Das Beste an Kosmetikproben dürfte sein, dass es sie in der Regel gratis gibt. Darüber hinaus gibt es kaum nachvollziehbare Gründe für den anhaltenden Run auf dieses erfolgreiche Marketing-Instrument der Beauty-Konzerne.
Auch wenn der Elektronikriese Saturn längst seinen legendären Werbeslogan aufgegeben hat, so ist die „Geiz ist geil“-Mentalität hierzulande noch immer weit verbreitet. Kein Wunder daher, dass Gratisproben, vor allem in der boomenden Kosmetik-Branche, unverändert Hochkonjunktur haben. Im Internet werden auf zahlreichen einschlägigen Portalen Amateur-Produkttester gesucht, die im Auftrag mehr oder weniger bekannter Beauty-Konzerne Make-up-Innovationen oder Schönheitsmittelchen wie Cremes, Schminke, Tinkturen oder Düfte prüfen sollen, wofür ihnen regelmäßig kostenlose Proben nach Hause geschickt werden. Auch der Erfolg der diversen Beautyboxen beruht letztendlich auf den darin enthaltenen Produktproben, die bekanntlich nicht gänzlich gratis sind, sondern für die sogar eine kleine Gebühr entrichtet werden muss. Beim Einkauf in den Parfümerien (und teilweise auch in Drogerien oder Apotheken) sind Geschenkproben längst eine Selbstverständlichkeit. Und auch aus den Frauenmagazinen sind sie nicht mehr wegzudenken, ganz im Gegenteil. Und die Sachets genannten Vierrandsiegelpackungen sorgen nicht nur dafür, dass die Zeitschriften-Seiten regelmäßig verkleben, sondern die verschiedenen Beilagen sind auch für das kiloschwere Gewicht mancher Magazine mit verantwortlich.
Als Erfinderin des genialen Marketing-Instruments gilt die Gründerin des amerikanischen Kosmetik-Imperiums Estée Lauder. Sie begann ihre steile Karriere ganz bescheiden in den 30er-Jahren damit, dass sie im Hinterhoflabor ihres Onkels Cremes oder Puder anrührte und anschließend in den angesagten Frisiersalons Manhattans persönlich an die Frau zu bringen versuchte. Dabei verteilte sie erstmals auch Gratisproben ihrer Produkte – wie wenig später auch auf PR-Tourneen durch Kosmetiksalons, Beauty-Farmen und Nobelhotels der gesamten USA.
Den endgültigen Durchbruch sollte die elfenschöne und mit einem phänomenalen Mundwerk gesegnete Blondine 1946 erzielen. Nachdem es ihr gelungen war, die Akne der Tochter des New Yorker Kaufhauseigentümers Saks innerhalb von zwei Wochen und gerade noch rechtzeitig vor dem Debütantinnenball mit einer eigenen Creme zu heilen, erlaubte ihr der dankbare Vater die Eröffnung eines eigenen Shops in seinem berühmten Luxus-Shopping-Tempel auf der Fifth Avenue. Und das direkt neben den Ständen von Elizabeth Arden und Helena Rubinstein, den damaligen Heroinnen der Haute Cosmetique. Zum Ärger der beiden war sich die schöne Estée nicht zu schade, jeden Tag persönlich den Kundinnen Masken und Make-ups aufzulegen. Eine damals ebenso unerhörte und revolutionäre Promotion-Strategie wie das nun systematische kostenlose Verteilen von Lauder-Puder in Briefumschlägen und Lauder-Cremes in Phiolen aus dem Laborbereich. 1953 sollte sie mit ihrem ersten Bestseller „Youth Dew“, einem neuartigen Parfum in Gestalt eines Badeöls, die Basis für ihr späteres Milliarden-Dollar-Beauty-Imperium legen.
Estée Lauder legte persönlich Masken und Make-up auf
Vermutlich dürfte Madam Lauder vor fast einem dreiviertel Jahrhundert ihren Kundinnen noch Gratismengen ausgehändigt haben, die es erlaubt hatten, die Wirksamkeit, Verträglichkeit oder Qualität des Produkts auch tatsächlich zu überprüfen. Angesichts der wenigen Milliliter an Lotionen oder Cremes, die beispielsweise in den Sachets Platz finden, ist das heute schlichtweg unmöglich. Denn für mehr als zwei Anwendungen wird es keinesfalls reichen. Das genügt bei Kosmetik- oder Pflegeprodukten leider kaum, weil diese deutlich intensiver getestet werden müssten, um etwaige Unverträglichkeiten oder auch erhoffte Beauty-Verbesserungen wirklich erkennen zu können.
Egal, dann werden die Pröbchen stattdessen als Reisebegleiter zum Einsatz gebracht. Niemand möchte im Urlaub schließlich kiloweise Beauty-Produkte mitschleppen und im Flieger womöglich Gefahr laufen, die Ein-Liter-Grenze für Flüssigkeiten im durchsichtigen Plastikbeutel zu überschreiten. Allerdings dürfte es nicht lange dauern, bis die fünf oder sieben Milliliter Gratisprobe nach Ankunft im Feriendomizil aufgebraucht sein wird. Immerhin können die Pröbchen in der Handtasche auch dafür das sichere Gefühl vermitteln, für den Beauty-Ernstfall bestens gerüstet zu sein.
Da dieser aller Wahrscheinlichkeit nach nie eintreten wird, werden die Proben schließlich irgendwann im heimischen Badezimmer landen. Und dort entweder ungeöffnet vor sich hingammeln oder auf der Duschablage unschön halb ausgedrückt und vertrocknet kein schönes Bild abgeben. Bei einem Anfall von Putzfimmel werden sie endlich im Müll entsorgt werden. Eigentlich der ideale Zeitpunkt, um sich klar zu machen, wie wenig Nutzen sie einem letztendlich gebracht haben. Aber bei weitem noch kein Grund, nicht wieder gleich rückfällig zu werden. Sprich, beim Blättern im neuen Magazin die mit Super-Haft-Strips befestigten Proben mit seligem Lächeln abzuziehen und dabei ein Zerfleddern der Seiten bewusst in Kauf zu nehmen.