Der Alltag mit Kindern kann manchmal eine ziemliche Herausforderung sein. Kommunikationstrainerin und Mutter Alexandra Karr-Meng bietet in ihrem vor Kurzem erschienenen Erziehungsratgeber praxisorientierte Lösungen an.
Wenn Carola mit ihrem Sohn Hendrik einkaufen geht, weiß sie ganz genau, was sie machen muss: Zuerst bekommt der Fünfjährige eine Brezel. Ist sie am Gemüsestand angekommen, liegt schon längst eine Packung Kinder-Schoko-Bons im Einkaufswagen und an der Kasse gibt es selbstverständlich ein Kinder Überraschungs-Ei. Nur mit diesen drei kleinen Bestechungen lässt sich ein Wocheneinkauf mit Hendrik bewältigen, ohne dass der Sohnemann das ganze Geschäft zusammenbrüllt und Mutter Carola vor Scham am liebsten im Boden versinken würde.
Martin kämpft morgens an der Elternfront. Der 35-jährige Vater einer Achtjährigen muss pünktlich zur Arbeit und vorher seine Tochter zur Schule bringen. Doch jeden Morgen das gleiche Lied: „Beeil dich doch, es ist schon spät. Geht‘s etwas schneller, du bist ja immer noch nicht angezogen. Komm endlich in die Gänge und putz‘ dir die Zähne!" Wenn Vater und Tochter endlich im Auto sitzen, sind beide so richtig sauer und gestresst.
Zwei Situationen, die sicherlich so manchem bekannt vorkommen, anderen aber völlig fremd sind. Bei Letzteren schreit das Kind nie an der Supermarktkasse und der Start in den Morgen verläuft völlig harmonisch und entspannt.
Wie ist das möglich? Antworten und Erklärungen hierzu hat Alexandra Karr-Meng gleich mehrfach auf Lager. Zusammengefasst hat die 43-jährige Beraterin, Coach und Trainerin ihre langjährigen Erfahrungen im Umgang mit schwierigen Situationen nun in einem Buch. „Kinder achtsam erziehen – Wie Sie Wut, Streit und Geschrei aus dem Familienalltag verbannen" lautet der Titel des rund 200 Seiten starken Ratgebers, der seit Neuestem im Buchhandel erhältlich ist und sich an Eltern mit Kindern von ein bis neun Jahren richtet.
50 Familien für das Buch interviewt
Über 50 Familien hat die Mutter eines zehnjährigen Sohnes hierfür interviewt, ihnen Fragen nach ihrem Alltag gestellt, welche Situationen am meisten Stress bereiten und wie sie selbst in der Anspannung reagieren.
„Erstaunlich war, dass die meisten Eltern das größte Konfliktpotenzial im Essen sehen: Die einen Kinder essen zu viel, die anderen zu wenig, einige Eltern trauen sich nicht mit ihren Kindern ins Restaurant, weil die lieben Kleinen keine Regeln einhalten wollen", erzählt Alexandra Karr-Meng. „An zweiter Stelle rangieren Probleme beim Schlafengehen, gefolgt vom Einhalten von Ordnung, Einkaufen mit jüngeren Kindern und Hausaufgaben machen." Zwar hat die gebürtige Saarländerin kein Patentrezept für all die schwierigen Situationen, in die man als Eltern mit Kindern geraten kann, aber eins weiß sie ganz sicher: „Mit ein wenig Achtsamkeit im Familienleben meistern Eltern die Herausforderungen des Alltags deutlich besser. Schon mit kleinen Impulsen und Veränderungen für eine achtsame Erziehung wird sich die Atmosphäre zwischen Eltern und Kindern bessern. Eltern können mit den kleinen und großen Krisen im Familienalltag, die es immer wieder geben wird, gelassener umgehen. Sie finden damit zur eigenen inneren Balance, und das eigene Kind wird entspannter."
Anhand vieler Beispiele zeigt die ausgebildete Kommunikationstrainerin, wie Eltern Krisen entschärfen können, wie sie lernen, die Bedürfnisse und Ängste ihrer Kinder richtig einzuschätzen, ohne in die Falle zu geraten, sich von den Kleinen um den Finger wickeln zu lassen. Wann ist es notwendig, auf das Einhalten klarer Regeln zu achten, wann muss man mal „Fünfe grade sein" lassen? Wie finde ich heraus, was meine Familie stresst? Wie überstehe ich alltägliche Turbulenzen mit Ruhe?
Auf all diese Fragen gibt Alexandra Karr-Meng Antworten, die praxisorientiert sind, sich gut umsetzen lassen und damit lösungsorientiert und oft verblüffend einfach sind. Ruhe, Respekt und gegenseitige Wertschätzung sind hierfür notwendige Voraussetzungen. Ihre Lösungen lassen sich auch in hektischen Momenten einfach umsetzen und entwickeln eine enorme Wirkung im Familienleben.
„Sind wir endlich da", ist vermutlich eine der am häufigsten gestellten Fragen von Kindern schon kurz nach Antritt einer Autofahrt oder „Wann hast du endlich Zeit?" Wer in dieser Situation mit einer konkrete Zeitangabe antwortet, wird sich in den nächsten Minuten immer wieder mit der gleichen Frage konfrontiert sehen. Die Kinder drängeln und treiben den Blutdruck der Eltern in die Höhe. Der Rat von Alexandra Karr-Meng: „Die Eltern sollte die Zeitangabe mit Situationen umschreiben, die das Kind kennt. ‚Es dauert so lange, wie zweimal zur Oma fahren‘. Oder sie geben dem Kind eine Sanduhr. ‚So lange sie läuft, so lange dauert die Autofahrt, oder ‚solange will die Mama in Ruhe mit ihrer Freundin telefonieren.‘ Kinder bis zum sechsten Lebensjahr haben noch kein Gefühl für konkrete Zeitangaben und können besser beispielhafte Antworten aus ihrem Alltag verstehen."
„In Betrieben läuft es nicht viel anders als in Familien"
Dass die viel beschäftigte Unternehmensberaterin überhaupt unter die Autoren ging, war eigentlich Zufall. „Als Coach schreibe ich häufig Artikel für den Herder- und Klett-Verlag. Einer Redakteurin des Humboldtverlages gefiel meine Art zu schreiben so gut, dass sie mir anbot, einen Erziehungsratgeber in Angriff zu nehmen. Diese Herausforderung hat mich an meine Arbeit in den Unternehmen erinnert. In Betrieben läuft es nicht viel anders als in Familien. Auch in der Arbeitswelt ist es wichtig, mit Respekt und Vertrauen zu führen, aber auch Regeln zu vereinbaren und konsequent zu handeln", erklärt die Personal- und Organisationsberaterin, die im Saarland vor allem mittelständische Unternehmen unterstützt und seit 14 Jahren als Mitarbeiterin einer saarländischen Krankenkasse Führungskräfte coacht. „Als Coach unterstütze ich Unternehmen, Lösungen zu finden, die sie selbst in sich tragen. Ich ermutige Chefs und Mitarbeiter, neue Wege zu gehen, alte Strukturen aufzubrechen und das Potenzial aller Arbeitskräfte zu entdecken. Für mein Achtsamkeitsbuch im Umgang zwischen Eltern und Kindern habe ich mein Portfolio für die Führungskräfte und Mitarbeiter runtergebrochen auf die kleine Einheit der Familie."
Was bei Erwachsenen funktioniert, klappt auch mit Kindern. „Oft müssen Führungskräfte Mitarbeiter maßregeln. Damit solche Gespräche nicht demotivieren oder gar in einem Streit enden, vielmehr konstruktiv von dem Mitarbeiter aufgefasst werden, trainiere ich Manager unter anderem in einer respektvollen Ansprache an ihre Mitarbeiter. Der Chef sollte nicht pauschal mit dem Holzhammer auf den Mitarbeiter einprügeln, sondern sagen: ‚Mir fällt auf, dass Sie häufig barsch mit unseren Kunden reden. Das stört mich, und ich wünsche mir, dass Sie in Zukunft freundlicher auf unsere Kunden zugehen.‘ Den Mitarbeiter also nicht kleinmachen, sondern ihm freundlich aber bestimmt zeigen, was ich als Chef von ihm erwarte. Ähnlich verhält es sich bei der Kindererziehung. Denn achtsame Eltern, die auf sich und ihre Kinder achten, sich gegenseitig respektieren und wertschätzen, sind die Grundlage für Harmonie und vorausschauendes Handeln."