Jerez de la Frontera ist jährlich Schauplatz der Feria de Caballo. Bei der einwöchigen Pferdemesse in Andalusien finden Springreitturniere, Dressurwettbewerbe, Versteigerungen und Schönheitswettbewerbe der edelsten Rassepferde statt. Gefeiert wird neben den Turnieren mit Flamenco, Sherry, Wein und Tapas.
Jerez hat so einiges hervorgebracht: Die größten Flamenco-Sänger der Welt, den Sherry, der auf Spanisch Vino de Jerez heißt, Rassepferde, die Königliche Hofreitschule und das größte Pferdefestival der Welt. Seinen Ursprung hat das Fest in einem Viehmarkt, der erstmals 1284 stattfand. Zu der großen Fiesta mit Turnieren, Wettbewerben, Kirmes-Attraktionen, Paraden und Flamenco entwickelte es sich erst im frühen 20. Jahrhundert. Heute zieht das Spektakel jährlich eine Million Besucher in die Stadt nahe der Costa de la Luz. Schauplatz ist der Park Gonzáles de Hontoria am Stadtrand von Jerez. Soweit das Auge blickt, präsentieren sich auf dem Gelände Anfang Mai geschniegelte und prunkvoll geschmückte Pferde, auf Hochglanz polierte Kutschen und Caballeros (Reiter) in allen Altersklassen in traditionellen andalusischen Trachten. Die Frauen, ob hoch zu Ross oder zu Fuß, tragen farbenfrohe, figurbetonte Flamencokleider und zwar vom Kleinkind bis zur Urgroßmutter, die Haare sind aufwendig gestylt und mit Blumen, Kämmen, Spangen und anderen Accessoires geschmückt, die Ohren mit großen Goldohrringen behängt.
Die Straßen, Plätze und Cafés der Stadt sind sieben Tage lang wie leer gefegt. Manche Geschäfte bleiben ganz geschlossen. Das Leben findet auf dem Festplatz statt. In über 250 bunten, stilvoll geschmückten Festzelten, den sogenannten Casetas, werden Tapas aufgetischt, Sherry und Wein fließen in Strömen – sämtliche Sherry-Produzenten von Jerez sind vertreten. Flamenco-Combos spielen live, und bis in die frühen Morgenstunden wird Sevillana, eine Variante des Flamencos, getanzt. Am Ende des Festes wird das schönste Zelt prämiert.
Während der Festwoche stehen zahlreiche Events rund um das Pferd auf dem Programm: Dressurwettbewerbe, unter anderem der Landeswettkampf im Dressurreiten, bei dem die andalusischen Pferde zeigen, wie perfekt sie schnelle Wendungen auf engstem Raum, Rückwärtslaufen und Pirouetten beherrschen, internationale Springreitturniere, Pferderallyes, ein Poloturnier, die Vorführung ausgewählter Tiere und diverse Ausstellungen. Einer der Höhepunkte für Pferdeliebhaber ist die „Prämierung der Züchter“, bei der Experten aus aller Welt Wert und Herkunft der edelsten Pferde aus der spanischen Vollblutzucht einschätzen. Am Tag nach dem Festival, am 13. Mai, findet im Depósito de Sementales die nationale Elite-Auktion reinrassiger spanischer Pferde statt (Nacional de Élite de Caballos de Pura Raza Española). Dieses Jahr wird ein weiterer wichtiger Meilenstein der europäischen Pferdehauptstadt Jerez gefeiert, nämlich der 50. Geburtstag der Verleihung des Goldenen Pferdepreises (Premio Caballo de Oro), der am 11. Mai an die Königliche Garde in Madrid geht, die deshalb beim Festival einen Tag lang dabei sein wird. Der Preis ist die höchste Auszeichnung, die in Spanien für besonderes Engagement im Pferdebereich vergeben wird.
Per Kutsche über das Festgelände
Während des gesamten Festivals finden täglich um 13 und 19 Uhr farbenfrohe Pferde- und Kutschenprozessionen statt. Besucher dürfen gegen eine Gebühr quer über das Festivalgelände mitfahren. Das ist für eine halbe Stunde zwar nicht gerade billig, aber eine Ausgabe, die sich lohnt, denn vom hohen Kutschsitz aus lässt sich das bunte Treiben von einer völlig anderen Perspektive beobachten als vom Stehplatz. Die schönste Kutsche wird am letzten Tag prämiert. Im offiziellen Festivalprogramm, das vor Ort beim Tourismusbüro erhältlich ist, werden alle Veranstaltungen, Festzelte und Bühnen genannt.
Dass die Feria de Caballo in Jerez stattfindet, ist kein Zufall. Die Stadt im Süden des Landes ist die Hochburg der andalusischen Pferdezucht. Bereits im 15. Jahrhundert züchteten Mönche des Kartäuserordens im Kloster La Cartuja in Jerez den Cartujano, das Kartäuser-Pferd, eine Zuchtlinie innerhalb der „Pura Raza Española“ (PRE – Reine Spanische Rasse). Die Pferde sind hauptsächlich Schimmel, wie die meisten Andalusier. 1973 gründete der Sherry-Produzent Don Alvaro Domecq Romero im feudalen Palacio del Recreo de las Cardenas die Königlich-Andalusische Hofreitschule, an der die klassische Reitkunst praktiziert und gelehrt wird und deren Gestüt mit rund 60 Pferden zu den besten der Welt gehört. Höhepunkt für Besucher ist die Dressurvorstellung „Tanz der andalusischen Pferde“ mit sechs bis acht Choreografien. Während der Feria de Caballo veranstaltet die Schule spezielle Gala-Veranstaltungen. Sehenswert sind das Kutschenmuseum mit prächtigen historischen Exemplaren, die Sattlerei, die Gärten und der Reitplatz, auf dem man den Reitern zwischen 10 und 13 Uhr beim Training zuschauen darf.
Tanz der andalusischen Pferde
Nicht nur Pferdenarren zieht es zum Festival. Die rassigen andalusischen Pferde und ihre Reiter sind zwar die Protagonisten, viele Besucher kommen jedoch allein wegen des kunterbunten Treibens, der Atmosphäre in- und außerhalb der Festzelte und der Flamencovorführungen nach Jerez. Und natürlich wegen des Jerez-Weins, der in der Sherrymetropole während der sieben Tage reichlich fließt. Die zahlreichen Sherry-Produzenten sind in den Festzelten vertreten, bieten in ihren Kellereien (Bodegas) in der Stadt aber auch Besichtigungstouren mit Verkostungen an. Zu den interessantesten und ältesten zählen Gonzáles Byass, die auch Führungen auf Deutsch anbieten und deren „Tío Pepe“ der weltweit am meisten verkaufte Sherry ist, Sandemann, der für sein Logo weltbekannt ist und die 1730 gegründete und älteste Bodega der Stadt, Domecq. Über die Geschichte und Herstellung des Weins informiert eine Ausstellung im Museum Palacio del Tiempo. Dass der Jerez-Wein außerhalb Spaniens Sherry heißt, ist den Engländern zu verdanken. Als Sir Francis Drake im Auftrag der britischen Krone nach Spanien segelte, um die Häfen Cádiz und La Coruña zu zerstören, erbeutete er fast 3.000 Fässer Jerez-Wein. Er mundete den Engländern, die Nachfrage stieg, aber da sie Jerez nicht korrekt aussprechen konnte, erhielt der Wein kurzerhand die Bezeichnung Sherry.
Neben dem Wein und den Pferden spielt Flamenco in Jerez eine große Rolle. Für viele Experten gilt die Stadt als Wiege des Flamencos, da die besten Tänzer, Sänger und Gitarristen aus Jerez stammen.
Blühende Gärten einer Moschee
Ende Februar findet hier jährlich ein zweiwöchiges Flamenco-Festival statt. Auch auf der Feria de Caballo kommen der Tanz und Gesang, die von Gitarrenspiel, rhythmischem Klatschen, leidenschaftlichen Armbewegungen und energischen Steppschritten begleitet werden, nicht zu kurz. Über die Geschichte des Flamencos informiert das Centro Andaluz de Flamenco in Jerez. Örtliche Flamencoschulen bieten Kurse für Touristen an – auch während des Pferdefestivals. Da sich Besucher in dieser Zeit eher auf dem Festivalgelände tummeln als in der Altstadt, lohnt sich ein Besuch der ansonsten oft sehr vollen Alcázar, zu der Stufen hinter der Kathedrale hinaufführen. In der maurischen Festung aus dem 12. Jahrhundert befinden sich weitläufige, blühende Gärten, die Mezquita, eine alte Moschee, die seit 1264 als Kapelle dient, ein arabisches Bad sowie das elegante Barockschloss Palacio Villavicencio, das der Gouverneur Don Lorenzo Fernandez de Villavicencio 1664 erbauen ließ und später als Residenz von Gouverneure und Vertretern der Stadtregierung diente. Nirgendwo sonst lässt sich das reiche kulturelle Erbe von Jerez besser belegen als hier.