Vor Kurzem starb der bekannte Saarbrücker Gastronom Jürgen Becker. Seine Familie und das tolle Team des Gasthauses „Unter der Linde" in St. Arnual sorgen mit großem Engagement dafür, dass sein Traum weiterlebt.
Die Linde am St. Arnualer Markt ist ein besonderes Gasthaus mit einer ganz besonderen Wirtshauskultur. Hier wird eine deutsch-französische Speisekarte zelebriert, die in den fünf Jahren ihres Bestehens eine treue Stammkundschaft erfreut. Die Linde – eigentlich „Unter der Linde" – war der Lebenstraum von Jürgen Becker. Sein Wohnzimmer, immer voll mit Gästen und Freunden. Leider erlag der sympathische und engagierte Gastronom im Januar dieses Jahres einem Krebsleiden.
Vermieter Berthold Klein erinnert sich gerne an den Beginn der Linde zurück: „Ich lernte Jürgen in seiner Zeit beim Gasthaus Woll kennen. Seither war ich Gast bei ihm. Als er erfuhr, dass ich das Haus in St. Arnual kaufte, kamen wir schnell ins Geschäft. Hier sah er die Möglichkeit, ein Wirtshaus zu betreiben, wie er es sich vorstellte. Wir schlossen gleich einen langfristigen Vertrag ab."
Viele Menschen kennen Jürgen Becker von früher, als er bei Schwamm, Bruch, im Woll und im Zahm tätig war – oder eben von seiner letzten Station, der Linde. Wenn man sich mal länger mit ihm unterhielt, merkte man gleich, wo sein großes Fachwissen und seine Kompetenz herkamen. Gelernt hat er am Tegernsee, im berühmten Seehotel „Überfahrt" in Rottach-Egern: Koch und Hotelkaufmann. Danach ging es für den noch sehr jungen Becker gleich steil aufwärts: Direktor im Biermann-Hotel in München, dann Direktionsassistent im Kurhaus Wiesbaden, wo er seine Frau Heike kennenlernte. Für Gerd Käfer von Feinkost-Käfer aus München baute er das „Käfers" in Wiesbaden auf.
Neben weiteren Stationen wurde er dann zu seinen Zeiten beim Gasthaus Woll in Spichern von einer großen Gesellschaft, die Altersheime und Krankenhäuser betreibt, als Controller verpflichtet. Danach machte Jürgen Becker sich selbstständig. Zuerst im Gasthaus Zahm, dann in der Linde, die er mit viel Herzblut führte und nach kurzer Zeit viele Stammgäste aus der Region hatte.
Nun sind viele Kräfte daran beteiligt, Jürgens Lebenstraum nicht sterben zu lassen. Freunde, seine Händler, seine Mitarbeiter von der Linde und von „Wein und Leben" und sein Vermieter. Aber vor allem seine Frau und sein Sohn. Heike Becker hat sich ohnehin schon von Anfang an in der Linde um das Geschäftliche gekümmert. Dazu betreibt sie, gleich neben dem Wirtshaus, noch den Spezialitätenladen „Wein und Leben".
Sebastian Becker ist seit Beginn der Krankheit seines Vaters im März vorigen Jahres im Wirtshaus tätig. Nach seinem Abitur ging er zuerst nach Frankfurt in eine Werbeagentur. Dort lernte er vieles, was er heute gut gebrauchen kann. Anschließend schloss er ein Kommunikationsstudium an, das er vor einigen Wochen mit dem Bachelor of Art abschloss.
Der neue Chefkoch Jakub Skarupa passt perfekt ins Team
Natürlich kennt er die Gastronomie schon viele Jahre. Seine ersten Erfahrungen machte er im Gasthaus Woll vor knapp zehn Jahren. „Ich bin ein Gastronomenkind. Als ich als Jugendlicher Papa im Woll helfen wollte und die Teller mit Froschschenkel abräumte, passierte ein kleines Malheur", erinnert er sich. „Ich lief über die ewig lange Terrasse, dann kamen die Treppen. Plötzlich merkte ich, dass mir das Knoblauchöl über das Hemd lief! Das war nicht so toll." Aller Anfang ist schwer.
Heute ist er Inhaber der Linde – und besonders stolz auf seine Mitarbeiter: „Unser Team ist der Wahnsinn! Ich bin so froh, dass ich diese Menschen hier habe. Es macht solch einen Spaß, mit ihnen zu arbeiten. Alle bringen ihre Vorteile ein, eine unvorstellbare Dynamik. Was mit diesem Team und mir passiert, ist ein Traum. Als mein Vater ins Krankenhaus kam, sind wir zusammengewachsen. Das war ein einmaliges Erlebnis. Wir sind wirklich toll aufgestellt."
Seit ein paar Monaten gibt es hier einen neuen Chefkoch, Jakub Skarupa, ein Tscheche, der mit 16 Jahren sein Heimatland verließ. Er wollte in Frankreich Koch lernen, das war sein Traum. Heute ist er Anfang 30, hat also bereits einige Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel. Er kochte in großen französischen Häusern, aber auch in Griechenland. Der Küchenchef legte dabei immer viel Wert auf die regionale Küche. Da in der Linde schon seit Jahren eine deutsch-französische Küche gekocht wird, passt das sehr gut.
Skarupa fuhr anfangs mit Sebastian ins Krankenhaus, um mit Jürgen die Karte zu besprechen. Das dauerte aber nicht allzu lange, weil er die Philosophie der Linde gleich verstand. Dazu hat er in der Küche eine tolle Unterstützung – von Andreas Buck, Luca, einem Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr, und Samy. Samy stammt aus Sri Lanka, bei Stammgästen sind – gelegentlich donnerstags beim Mittagstisch – die Soulfood-Kreationen seiner Heimat der Renner. In der Linde kocht auch Spülfrau Gosia manchmal mit, samstags gibt es immer Eintopf. Vielleicht ist das Team hier so gut, weil jeder etwas beitragen darf.
Im Service arbeitet seit dem ersten Tag Anja Schwegler. Beliebt bei den Gästen, kompetent, freundlich. Sie sorgt für Struktur und Organisation, ist auch im Hintergrund tätig. Jürgen Becker stellte sie mir damals als seine rechte Hand vor. Aber auch Andrea Müller und Yvonne Weißensteiner gehören mit ihrer Freundlichkeit und Kompetenz zu diesem tollen Lindenteam. Dazu noch Nico Koos, ein Quereinsteiger. Er wohnt im Haus. Nach seinem Studium arbeitete er als Haushilfe. Das war vor zwei Jahren. Er arbeitet heute noch in der Linde.
Hier entsteht nahezu alles in Eigenproduktion
Aber was ist das Besondere an der dortigen Wirtshauskultur? Neben diesem besonderen Personal aus aller Herren Länder sind es die hochwertigen Produkte auf der Speise- und Weinkarte. Fast alles ist selbstgemacht, zum Beispiel die würzigen Patés und leckeren Kuchen. Einige Spezialitäten werden auch bei „Wein und Leben" angeboten. Sogar das Eis stammt aus Eigenproduktion. Der Fond köchelt permanent auf dem Ofen. Dazu wird hier mit viel Liebe gekocht, mit Respekt vor den Produkten. Diese finden sie bei kleinen, regionalen Produzenten. Etwa den Käse vom Birkenhof, die Kartoffeln vom Bauern in Heckendalheim, die Eier von einem saarländischen Geflügelhof, die Fische von Rosengarten aus Trassem oder das Wild von französischen Jägern aus Bitche.
Sebastian Becker hat dazu eine klare Meinung: „Wir schreiben nicht immer alles auf die Karte, wo wir unsere Produkte herbekommen. Es ist doch selbstverständlich, gute Produkte zu beziehen, Dinge selber zu machen und ehrlich zu kochen. Wir suchen regionale Produzenten, die mit dem gleichen Herzblut arbeiten wie wir. Wir kaufen nichts fertig. Wenn man in ein Wirtshaus geht und Geld für sein Essen bezahlt, dann muss es etwas Besonderes sein. Ist doch klar!"
So ist auch die Erwartungshaltung der Gäste. In den vergangenen Wochen fand ich auf der Wochenkarte etwa einen Rochenflügel mit Kapernbutter oder ein Rinderherzgulasch. Die Wochenkarte bietet täglich zwei Gerichte, eines davon vegetarisch. Die Karte ist saisonal, wird immer wieder ergänzt oder umgeschrieben. Besondere Gerichte sind auf einem Tableau notiert.
Die Weinkarte bietet Regionales und Internationales
Die Weinkarte bietet Regionales, etwa Petgen-Dahm oder Sandra Berweiler, aber auch Internationales. Wie jedes Jahr im Frühling sind Weinhändler Dirk Mast und Sebastian Becker gerade dabei, den Sommerrosé 2018 auszuwählen. Dafür gibt es mehrere Veranstaltungen, wo Fachleute und auch kundige Stammgäste verschiedene Weine testen. Einer wird dann der Sommerrosé der Linde. Santé!
Ich freue mich, dass es hier so gut weitergeht. Im Sinne des Erfinders, der dies sicherlich mit Wohlwollen und einem Glas Rosé in der Hand von seiner Wolke aus beobachtet. Mit einem zufriedenen Schmunzeln im Gesicht …