Gerade mal 23 Jahre ist Pierre Thibout und hat jetzt seine erste Oper in nur zwei Monaten komponiert. Die Uraufführung des Werks findet im März in Metz, Forbach und Völklingen beim grenzübergreifenden „Konzert der Gymnasien" statt.
Pierre Thibout spricht mit Besonnenheit. Manchmal lacht er. Er wisse gar nicht, was er über sich selbst erzählen soll, sagt der junge Mann dann. Dabei gibt es so einiges zu erzählen. Denn der 23-Jährige ist Musiker mit Leib und Seele. Gerade ist er im Begriff, sein Klavierstudium am Konservatorium CNSM in Paris erfolgreich zu beenden. Ganz nebenbei hat er im letzten Sommer seine erste Oper komponiert. Sie trägt den Titel „Peau d’Âne" und kommt im März als eindrucksvolle Kooperation deutscher und französischer Schulen auf die Bühne.
Die Aufführung von „Peau d’Âne" wird ein grenzübergreifendes Unikat, das besonders Schülern und Jugendlichen die Welt der Oper und Klassik zugänglich machen soll. Jedes Jahr bringen mehrere Schulen unter dem Titel „Concert des Lycées" oder eben „Konzert der Gymnasien" gemeinsam ein Stück für Chor und Orchester auf die Bühne. Das Projekt hat eine Tradition, die mit 27 Jahren älter ist als Pierre selbst. Begründet wurde es von Daniel Colombat aus Metz, der seit Kurzem zwar in Rente ist, aber über lange Jahre als „herausragender Lehrer und Dirigent" das Projekt gleitet hat, wie sich Pierre erinnert. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Momentan sind mehr als 300 Schüler und Lehrer aus Metz, Forbach, Marly und seit 2004 auch des Völklinger Warndt-Gymnasiums beteiligt. Einer der französischen Schüler, so schließt sich der Kreis, war vor fast zehn Jahren Pierre Thibout.
Das Projekt hat eine 27-jährige Tradition
Heute lebt er in Paris, stammt aber aus Réding, einem Dorf in der lothringischen Gemeinde Sarrebourg. Dort findet er Ende Dezember Zeit für ein Gespräch über sich, seine Arbeit und das „Concert des Lycées".
Ein beeindruckendes Ereignis ist das Konzert in jedem Jahr, denn die Begeisterung aller Mitwirkenden steckt an. Das weiß auch Pierre, der nach seiner Schulzeit das Projekt nie ganz verlassen und mit Arrangements und kleineren Kompositionen ausgeholfen hat. Doch für das aktuelle Jahr haben sich die Verantwortlichen etwas Besonderes vorgenommen. Fast immer standen bisher bekannte Stücke, etwa von Offenbach, Mozart, Bizet oder Lehár, auf dem Spielplan. Eine erste Uraufführung gab es 2010, als das Projekt ein Stück des kolumbianischen Komponisten Jaime Córdoba im Programm hatte. Auch 2018, so entschied man sich, sollte wieder eine Uraufführung auf die Bühne kommen.
Idee und deutsch-französisches Libretto zum neuen Stück „Peau d’Âne" stammen von Nils Hollendieck, der Lehrer am mitwirkendenden Warndt-Gymnasium ist. Eine schöne Königstochter flieht vor ihrem düsteren Vater und begibt sich auf eine abenteuerliche Reise, die Raum für große Szenen, aber auch Komik und leise Töne bietet. Das Stück soll ansprechen, aber auch unterhalten. Als passender Komponist für „Peau d’Âne" kommt deshalb eigentlich nur einer in Frage. Bis 2011 selbst Schüler am „Lycée Fabert" in Metz und Teilnehmer beim Konzert der Gymnasien, kennt Pierre Thibout das Projekt genau. Er weiß, welche Anforderungen die Musik erfüllen muss und was im Rahmen des Möglichen liegt. Aber vor allem kann er dem Märchen seinen eigenen Klang geben. Er zögert nicht. Das „Konzert der Gymnasien" ist für ihn wie ein Heimspiel. Pierre sagt: „Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, dann fällt mir eigentlich nur das ‚Concert des Lycées‘ ein."
Studium an renommierter Schule in Paris
Im französischen Café erzählt er auf Deutsch, Englisch und Französisch, wie er von Sarrebourg nach Metz und anschließend nach Paris gekommen ist. Als er seine Stationen rekapituliert, lächelt er. Er erinnert sich, wie er mit sechs Jahren mit dem Klavierspiel begonnen hat und wie er mit nur 14 Jahren ins 100 Kilometer entfernte Metz ins Internat umgezogen ist, um sich dort am „Lycée Fabert" auf seine Musikausbildung zu konzentrieren. Er erinnert sich auch daran, dass seine Eltern davon alles andere als begeistert waren. Schließlich ist Metz nicht Sarrebourg und auch nicht gerade um die Ecke.
In Metz bereitet er sich auf seine Aufnahmeprüfung am „Conservatoire national supérieur de musique" in Paris vor. Dort aufgenommen zu werden, gleicht einem musikalischen Ritterschlag. Und das Vertrauen der „besorgten Eltern", wie er sie augenzwinkernd nennt, hat sich gelohnt. Die Aufnahme schafft Pierre Thibout mit gerade 17 Jahren im ersten Anlauf. In den folgenden Jahren wird er von renommierten Lehrern unterrichtet, unter anderem studiert er Orchestration und Orchesterleitung. Neben der Ausbildung in Musiktheorie und Komposition liegt ihm aber vor allem sein Instrument, das Klavier, am Herzen. Als Pianist arbeitet er als Liedbegleiter, Orchestermusiker, Korrepetitor. Das kann mitunter sehr arbeitsreich sein. Kein Problem, meint Pierre, und bringt dabei auf den Punkt, was eigentlich für jeden Beruf gilt: „Es muss eine Freude sein. Und für mich ist es eine Freude."
Als Lothringer in Paris hat sich der mittlerweile 23-Jährige von Anfang an wohlgefühlt. „Ich mag es, in Paris zu wohnen. Nur meine Eltern mögen Paris nicht", sagt er lachend. Er wohnt zentral in der Nähe der Bastille und weiß zu schätzen, dass die musikalischen Möglichkeiten enorm sind. Im Jahr 2017 nutzt er den Sommer in Paris, um an seiner Oper zu schreiben. In zwei Monaten hat er die Musik zu „Peau d’Âne" fertig. Er komponiert in seiner Wohnung und draußen in der Stadt. Mit Stift und Papier ausgerüstet schreibt er auf, was er in seinem Kopf hört, zu Hause kann er alle Noten in den Computer eingeben. Er notiert und orchestriert, er arbeitet sich durch die Charaktere und die Handlung des Stücks, er findet den passenden musikalischen Stil für jede Szene, er gibt den Figuren ihre eigenen Themen. Kreative Engpässe gibt es nicht, wenn Pierre an einer Stelle nicht weiter weiß, widmet er sich einer anderen.
Musik aus Videospielen ist sein neuestes Projekt
Das Stück ist für ihn nicht einfach ein Auftrag. Dass er der Komponist ist, sei für ihn eine Ehre, die auch mit Verantwortung verbunden ist. Nach den Sommerferien gibt er das fertige Stück weiter. Und Pierres „Peau d’Âne" begeistert, weil er dem Text durch seine Musik etwas Eigenes gibt, aber auch, weil die überraschende Mischung aus moderner Orchester- und Chormusik mit Anleihen aus verschiedenen Epochen eine ganz neue Herausforderung für das Ensemble darstellt. Das vollendete Werk endlich zu hören, ist auch für ihn ein Erlebnis.
Wenn es die Zeit erlaubt, reist er von Paris nach Metz, um dort während der Proben in kleinen Episoden zu sehen und zu hören, wie sich die Ideen aller Mitwirkenden zu einem großen Ganzen zusammensetzen. „Das ist eine tolle Erfahrung", sagt er. Herausgekommen ist eine kreative Kooperation aller Beteiligten. Drei Lieder werden zusätzlich vom Völklinger Musiklehrer Christian Bur beigesteuert, die musikalische Gesamtleitung des Konzerts übernimmt Em-manuel Trombowsky aus Metz, Musiklehrer Daniel Bérard aus Forbach leitet den Chor, Tänzerin Julie Barthélémy ist für die Choreografien zuständig, Nils Hollendieck für die Regie. Nicht zu vergessen sind die vielen Hundert Schüler, die ihre Zeit, Energie und ihr Können in das Projekt stecken. Drei Mal wird „Peau d’Âne" aufgeführt. In Metz, Forbach und Völklingen öffnen sich im März die Türen zu einer opernhaften Märchenwelt.
Pierre Thibout scheut sich auch sonst nicht vor einem kreativen Umgang mit klassischer Musik. Mit Kommilitonen hat er vor einiger Zeit ein Orchester gegründet, das sich einem eher speziellen Genre widmet: der Musik aus Videospielen. Von der typischen 8-Bit-Musik alter Spiele bis hin zu ohnehin orchestral angehauchter Gaming-Musik ist alles dabei. Unter dem Namen „Pixelophonia" arrangieren die Nerd-Freunde mit viel Erfindungsreichtum Stücke für ein Orchester, das mittlerweile auf mehr als 40 Musiker angewachsen ist. Der genreübergreifende Charakter zieht an: „Es kommen Leute, die Orchestermusik hören wollen. Und es kommen Leute, die die Musik von Videospielen hören wollen."
Die Welt steht Pierre Thibout mit seinen 23 Jahren offen. Ob er jemal wieder nach Sarrebourg zurückkehrt, weiß er nicht. Wie es für ihn weitergeht, ist trotzdem irgendwie klar: „Ich hoffe, dass ich viele Dinge tun kann. Ich sehe mich nicht nur als Pianist, ich hoffe, ich werde Zeit haben, Musik zu schreiben, als Dirigent zu arbeiten und noch viele unterschiedliche Dinge zu tun." Und er fügt hinzu: „Langweilig wird mir bestimmt nicht."