Er gehört zu den Pionieren der deutschen Kinderherzchirurgie, holte in den 90er-Jahren die hohen Standards US-amerikanischer Kliniken nach Deutschland: Prof. Dr. Boulos Asfour. Der Chefarzt des Deutschen Kinderherzzentrums über die besonderen Anforderungen seines Berufs.
Herr Professor Asfour, unseren ursprünglichen Interviewtermin vor ein paar Tagen mussten wir verschieben, weil eine Operation länger dauerte. Wie spät ist es denn geworden bei Ihnen?
Acht Uhr.
Gute zehn Stunden im OP? Wurden Sie zwischendurch mal abgelöst?
Nein, das geht schon. Wir machen einfach eins nach dem anderen. Aber danach ist man richtig platt.
Was hat denn so lange gedauert?
Der Patient war bereits auswärts herzoperiert worden und brauchte eine weitere OP. Es waren sehr viele Korrekturen vorzunehmen.
Kommt es oft vor, dass Patienten solch eine Nach-OP brauchen?
Manche Herzfehler erfordern mehrere geplante Eingriffe. Aber wir haben auch viele Patienten, die nicht unbedingt eine Folgeoperation gebraucht hätten, wenn sie gleich bei uns behandelt worden wären. Zwei Operationen statt einer bedeuten natürlich auch doppeltes Risiko. Unser Ziel ist es deshalb, schon mit dem ersten Eingriff die Herzfehler vollständig zu korrigieren, wann immer das möglich ist.
Nach dem aktuellen Herzbericht der Deutschen Herzstiftung hat sich die Behandlung von Herzfehlern in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Früher, in der Tradition von Sauerbruch, kümmerte sich der Arzt um viele Fachgebiete. Das war auch in der deutschen Herzchirurgie so. Die Herzfehler wurden eben vom Herzchirurgen operiert, der alle Patienten versorgen wollte. Heute haben wir hochspezialisierte Kinderherzchirurgen, die sich um diese sehr spezielle Sache kümmern. Im angloamerikanischen Raum gibt es das schon viel länger. Deshalb schickte mich mein Lehrer, Professor Scheld, in den 90er Jahren nach Boston, um es dort zu lernen.
Das DKHZ ist ein Beispiel für diese Ausdifferenzierung. Aber was ist an angeborenen Herzfehlern so besonders, dass wir ein eigenes, spezialisiertes Zentrum dafür brauchen?
Es sind ganz andere Operationen. Herzchirurgen für Erwachsene operieren erworbene Herzkrankheiten, Kinderherzchirurgen korrigieren Fehlbildungen, um dem Herzen die optimale Funktion für den Rest des Lebens zu geben. Erwachsene werden außen an den Herzkranzgefäßen operiert oder innen an den Klappen. Bei altersbedingten Klappenerkrankungen werden diese überwiegend ersetzt. Wir aber müssen fehlgebildete Klappen rekonstruieren, damit sie lange halten. Die meisten unserer Patienten sind Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder.
Sie sind Chefarzt hier. Behandeln Sie nur Privatpatienten?
Bei Privatpatienten komme ich natürlich meiner Verpflichtung nach, aber ich operiere auch Kassenpatienten. Bei uns gibt es keine Zweiklassenmedizin. Ich bin dafür verantwortlich, dass jeder die bestmögliche Behandlung bekommt. Wenn ein Oberarzt die Operation durchführt, assistiere ich ihm, oder ein anderer Oberarzt. Bei uns macht den Eingriff immer jemand, der ihn besonders gut beherrscht. Ich weiß, wo die Schwerpunkte meiner Mitarbeiter liegen und wie sie sich entwickeln.
Operieren Sie immer zu zweit?
Ja. Es ist wie im Flugzeug. Im Englischen sagt man Pilot Flying und Pilot Monitoring. Das bedeutet, der Copilot hat eine Kontrollfunktion. So schaut mir also immer jemand auf die Finger.
Das DKHZ kommt auf über 600 OPs im Jahr, die meisten anderen Kliniken behandeln viel weniger. Haben wir zu viele Kinderherzzentren?
In Deutschland werden pro Jahr etwas über 5.000 Kinderherz-OPs benötigt. Dafür würden insgesamt 15 Kinderherzzentren ausreichen. Wir haben aber etwa doppelt so viel.
Wäre es für die Behandlungsqualität nicht besser, wenn es nur noch wenige große Kinderherzzentren gäbe?
Eine kleinere Klinik bedeutet nicht automatisch schlechtere Ergebnisse. Allerdings gibt es bei hoch komplexen Herzfehlern einen statistischen Zusammenhang mit der Anzahl an Operationen eines Kinderherzzentrums. Ab 250 aufwärts steigt die Behandlungsqualität signifikant.
Was wünschen Sie sich von der Gesundheitspolitik?
Wir behandeln besonders viele hochkomplexe Herzfehler mit nachweislich hervorragenden Ergebnissen. Doch den hohen Aufwand, den wir dafür betreiben, bekommen wir nicht angemessen vergütet. Hier müsste man nachbessern.
Das heißt, bei so einer Marathon-OP wie eingangs erwähnt legen Sie drauf? Liegt das an den Fallpauschalen der Krankenkassen?
Ja. Zwar gibt es für die Behandlung hochkomplexer Herzfehler auch eine höhere Fallpauschale, doch nicht in dem Maß, wie die tatsächlichen Kosten steigen. Je mehr solcher Patienten wir operieren, desto ungünstiger für uns.
Wie sieht es mit der Pflege aus? Gibt es auch da Verbesserungsbedarf?
Die Situation der Pflegeberufe müsste verbessert werden. Nicht nur die Bezahlung, auch das Image des Pflegeberufs in der Öffentlichkeit. Eine Kinderkrankenschwester genießt hierzulande nicht das hohe Ansehen, das ihr zustehen sollte. Das ist in manch anderen Ländern schon besser. Unsere Klinik hat jetzt übrigens die Zahl der Ausbildungsplätze verdoppelt. Denn wir benötigen mehr hochqualifizierte Pflegekräfte. Weil hochqualifizierte Pflegekräfte so rar sind, ist auch unsere Warteliste so lang. Gerade weil wir hier so einen hohen Personalschlüssel haben. Wenn ich zum Beispiel keinen freien Intensivpflegeplatz mitsamt Fachpersonal habe, kann ich so lange nicht operieren, bis wieder ein Platz frei wird.
Vielleicht haben potenzielle Bewerber Angst vor zu hoher Belastung? Gerade auf der Intensivstation muss man doch auch mal miterleben, wie ein Baby nicht durchkommt.
Die körperliche Arbeit mit Kindern ist nicht so belastend wie auf einer Erwachsenen-Intensivstation, gleichwohl fordert die Arbeit auf einer Kinderherz-Intensivstation die Pflegekräfte wegen der kleinen Verhältnisse ganz anders. Manche potenziellen Bewerber scheuen, die Verantwortung für ein so kleines Wesen zu übernehmen. Doch diese Angst ist völlig unbegründet. Unsere Pflegekräfte bekommen eine ausführliche Ausbildung und werden nie allein gelassen. Ihnen steht immer auch ein Arzt oder eine Ärztin zur Seite.
Und der Normalfall bei uns ist ja, dass sie erleben, wie schnell sich die Kinder nach ihrer Operation erholen, wie sehr ihnen die Behandlung hilft. Das ist eine sehr schöne und motivierende Erfahrung für alle.