Männer und Frauen sprechen unterschiedliche Sprachen. Pädagogin, Beraterin und Autorin Katrin Oppermann-Jopp über Konflikte, Gefühle und die Frage, wie man Fremdsprachenkompetenz erwirbt.
Frau Oppermann-Jopp, Männer und Frauen sprechen unterschiedliche Sprachen. Worin äußert sich das?
Der Unterschied besteht darin, dass Männer häufiger auf der Sachebene kommunizieren, Sachinformationen liefern und auch auf Nachfrage der Frauen oft Fakten schildern. Frauen hingegen sind neben der Information auch immer darum bemüht, Beziehung herzustellen. Aus meiner Sicht ist diese Art der Kommunikation ganzheitlicher.
Um sich wirklich zu verstehen, müssen Männer und Frauen also Fremdsprachenkompetenz erwerben. Wie aber funktioniert das?
Ich muss die unterschiedlichen Sprachstile erst einmal kennenlernen, das ist die halbe Miete. Da wir von uns auf andere schließen, ist die Enttäuschung sonst schnell groß. Wenn ich aber um die Unterschiede weiß, beispielsweise darum, dass ein Mann schneller auf Fakten zurückgreift und dies keine mangelnde Wertschätzung impliziert, kann ich damit besser umgehen. Umgekehrt kann ich als Mann auch darauf eingehen, dass es einer Frau wichtiger ist, den Prozess zu schildern oder eine gute Gesprächsatmosphäre zu haben.
Kommen wir mal zu greifbaren Unterschieden. Ein Beispiel dafür ist das Konfliktverhalten. Was haben Sie da beobachtet?
Die Frau hört anders, sie hört eher auf dem Beziehungsohr und ist daher wesentlich empfänglicher für Kritik und einen lauten Ton. Sie sieht Kommunikation oft unter der Perspektive: Wie sieht mein Gegenüber mich, wie geht er mit mir um. Männer sind manchmal für indirekte Kritik nicht so empfänglich. Frauen bringen ihre Punkte dann indirekt an und wundern sich, dass Männer sie nicht verstehen.
Kommunizieren Männer eher klar und deutlich und Frauen neigen eher zum Blumigen?
Aus meiner langjährigen Coaching-Praxis weiß ich, dass Männer Gefühle eher indirekt formulieren, und da ist es hilfreich, wenn Frauen darauf hören, was an Emotion auf einer Sachebene mitschwingt und nicht direkt ausgedrückt wird. Bei Sachaussagen sind Männer sehr klar und machen zum Beispiel die Ansage: „Lass uns heute Abend xy machen" und eine Frau versucht das oft eher indirekt, zum Beispiel: „Wäre es möglich, dass wir …", weil sie die Frage kooperativ lösen will. Dass Männer grundsätzlich klarer kommunizieren, würde ich nicht sagen.
Können Sie so ein Beispiel auch auf der Gefühlsschiene geben? Wie könnten da indirekte und direkte Äußerungen aussehen?
Wenn ein Mann abends nach Hause kommt und die Frau nach seinem Tag fragt, er eher die Fakten aufzählt und nicht unbedingt sagt, dass er total im Stress war, sich geärgert hat oder er enttäuscht ist, weil er vielleicht die eine oder andere Erwartung nicht erfüllen konnte.
Zum Thema Gefühle habe ich bei der Recherche gelesen, bei Männern sei der Weg vom Bauch zum Mund sehr weit, Frauen wollten das Emotionale aber auch oft nicht hören?
Die Frage ist, ob man unangenehmen Gefühlen Raum geben kann und will. Das hängt sehr davon ab, ob jemand in der Lage ist, das ganze Spektrum von Emotionen, auch solche wie Wut, Trauer und Enttäuschung, in Beziehungen zuzulassen oder ob man eher nur das Positive will.
Sie arbeiten seit über 20 Jahren mit Unternehmen und Organisationen zusammen. Welchen Einfluss hat Ihrer Beobachtung nach die Kommunikation auf die Karriere?
Ich habe den Eindruck, dass sich in der Wirtschaft viel verändert hat. Früher gab es klarere Trennungen. Die Männer hatten oft eine sehr statusorientierte Sprache und Frauen eine sehr beziehungsorientierte Sprache. Die Form der weiblichen Kommunikation trifft zurzeit auf einen Veränderungsprozess in der Wirtschaft, der es Frauen ermöglicht, ihre Kommunikationsweise einzubringen. Wir arbeiten viel stärker in Teams, in denen Gleichwertigkeit ein größerer Punkt ist.
Sie haben damals in Ihrem Buch geschrieben, echte Frauenförderung würde nur über das Ändern des Kommunikationsstils funktionieren. Nehmen Sie davon jetzt Abstand und glauben, für den weiblichen Stil ist nun ein Feld da?
Damals war mein Appell nicht, dass Frauen sich anpassen müssen. Es gab damals Rhetorikseminare, in denen Frauen gelernt haben sich anzupassen. Unser Appell war, dass der Frauenstil zwar anders aber ganz sicher gleichwertig ist. Ich habe den Eindruck, das ist in der Wirtschaft mehr angekommen.
Was haben Sie dann damit gemeint, dass Frauenförderung nur über das Ändern des Kommunikationsstils funktioniert?
Mir geht es darum, zu verstehen, wie der andere kommuniziert. Ich muss in einer Sprache sprechen, die der andere versteht. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen sich anpassen müssen, sondern auch dass Männer Unterschiede lernen müssen.
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf für die Zukunft?
Kommunikation ist in vielen Unternehmen noch sehr hierarchisch. Ich glaube, wir müssen mehr auf Augenhöhe kommunizieren, weil wir die Perspektiven vieler brauchen, um die Komplexität verschiedener Probleme zu erfassen. Für manche wird es eine Herausforderung sein, nicht der Besserwisser zu sein.
Und in Bezug auf Männer und Frauen?
Für mich beginnt Kommunikation innen. Das heißt, als Mann kann ich meine weiblichen Anteile wie das Zuhören kultivieren. Bei den meisten Rhetorikseminaren lernen Sie, eloquent zu reden. Was es aber braucht, ist eben diese weibliche Seite, sich wertfrei zu öffnen und auf Empfang zu gehen und hinzuhören, was der andere mir sagen will. Zuhören wird unterschätzt.
Wie hilfreich sind denn Rhetorikseminare für Mann und Frau? Funktioniert Kommunikation dadurch besser?
Ich selbst führe keine Rhetorikseminare durch. Ich versuche Klienten beizubringen, auf sich zu schauen und dann authentisch zu sprechen und nicht nur mit Augenmerk darauf, wie sie reden sollen, dass das beim anderen ankommt. Das hat eine andere Qualität und bekommt eine andere Tiefe in der Kommunikation miteinander.
Das heißt, Mann und Frau müssten auch erst mal bei sich anfangen zur gelingenden Kommunikation?
Der erste Schritt ist, mit mir selbst in Kontakt zu kommen. Was ist mir wichtig, was wünsche ich mir, wie geht es mir. Ich brauche eine Klarheit über mich und keine Hülsen, die mir vorgeben, wie ich sprechen soll. Dann wird man sich wundern, welche Beziehungen plötzlich entstehen. Das gilt übrigens auch im Geschäftlichen.