Wer oder was dieses „Loney Dear“ letztendlich ist oder sein will – wir wissen es nicht. Fragen könnte man den Produzenten, der niemand Geringeres ist als Peter Gabriel. Und der weiß Folgendes über seinen Schützling zu berichten: „Loney Dear is a wonderful talent and we’re delighted he’s joining the real world.“ Was übersetzt so viel bedeutet wie: „Dieser Loney Dear ist ein wundervolles Talent und wir fühlen uns geehrt, dass er die reale Welt besucht.“ Ein bisschen nach Humbug klingt so eine Umschreibung für einen Künstler ja durchaus, denn der talentierte Sänger scheint in seinem nunmehr siebten Album tatsächlich am Hafen („Harbours“) angekommen zu sein und jemandem sein „Little Jacket“ reichen zu wollen. Nur um dann noch mal sicherzugehen „Isn’t it you? (Bist das nicht du?). Klingt doch alles sehr nach realer Welt oder nicht? Doch genug der Wortspiele mit den Highlight-Songs des Albums und zurück zur Eingangsfrage. Wer steckt denn nun hinter dem Album, das der Einfachheit halber gleich genauso heißt wie der Künstler selbst? Es handelt sich um das schwedische Singer-Songwriter-Talent Emil Svanängen aus dem beschaulichen Jönköping. Und der beweist, dass er sich gut zu behaupten weiß, sowohl gesanglich als auch stilistisch. Wobei sich der Hörer nicht ganz dem Eindruck erwehren kann, die 80er-Ikone Peter Gabriel habe sich auch selbst verwirklichen wollen auf einigen der Tracks und stilistisch dreist seinen Senf dazugegeben. Schön zu hören gleich beim Opener „Pun“, der doch sehr an Sequenzen aus dem Album „US“ von Gabriel aus dem Jahr 1992 erinnert. Was ja nicht schlimm ist, wenngleich wir das Jahr 2017 schreiben. Dabei beweist der Schwede auch allein eindrucksvoll, was er wirklich kann, und das ist neben dem Singen auch die Arbeit an den Texten. Und damit die eindrucksvoll rüberkommen, hat er sich ebenso stimmgewaltige Unterstützung besorgt, nämlich Jay-Jay Johanson, der mit ihm „Lilies“ performt und das so großartig tut, dass man es einfach immer und immer wieder hören muss. So bleiben einige Stücke wirklich im Kopf hängen. Da muss sich das Reh nicht hinter den Bäumen verstecken.
KULT[UR]
Foto: Getty Images / AleksandarGeorgiev
CD-Tipp: Wie ein einsames Reh
Loney Dear: Loney Dear. Real World/PIAS/Rough Trade. Gesamtspielzeit: 36 Minuten.
Kult[ur] - CD-Tipp
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