Der Frühling kommt und damit lockt auch wieder die herrliche französische Riviera. Saint-Tropez ist eines der Top-Ziele. Der turbulente Ort bietet auch jede Menge Beschaulichkeit.
Die Sonne taucht den bekannten Pampelonne-Strand bei Saint-Tropez in ein warmes Licht. Noch ist der Himmel tiefblau und die Schaumkronen des Meeres schimmern silbern bis zum Horizont, unterbrochen nur vom Weiß der Yachten, die vor Anker liegen. Beiboote bringen auch heute das Partyvolk an Land. Es sind die „Novorich", wie man die jungen Russen nennt, die über genügend Geld verfügen, um Champagner für mehrere Tausend Euro zu bestellen. Über die Lautsprecher am Bagatelle Beach ertönen die Hits des vergangenen Sommers. Während die Gäste im Sand tanzen, achten die philippinischen Kindermädchen auf ihre Kleinen. Letzte Sonnenhungrige räkeln sich auf den orangen Matratzen am Tahiti Beach, und am Nikki-Beach werden die Strandbuden winterfest gemacht.
Croissants aus Monte Carlo
Fast ununterbrochen fliegen Hubschrauber im Start- und Landeanflug zu und von den Villen im Hinterland. Hier logieren die Reichen und jene, die unerkannt bleiben wollen. Die haben sich hier, mitten in den Hügeln an der Côte d’Azur ihren Rückzugsort ausgewählt, um anonym den Sommer oder auch mehr genießen zu können. „Ein Bewohner lässt sich jeden Morgen seine Croissants aus Monte Carlo einfliegen, denn die, die es in Saint-Tropez gibt, schmecken ihm nicht", sagt Schiffseigner Chris, der Gäste gerne mit aufs Meer hinausnimmt. Er ist hier geboren, kennt die Umgebung und seine Bewohner besser als jeder andere. Normale Leute nehmen Taxis, die Reichen haben ihre eigenen Hubschrauber. „In dem großen Anwesen mit seinen Rundbögen, wurde 1969 ‚Der Swimmingpool‘ gedreht." Er deutet auf das Haus in der Bucht. Drucke und Fotos von Romy Schneider und Alain Delon gibt es in Boutiquen, Restaurants und Galerien vor Ort.
Der Name des früheren Fischerdorfes am Meer sei ganz zufällig entstanden. Torpes von Pisa war der Legende nach ein früher christlicher Märtyrer und wird heute noch als Heiliger verehrt. Im ersten Jahrhundert wurde er enthauptet. Sein Leichnam soll mit einem Hund und einem Hahn auf einer morschen Barke ausgesetzt worden sein, die den Arno hinab in das Tyrrhenische Meer trieb. Nach einer Legende aus der Provence soll das Boot nahe dem heutigen Saint-Tropez angespült worden sein. Hier gibt es den Kult um den Heiligen seit 1056. Torpes von Pisa gilt damit als Namensgeber.
Es waren Brigitte Bardot, Curd Jürgens, Romy Schneider und Alain Delon, die fast zwei Jahrtausende später ganze Generationen geprägt haben und die in Saint-Tropez unsterblich sind. Das unscheinbare Haus mit den blauen Jalousien gehört Brigitte Bardot, die seit fast 60 Jahren hier lebt. „La Madrague" hat sie nach ihrem ersten großen Kinoerfolg „Und Gott erschuf die Frau" erworben. Im Sommer 1966 hat der deutsche Großindustrielle Gunter Sachs von seinem Hubschrauber aus Tausende von Rosenblüten darauf regnen lassen. Genug, um das Herz der Schauspielerin zu erobern.
„Sie geht nicht mehr aus, man sieht sie nicht mehr", ergänzt Chris. „Sie lebt zurückgezogen mit ihrem Mann und den Tieren." An Bardots 83. Geburtstag am 28. September 2017 wurde eine Statue auf dem Place Blanqui am Ortseingang eingeweiht. Die Geehrte selbst erschien nicht. 1973 hat sie sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Seitdem widmet sie ihr Leben den Tieren und der Brigitte Bardot-Stiftung.
„Hier ist alles erlaubt"
Auch der russische Oligarch Roman Abramowitsch besitzt in den Hügeln ein Anwesen. Seine Yacht ankert auf dem offenen Meer, „denn in den Hafen von Saint-Tropez passt sie nicht". Gerüchten zufolge hat er Tatjana, der Tochter des früheren russischen Präsidenten Boris Jelzin, eine Villa geschenkt. Einfach so. Damit können die Einwohner nicht mithalten. „Wenn mein Vater stirbt und ich unser Haus erbe, muss ich 45 Prozent Steuern zahlen", sagt Chris. „Ein Ding der Unmöglichkeit. Denn wo soll ich das Geld hernehmen?" Die Familienanwesen werden heute auf ein Vielfaches des Originalpreises geschätzt. Auch wenn man sie damals, als der Ort noch nicht berühmt war, gekauft hat oder sie schon seit einem Jahrhundert in Familienbesitz sind.
Frédérique Valenza besitzt die Boutique „Les Demoiselles de Pampelonne" direkt am Strand. Sie kam vor fünf Jahren aus Marseille nach Saint-Tropez. Weggehen wird sie nicht mehr. „Weil es das Paradies ist", schwärmt sie. „Hier ist alles erlaubt, man kann alles tragen. Die Toleranz ist riesig. Es war Brigitte Bardot, die diese große Freiheit nach Saint-Tropez gebracht hat." Bis heute hätte sich daran nichts geändert, dieser Gedanke, dieser Lebensstil mache immer noch den Charme des Ortes an der Côte d’Azur aus.
In den kleinen Gassen unterhalb der Zitadelle logiert Sasha. Der Künstler und Galerist zeigt Besuchern seine Bilder, im Stil Andy Warhols, und seine Skulpturen. Er gehört seit 25 Jahren zur lokalen Kunstszene. Besucher drängen sich in dem kleinen Raum. Wie er arbeitet, verrät er nicht. Nur so viel, dass seine Porträts das Who is who der internationalen Künstlerszene darstellen.
Ganz in der Nähe beginnt der Fußweg hinauf zur Zitadelle, gesäumt von Eukalyptusbäumen und Zierlorbeer. Die Burg wurde im Jahr 1589 erbaut und gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Auf dem Rückweg lohnt sich ein Abstecher hinunter zum Cimetière Marin. Der schöne Friedhof mit Meeresblick bezaubert durch eine ganz eigene Atmosphäre, obwohl hier der Gedanke ans Sterben absurd zu sein scheint. Im hintersten Teil findet sich die letzte Ruhestätte von Roger Vadim, dem berühmten französischen Filmregisseur und ersten Ehemann der Bardot. Sein Grabstein ist verwittert, die Inschrift kaum zu erkennen. Die Vergänglichkeit des Lebens wird nirgendwo deutlicher als hier.
Zurück am Alten Hafen tobt das Leben. Flaneure und Yachteigner genießen zum Sonnenuntergang die Drinks im angesagten „Café Senequier" oder bereiten sich auf das Abendessen im „L’Opéra" vor, dort, wo Stars und Sternchen gerne mal auf den Tischen tanzen. Saint-Tropez ist teuer, schön und beschaulich. All das wird es noch für eine lange Zeit bleiben.