Wenn das Herz plötzlich anfängt zu stolpern oder zu rasen, kann es viele Ursachen dafür geben. Prof. Dr. Thomas Deneke, Chefarzt der Klinik für interventionelle Elektrophysiologie an der Herz- und Gefäß-Klinik GmbH Bad Neustadt, über gefährliche und ungefährliche Herzrhythmusstörungen und wann diese behandelt werden sollten.
Herr Professor Deneke, was sind die Ursachen für Herzrhythmusstörungen?
Herzrhythmusstörungen sind ein großes Potpourri an Veränderungen des normalen Herzschlages. Das geht von Extraschlägen über lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, eine generelle Ursache ist schwierig zu benennen. Die häufigste Herzrhythmusstörung, mit der wir es zu tun haben, ist das Vorhofflimmern. Das ist ein komplettes elektrisches Chaos der Vorkammern. Im Wesentlichen entsteht es durch falsche Zündkerzen in den Vorkammern. Das Auftreten hängt stark mit einem höheren Alter zusammen, aber auch beispielsweise mit einer Bluthochdruckerkrankung, anderen Veränderungen des Herzmuskels, Herzerkrankungen oder einer eingeschränkten Pumpfunktion.
Wie gefährlich sind diese Herzrhythmusstörungen?
Prinzipiell existieren harmlose, aber eventuell störende Herzrhythmusstörungen und solche, die mit einem plötzlichen Herztod-Risiko zusammenhängen.
Viele Herzrhythmusstörungen sind nicht lebensbedrohlich. Mit der Diagnose dieser harmlosen Rhythmusstörung kann man im Prinzip 100 Jahre alt werden. Wenn sie allerdings stören, dann muss man überlegen, was man dagegen machen kann. Vorhofflimmern beispielsweise ist prinzipiell harmlos, kann aber mit einem erhöhten Risiko für einen Schlaganfall einhergehen. Häufig ist dann eine Behandlung mit Blutverdünnern notwendig, um vor einem Schlaganfall zu schützen.
Wie machen sich Herzrhythmusstörungen bemerkbar?
Das ist ganz unterschiedlich. Es geht von einem verstärkten unnatürlichen Herzschlag, Herzrasen über eingeschränkte Belastbarkeit, Luftnot bis hin zu Ohnmachtsattacken. Das hängt von der Art der Herzrhythmusstörung ab und von möglichen Begleiterkrankungen.
Wann sollte man zum Arzt?
Bei Herzrhythmusstörungen, die potenziell Komplikationen beinhalten können, wie zum Beispiel einen Schlaganfall, würde man natürlich möglichst schnell eine Diagnose haben wollen. Die Diagnose wird häufig über das EKG im Anfall erst möglich. Dann kann man früh feststellen, ob sie bedrohlich oder unproblematisch sind. Herzrhythmusstörungen, die häufiger als einmal im Monat auftreten, sollte man auf jeden Fall abklären lassen. Vor allen Dingen, wenn eine Herzerkrankung vorliegt. Eine Daumenregel gibt es nicht. Man sollte dann einen Kardiologen oder versierten Internisten aufsuchen.
Sollte jeder grundsätzlich zur Vorsorge mal ein Langzeit-EKG machen lassen?
Ab 65 spätestens würde ich ein Langzeit-EKG schreiben lassen. Einfach, weil dann eben auch Herzrhythmusstörungen frühzeitig festgestellt werden können, die mit Komplikationen einhergehen können, wie zum Beispiel Schlaganfall. Andererseits sollte man dann auch täglich einmal den Puls fühlen. Dadurch kann man anhaltende Episoden von Herzrhythmusstörungen erkennen. Wenn man morgens einmal den Puls fühlt und er ist regelmäßig in dem Bereich, wie er sein soll, hat man einen guten Hinweis, dass das ein ganz normaler regelmäßiger Herzrhythmus ist. Wenn der Puls aber komplett unregelmäßig und zu hoch ist, sollte man spätestens dann ein EKG schreiben lassen.
Es gibt ja auch unbedenkliche Herzrhythmusstörungen. Welche sind das?
Das sind vor allem die Extraschläge, die können sowohl in der Vorkammer als auch in der Hauptkammer entstehen. Die hat jeder. Viele Patienten merken die gar nicht. Einige Patienten merken aber jeden falschen Schlag. Wieso bei den Patienten Extraschläge in dieser Form auftreten, weiß man letztendlich in der Regel nicht. Manche können Vorboten von anhaltenden Herzrhythmusstörungen wie zum Beispiel dem Vorhofflimmern sein. Andere sind de facto einfach harmlos. Da ist eine Zündkerze im Herzen, die ab und zu falsch zündet. Wieso das aber jetzt bei einem Patienten vermehrt bemerkt wird und in höherem Maße auftritt als bei anderen, wissen wir in der Regel nicht.
Wie oft sollte man ungefährliche Herzrhythmusstörungen überprüfen lassen?
Das hängt entscheidend vom Alter ab. Bei jüngeren Leuten muss das nicht regelhaft abgeklärt werden. Je älter man wird, desto häufiger sollte man aber kardiologischen Rat suchen. Es gibt auch da keine Daumenregel.
Wie kann man Herzrhythmusstörungen behandeln, und wann ist das nötig?
Entscheidend ist wiederum, um welche Herzrhythmusstörungen es sich handelt und wie und ob diese einschränkend wahrgenommen werden. Wenn Patienten aber durch zum Beispiel Vorhofflimmern eingeschränkt sind, dann muss man sich eine Strategie überlegen, wie man sie unterdrücken kann. Es gibt Medikamente, die den Herzrhythmus beeinflussen. Oder aber auch Katheterverfahren, mit denen man über die Leiste diese falschen Zündkerzen verödet, wie beim Vorhofflimmern, zum Beispiel in der linken Vorkammer, um diese Rhythmusstörungen effektiv zu unterdrücken.
Wann ist ein Katheterverfahren empfehlenswert?
Bei den nicht bedrohlichen Herzrhythmusstörungen hängt das entscheidend davon ab, wie einschränkend die Herzrhythmusstörungen sind. Wenn ein Patient dadurch in seiner Lebensqualität eingeschränkt ist, dann macht es Sinn, das auch möglichst kurzfristig anzugehen. Die Chancen, mit einem Katheterverfahren Herzrhythmusstörungen komplett zu unterdrücken, liegen beim Vorhofflimmern bei 70 Prozent, bei anderen Herzrhythmusstörungen bei bis zu 98 Prozent.
Wie hoch sind die Risiken dieses Verfahrens?
In erfahrenen Zentren sind die Komplikationsraten dieser Katheterverfahren sehr, sehr gering. Natürlich kann auch dabei etwas passieren, in der Regel ist das aber so, dass diese Verfahren effektiv und mit größter Sicherheit durchgeführt werden, sodass man da keine Angst haben muss. Zum größten Teil handelt es sich hierbei um Standardinterventionen.
Wenn man mit Herzrhythmusstörungen länger lebt, hat das Auswirkungen auf das Herz?
Auch das ist abhängig davon, welche Herzrhythmusstörungen bei einem diagnostiziert wurden. Beim Vorhofflimmern beispielsweise ist es so, dass es viele Patienten gibt, die damit sehr alt werden können, ohne dass es sie stört. Das Vorhofflimmern kann allerdings bis zu 20 Prozent der Herzleistung nehmen, was dann auch Patienten in Belastungssituationen durchaus merken können. Ob die Einschränkungen aber etwas mit Herzrhythmusstörungen zu tun haben, ist nicht immer so einfach festzustellen. Sie können auch mit fortgeschrittenem Alter oder einer zugrundeliegenden Herzerkrankung zu tun haben. Das ist eine komplexe Evaluation.
Hat der Lebensstil einen Einfluss auf Herzrhythmusstörungen?
Zum Teil ja, zum Teil nein. Die Wohlstandskrankheiten, gerade auch ein zu hohes Körpergewicht und Bluthochdruck, sind entscheidende Risikofaktoren für das Auftreten von Herzrhythmusstörungen. Auch wenn eine Lebensstiländerung durchaus Auswirkungen auf die Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen haben kann, ist es in der Regel nicht so, dass Herzrhythmusstörungen dann im Weiteren überhaupt nicht mehr auftreten würden. Hier ist eine weitergehende Diagnostik sinnvoll.
Wie häufig kommt das Vorhofflimmern vor?
In Deutschland gibt es über eine Million Patienten, zunehmend ältere Patienten, mit Vorhofflimmern. Das Risiko für jemanden, der heute 40 Jahre alt ist, im Laufe seines Lebens Vorhofflimmern zu entwickeln, liegt bei circa eins zu vier. Viele Patienten merken das erst mal nicht, weil die Symptome schleichend auftreten können. Dann kann auch ein Schlaganfall das erste Symptom des Vorhofflimmerns sein. Deshalb ist eine frühzeitige Diagnose so wichtig.
Oft ist die psychische Belastung bei Patienten hoch, weil Herzrhythmusstörungen auch Angst machen. Was kann man tun?
Die beste psychische Therapie ist die effektive Unterdrückung der Herzrhythmusstörungen. Das beschrieben auch viele Patienten, die dann Dinge vermieden haben, bei denen sie die Störungen gespürt haben. Wenn der Patient dann merkt, dass er über einen längeren Zeitraum keine Rhythmusstörungen mehr hat, ist das durchaus ein hohes Maß an Befriedigung für den Patienten, und gibt wieder Mut. Es hängt im Wesentlichen von der Struktur des Patienten ab und der Belastung durch die Rhythmusstörungen, wie jemand mit seinen Herzrhythmusstörungen umgeht.
Wichtig ist, dass es eine ganz Vielfalt von Herzrhythmusstörungen gibt. Die einen treten episodenhaft auf, weshalb es manchmal schwierig sein kann, sie mit einem EKG zu dokumentieren, andere sind dauerhaft vorhanden und können einfacher im EKG dokumentiert werden. Episodenhafte Herzrhythmusstörungen können häufig nur im Langzeit-EKG und zum Teil auch nur mit etwas Glück aufgezeichnet werden, da auch Langzeit-EKGs nur eine Momentaufnahme darstellen.