Obertauern am Radstädter Tauernpass ist für drei Dinge berühmt: Seine Schneemengen, die ihm sogar den Titel „schneereichster Skiort Österreichs“ einbrachten. Sein Nachtleben, das bereits die Beatles schätzten. Und seine „Tauern-Skirunden“, die in dieser Saison sogar noch Nachwuchs bekommen haben – Spezialrouten für Kinder und Jugendliche.
Das hilft bei minus 14 Grad? Klar, warme Klamotten und Glühwein. Aber auch enges Zusammenstehen, Hüpfen und inbrünstiges Mitsingen. So wie an diesem Dezembersamstag, als Andreas Bourani rund 2.000 Zuschauern in der Ortsmitte von Obertauern ordentlich einheizt. Bei seinem engagierten Open-Air-Auftritt bei Vollmond erwärmt der durch seine WM-Hymne „Ein Hoch auf uns“ und seine Jurorentätigkeit beim TV-Bestseller „The Voice of Germany“ bekannt gewordene Deutsch-Softrocker aber nicht nur die fröstelnden Körper, sondern auch die Herzen. Wohin man blickt: strahlende Gesichter. Lange hatten ja insbesondere Ischgl und später Schladming das Monopol auf Skisaisoneröffnungen mit Rockkonzerten. Doch das gerade einmal aus 200 „echten“ Einwohnern bestehende Hoteldorf Obertauern lotst seit Jahren ebenfalls bekannte Acts ins Skigebiet. Die Toten Hosen, The BossHoss, Culcha Candela, Die Söhne Mannheims, Wir sind Helden, Leningrad Cowboys, Andreas Gaballier – alle waren sie schon da.
Zum „Internationalen Skicountdown 2017“ rocken also Bourani und seine Bandkollegen die Bühne und sind trotz widriger Umstände – ständig müssen Gitarren gestimmt und Stimmen geölt werden – bestens gelaunt. Vielleicht auch aufgrund des verlockenden Programms für den Folgetag? „Wir sehen uns morgen auf der Piste!“, ruft Bourani ins Publikum und stimmt den nächsten Song an: „Ich heb’ ab, nichts hält mich am Boden.“
Passt. Denn Skifahren – dafür ist der zwischen 1.630 und 1.750 Höhenmeter gelegene und aus rund 150 Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen bestehende Ort im Salzburger Land an der Grenze zum Lungau eigentlich bekannt. Vor allem für seine lange Saison. Hier laufen schon die Lifte, wenn andernorts noch die Saisonvorbereitungen laufen. Dass hier der Winter einfach länger, nämlich bis Ende April, dauert, sagen nicht nur die heimischen Tourismuswerber, sondern auch eine vielzitierte Studie des Skitourismusforschers Günther Aigner aus dem Jahr 2016. Diese kam zu dem Schluss, dass hier die Schneehöhen innerhalb der vergangenen 108 Jahre statistisch unverändert geblieben seien – bei 264 Zentimetern im Durchschnitt – und Obertauern somit zum schneereichsten Skiort Österreichs machen. Mögen tiefer gelegene Skigebiete mit wärmeren Wintern und weniger Schnee zu kämpfen haben: In der „Schneeschüssel“ gibt es genug Pulver für Monate. Das Alpinskiangebot hingegen reicht eher für Tage, nicht für Wochen. Mit 100 überwiegend leichten bis mittelschweren Pistenkilometern ist das Angebot zwar gut, aber nicht übermäßig. Doch zum einen bestehen mit dem Kartenverbund am nicht weit entfernten Großeck/Speiereck sowie der Salzburg Superski Card und dem Skipass Lungo noch Zusatzoptionen in benachbarten Skigebieten und zum anderen ja noch jede Menge Freeride-Variationen, etwa im sonnigen Seekareck oder in den Schattenhängen der Kesselspitze. Außerdem haben es die Buckel an der „Gamsleiten 2“ wahrlich in sich, gilt sie doch als eine der steilsten präparierten Abfahrten der Alpen. Auch nicht zu verachten sind die Piste am Hundskogel und die Weltcupstrecke an der Schaidbergbahn. Alles in allem halten sich die Herausforderungen und höchstens 700 Höhenmeter überwindenden Abfahrten aber in Grenzen, was man jedoch gerade nach einem nicht ganz unanstrengenden Vorabend – siehe Bourani-Konzert und Après-Programm – nicht bedauern muss. Dafür schätzt man erst recht, dass nirgends lange An- respektive Auffahrten anstehen, man ist ja schließlich schon oben! Da die 26 Liftanlagen rund um das lang gezogene Straßendorf angelegt sind, ergeben sich rasche Einstiege und zudem gleich mehrere Möglichkeiten der Rundfahrt: Da heißt es Augen auf, in die eine Richtung sind es rosarote, in die andere grüne Schilder, die den perfekten Weg auf der Tauernrunde weisen. Dank einiger Straßenskiübergänge muss man mit Ausnahme der Zehnerkar-Achtergondel an keiner Stelle des Areals die Ski abschnallen. Wer flott unterwegs ist, der schafft an einem Tag auch beide Richtungen.
26 Liftanlagen rund um das Straßendorf
In der Saison 2017/18 kam nun eine Neuheit dazu und Maria Höfl-Riesch, dreimalige deutsche Olympiasiegerin und seit rund einem Jahr Skibotschafterin Obertauerns, nahm es sich nicht, diese – quasi als Vorprogramm von Bourani – persönlich einzuweihen. Genau genommen sind es sogar zwei Neuheiten: Auf kleine Skihasen wartet nun die „Bobby-Runde“, eine lustige Pistenkombination, die Anfänger ganz easy hinunterwedeln können. Für Extraspaß sorgen lustige Gimmicks wie ein Märchenwald, eine Wellenbahn, der Bibo Bär Familienpark sowie eine Geisterbahn im Wald, die man auf Skiern durchfährt. Für fortgeschrittene Kids und Jugendliche lockt neuerdings „My Track“ – ebenfalls eine abwechslungsreiche Route durch das gesamte Skigebiet, inklusive Boardercross-Bahn, Speedstrecke und Funpark. Ob nun die Jugendlichen und Kinder die gesamten Runden, die ja immerhin einige Stunden in Anspruch nehmen, tatsächlich unter die Bretter nehmen, sei dahingestellt – aber eine Aufwertung für Familien stellen sie auf jeden Fall dar. Dass sich das großflächig rumspricht, dafür sorgen nicht zuletzt die Auftritte von Höfl-Riesch – und ihre Bekenntnisse wie dieses: „Während meiner Karriere war ich öfter zum Training in Obertauern: Schnee gab es immer genug, die Bedingungen waren bestens. Deshalb komme ich auch heute gern her. Hier ist eben nicht nur der Schnee garantiert, sondern auch der Spaß.“
Spaß – den finden und fanden auch schon viele Prominente: Kultstatus genießen die Beatles, an deren Besuch 1965 (für Filmszenen zu „Help“, bei denen sie jedoch bei den Skiszenen Double-Hilfe von Einheimischen wie Herbert Lürzer und Gerhard Krings bekamen) ein Denkmal im Skigebiet erinnert, sowie die „Schneeforscher“ und Fußball-Heroen Uwe Seeler, Erich Ribbeck, Franz Beckenbauer und Co., die seit über 30 Jahren hierherkommen. Porträts der geselligen Runde hängen etwa im Hotel „Kesselspitze“, einem von drei Hotels der Familie Lürzer, die wie kaum eine andere Familie (höchstens der Krings) die Geschichte und Geschicke Obertauerns geprägt hat. Zum Lürzer-Imperium zählt neben Sportgeschäften und einem Taxiunternehmen auch die „Lürzer Alm“, wo Action und Halligalli bis spät in die Nacht garantiert sind – mit ein Grund, warum Obertauern gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt ist. Doch auch in rund zwei Dutzend anderen Hütten, Bars und Discos wird oft von nachmittags bis nach Mitternacht gefeiert, je nach Gusto bei Akkordeonklängen, Après-Ski- oder Clubsound.
Die „Achenrainhütte“ ist ein Geheimtipp
Kein Wunder, dass die User des Portals Schneehoehen.de Obertauern 2014/15 zur Nummer eins in der Rubrik Après-Ski wählten. Zu den Klassikern gehören die „Hochalm“ zwischen Panorama- und Hochalmbahn und die 2016 neu aufgebaute „Gamsmilchbar“ in der Bergstation der Zehnerkar-Bahn. Rückwärtsskifahr-Weltmeister Walter Fötschl kreierte in der Vorgängerhütte in den 70er-Jahren eine echte Obertauern-Spezialität: die hüttennamensgebende Gamsmilch, die aus aufgeschäumter Milch, Kakao und süßem Schnaps besteht, und auch an anderen Tresen im Skigebiet eifrig geordert wird. So auch in der äußerst urigen „Achenrainhütte“ bei der Gamsleitenbahn – ein echter Geheimtipp! – und im „Treff 2000“ an der Bergstation der Grünwaldkopfbahn. Diese ist trotz der umfangreichen Schnapskarte keine gewöhnliche Skihütte. Das „Jausen-Stüberl“ im ersten Stock hat sich in den vergangenen Jahren zum Treffpunkt anspruchsvoller Feinschmecker entwickelt, die hier zwischen zarten Gamsfilets und Ofenkartoffeln mit Shrimps wählen können – im Übrigen auch eine Variante, eisigen Temperaturen zu trotzen. Von Bourani ist indessen weit und breit nichts zu sehen. Aber vermutlich würde man ihn mit Helm und Skibrille ohnehin nicht erkennen …