Die biblische Schöpfungsgeschichte spielt für moderne Naturwissenschaftler bezüglich der Kosmos-Entstehung längst keine Rolle mehr. Stattdessen dreht sich alles um die Urknall-Theorie, die in den letzten beiden Jahrzehnten um einige Erklärungsmodelle ergänzt wurde.
Seit der Mensch sich seiner selbst bewusst geworden ist, hat er seinen Blick immer wieder gen Himmel gerichtet. Und dabei zu ergründen versucht, wie Erde, Sonne, Mond und Sterne wohl entstanden sein mochten. Dabei waren im alten China, im pharaonischen Ägypten oder in Mesopotamien bei Sumerern und Babyloniern noch vornehmlich Mythen mit einer vielfältigen Götter- oder Heldenwelt im Spiel. Erst die griechischen Philosophen begannen ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. mit einem von der Vernunft geprägten Nachdenken über den Kosmos. Wobei sie endgültig durch Ptolemäus im 2. Jahrhundert v. Chr. das geozentrische Weltbild entwarfen, das bis ins 16. Jahrhundert, bis zur „Kopernikanischen Wende“ und dem damit verbundenen heliozentrischen Weltbild mit der Sonne als Zentralstern, allgemein anerkannt wurde. Das ließ sich auch bestens mit der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments verbinden. Der biblischen Genesis konnten erst seit gut 100 Jahren auf Basis von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie wissenschaftlich fundierte Alternativen gegenübergestellt werden. Der Urknall als das populärste kosmologische Modell zur Entstehung des Universums wird nicht einmal mehr vom Vatikan infrage gestellt.
Kosmogonie im antiken Hellas
Die Kosmogonie, der Vorläufer der modernen, auf Physik und Astronomie basierenden Kosmologie, nahm ihren Anfang im antiken Hellas. Im Rahmen der Naturphilosophie versuchte man damals, von einem Urstoff ausgehend den Kosmos als ein komplexes System zu erklären. Der Vor-Sokratiker Anaximandros von Milet (611 bis 546) stellte die Behauptung auf, dass der Ursprung des Kosmos das Unendliche sei. Er war wohl auch der erste, der im Universum die Existenz von mehreren Welten für möglich hielt. Die Atomisten um Leukippos und Demokrit, die ebenfalls ein Viele-Welten-Modell entwickelt hatten, postulierten im 5. Jahrhundert v. Chr., dass das Universum aus kleinsten Teilchen, den Atomen, zusammengesetzt sei.
Bei Platon (427 bis 347) wurde ein Demiurg-Schöpfergott ins Spiel gebracht, der den Kosmos mit den Himmelskörpern nach dem Vorbild seiner eigenen Natur auf beste Weise konstruiert hatte. Daher konnte es für Platon nur einen einzigen Kosmos geben. Auch Aristoteles (384 bis 322) lehnte Parallelwelten ab und sah wie sein Lehrer eine göttliche Kraft für das Funktionieren des Kosmos verantwortlich, den er sich als räumlich endlich, aber zeitlich unendlich vorstellte. Die Stoiker um Zenon von Kriton (336 bis 264) hielten einen Weltenbrand für das Entstehen des Universums für ursächlich. Demnach wurde der Kosmos durch das Urfeuer in periodisch wiederkehrenden Zeiträumen zerstört und entstand danach immer wieder in derselben Form von Neuem.
Urknall-Theorie von einem Geistlichen
Mit dem Siegeszug des Christentums war die Entstehung des Universums für viele Jahrhunderte durch den göttlichen Schöpfungsakt geklärt. Im Hochmittelalter tanzte ein englischer Kleriker namens Robert Grosseteste aus der Reihe, als er 1225 die Theorie aufstellte, dass eine Art Urknall am Anfang des Universums gestanden haben könnte. Er war der Meinung, dass eine Explosion aus Licht den Kosmos geschaffen habe. Danach habe sich das Licht von einem zentralen Punkt ausgebreitet und dabei an Dichte und Kraft verloren. Nach Erreichen einer maximalen Ausdehnung habe sich eine zweite Lichtwelle nach innen ausgebreitet und so Sphären für Sterne und Planeten geschaffen. Nach Grosseteste sollte es bis zu Immanuel Kant dauern, bis wieder eine Kosmos-Entstehung ohne das Mitwirken Gottes in Erwägung gezogen wurde. Kant hatte 1755 in seiner „Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ das Planetensystem durch Rotation einer Staubwolke mit der Sonne als Zentrum hervorgehen lassen. 1796 konnte der Franzose Pierre Simon Laplace Kants These mit mathematischen Überlegungen bestätigen. Die Kant-Laplace-Theorie blieb das gesamte 19. Jahrhundert hindurch die in der Astronomie allgemein akzeptierte Erklärung für die Entstehung des Kosmos.
Die Urknall-Theorie wurde 1927 ausgerechnet von einem Geistlichen aufgestellt, dem belgischen Priester und Astrophysiker Georges Lemaître. Während Albert Einstein sich das Universum als starr und ewig vorgestellt hatte, ging der Geistliche – wie zuvor 1922 schon der russische Mathematiker Alexander Friedmann – von einem expandierenden Kosmos aus. Das Universum sollte sich demnach im Bruchteil einer Sekunde aus einem winzigen „Uratom“ entwickelt haben. Danach blähte es sich wie ein Luftballon immer weiter auf und erzeugte in seinem Inneren in einem kosmischen Feuerzauber Sterne und ganze Galaxien.
Zunächst wollte niemand etwas von Lemaîtres Theorie wissen. Kritiker stellten die Frage nach dem Auslöser des Urknalls, der heute auf einen Zeitpunkt vor rund 13,8 Milliarden Jahren taxiert wird. Den meisten Physikern gefielen auch nicht solche „Singularitäten“ (räumlich-zeitliche Bereiche im Universum, an denen die bekannten Naturgesetze nicht gelten) wie das „Uratom“. Lemaîtres Konzept war revolutionär und sprengte alle Vorstellungskraft: Sämtliche Materie sollte am Anfang in einem winzigen Pünktchen verdichtet gewesen sein. Vor dem Urknall gab es kein Gestern, mehr noch, überhaupt keine Zeit, keinen Raum, keine Materie. Lemaîtres Expansions-Theorie wurde 1929 durch den US-Amerikaner Edwin Hubble bestätigt. Mittels eines gigantischen Teleskops hatte er beobachtet, dass sich die galaktischen Planetenstrudel im All immer weiter von der Erde fortbewegten und wie Granatsplitter nach einer Explosion auseinanderdrifteten. Danach gab auch Einstein seinen Widerstand gegen das Urknall-Modell auf. Für die Geschwindigkeit, mit der sich der Kosmos wie ein Ballon aufgebläht haben sollte, wurde der Begriff „Hubble-Konstante“ eingeführt. Seinen größten Triumph erlebte Lemaître 1964. Als die beiden US-amerikanischen Astrophysiker Arno Penzias und Robert Wilson ein Echo des Urknalls hören konnten, die „Mikrowellenhintergrundstrahlung“, die als kosmisches Rauschen bis heute durch das Weltall wabert. Diese weitere Bestätigung der Urknall-Theorie bedeutete das endgültige Aus für ein Alternativ-Model namens Steady-State-Theorie. Diesen war 1948 unter maßgeblicher Mitarbeit des britischen Astronomen Fred Hoyle entwickelt worden, der dem Urknall den despektierlich gemeinten Namen „Big Bang“ verpasst hatte. Bei dieser Konkurrenztheorie wurde der Kosmos als räumlich und zeitlich unbegrenzt definiert.
Überlichtschnelle Ausdehnung
Da die naturwissenschaftlichen Gesetze für die extremen Bedingungen beim Urknall und den ersten Sekundenbruchteilen danach, „Planck-Zeit“ genannt (10-43), nicht anwendbar sind, weil das Universum keine Ausdehnung hatte und Temperatur sowie Dichte unendlich groß waren, kann die Urknall-Theorie den eigentlichen Schöpfungsvorgang streng genommen gar nicht beschreiben. Sie muss sich stattdessen auf die Entwicklung des Universums nach Ende der Planck-Zeit bis etwa 400.000 Jahre danach beschränken, wenn die Abläufe nach Abkühlen des ultra-heißen, expandierenden Plasmas und dem Entstehen der ersten leichten Elemente wie Helium und Wasserstoff allmählich physikalisch nachvollzogen werden und sich zuletzt in einem nunmehr durchsichtigen Universum stabile Atome hatten ausbilden können. Einen wesentlichen neuen Baustein zur Urknall-Theorie hatte 1981 der US-Amerikaner Alan Guth mit der „Inflation“ beigesteuert. Demnach soll sich das Universum in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall überlichtschnell ausgedehnt haben. Durch diese explosionsartige Aufblähung sei der Raum gewissermaßen „glatt gebügelt“ worden, weshalb das Universum so gleichmäßig ist und überall ungefähr die gleiche Dichte und die gleiche Anzahl von Galaxien hat und fast die gleiche Temperatur herrscht. Es gibt einige weitergehende kosmologische Modelle, die allesamt das Ziel verfolgen, das sehr frühe Universum ohne Anfangssingularitäten zu erklären. In der Loop Quantum Cosmology kollabiert ein Vorgänger-Universum unter dem Einfluss der Schwerkraft der darin befindlichen Massen in einem „Big Crunch“ (großes Zusammenkrachen), woraus sich dann wieder wie bei einem Jojo mittels der Invasion ein neues Universum herausbilden kann. Diese Theorie vom „Big Bounce“ (sinngemäß: Großer Urschwung) und einem zyklischen Universum wird seit gut zehn Jahren kontrovers diskutiert. Bei dem 2002 präsentierten Ekpyrotischen Modell wird der Urknall durch die Kollision zweier Universen spekulativ erklärt, wobei dieser Zusammenstoß möglicherweise auch zyklisch-periodisch erfolgen kann. Einige Kosmologen sind auch von der wohl niemals überprüfbaren Idee unzähliger Paralleluniversen fasziniert. Dann gäbe es nicht nur einen Kosmos, sondern ein Multiversum.