Das sind über Generationen gewachsene Strukturen. Die ändern sich nicht von heute auf morgen.
Was tun Sie dagegen?
Die Netzwerkstelle Frauen im Beruf möchte die Strukturen verändern, die Frauen den Einstieg in das Berufsleben schwer machen. Wir arbeiten also eher im Hintergrund. Das unterscheidet uns von Beratungsstellen, an die sich Frauen direkt wenden. Bei uns rufen sie natürlich auch an, aber wir vermitteln sie dann an kompetente Stellen vor Ort weiter. Das ist uns wichtig.
Warum?
Weil es einer Frau, die beispielsweise in Oberthal wohnt, wenig nützt, wenn es eine Beratungsstelle zum Wiedereinstieg oder für Existenzgründungsfragen in Saarbrücken gibt. Die Voraussetzungen für Frauen im ländlichen Kreis St. Wendel einen Job zu finden, sind andere als im urbanen Saarbrücken.
Sie könnten doch in Oberthal wohnen und in Saarbrücken arbeiten.
Theoretisch ja, praktisch nein, wenn das Kind mittags aus der Kita oder der Schule kommt. Wir sind deshalb durch die Landkreise gefahren, haben uns vorgestellt, untersucht, welche Gruppen und Initiativen es bereits vor Ort gibt und wie sie überhaupt oder besser zusammenarbeiten können. Jetzt helfen wir mit, diese neuen Strukturen zu festigen.
Wie waren denn ihre Erfahrungen vor Ort?
Klar ist: Das Problem beschäftigt sehr viele Frauen. Entsprechend groß war auch die Resonanz auf unsere Besuche. Die neuen Kontakte die wir, aber auch die Aktiven vor Ort, geknüpft haben, sind für die weitere Arbeit sehr wertvoll, weil wir so einen sehr guten Überblick bekommen, wer was und wie vor Ort macht – auch kreisübergreifend. Frauen schauen bei der Suche nach einem Job nicht auf Kreisgrenzen, sondern auf den Kilometerstand. Deshalb ist es gut, wenn die Beratungsstellen vor Ort wissen, was sich im Nachbarkreis tut und sich noch besser vernetzen, als sie es eh schon sind. Diese strukturierte Herangehensweise hat es so in dieser Form nicht gegeben. Die Kontakte helfen uns als FIB jetzt natürlich auch, interessierte Frauen sehr zielgerichtet an die passende Beratungsstelle zu vermitteln. Die Besuche vor Ort waren aber natürlich nur ein Teil unserer Arbeit.
Und der andere Teil wäre welcher?
Viele Frauen, die anrufen, möchten beispielsweise nach einer Familienphase oder einer Pflegezeit in das Berufsleben wiedereinsteigen. Manche Frauen befinden sich bereits in einer Anstellung und haben arbeitsrechtliche Fragen. Andere wollen sich selbstständig machen und brauchen dazu spezielle Informationen rund um die Gründungsthematik. Die Anliegen sind insgesamt sehr unterschiedlich. Ein großes Thema ist auch die Altersabsicherung von Frauen. Viele Frauen sind da etwas lax, verlassen sich auf die Rente oder die Pension der Männer. Das kann fatal enden. Frauen arbeiten außerdem oft in weniger gut bezahlten Berufen, was sich auf die Alterssicherung auswirkt. Ganz fatal wird es, wenn der Mann früh stirbt oder die Beziehung zerbricht.
Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf, tut sich da was in der Unternehmenswelt?
Natürlich, durch die gute Konjunktur, aber auch durch den demografischen Wandel werden Mitarbeiter in den Betrieben zunehmend dringend gesucht. Deshalb sind viele Unternehmen bereit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Doch gute Anfänge reichen nicht und oftmals liegt es ja auch nicht nur an den Unternehmen, wenn die Kita in der Nähe fehlt oder keinen Platz frei hat. Auch da unterstützen wir die Akteure vor Ort.
Nennen Sie doch mal ein positives Beispiel aus dem Saarland.
Dann würde ich die anderen, „guten Arbeitgeber“ verärgern. Deshalb nur so viel: Ein Klinikum in Saarbrücken bietet eine flexible Regelbetreuung für unter Dreijährige in einer sogenannten Großtagespflegestelle an. Außerdem gibt es dort Möglichkeiten zur Spontanbetreuung und auch für die Ferien ist ein Kinderprogramm vorgesehen. Das ist schon richtig gut und macht den Arbeitsplatz attraktiv. Auch andere Unternehmen geben sich durchaus Mühe und sind bereit, neu zu denken.
Alleinerziehende Frauen sind besonders von Altersarmut betroffen. Was kann man dagegen tun?
Wichtig ist, dass genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, in denen Frauen, die Familienpflichten haben, arbeiten können. Hinzukommt, dass unterschiedliche Arbeitszeitmodelle angeboten werden sollten, damit Frauen und auch Männer sich um beide Bereiche, Beruf und Familie, kümmern können. Zudem müssen ausreichend Qualifizierungsangebote vorhanden sein, damit Frauen, die zwischenzeitlich aufgrund familiärer Situation pausieren mussten, wieder Anschluss finden und in den Job wiedereinsteigen oder sich selbstständig machen können.
Und nicht zuletzt braucht es ausreichend eigene Motivation: Frauen müssen manchmal gestärkt und ermutigt werden, die entsprechenden Angebote herauszufinden und in Anspruch zu nehmen. Hier wollen wir helfen, die Stolpersteine auf dem Weg in die Erwerbstätigkeit oder in die eigene Selbstständigkeit zur Seite zu räumen.