Die ländliche Region südlich von Lissabon bietet viel Natur und Ursprüngliches, aber auch modernste Hotels.
Wir hatten Gäste, die für eine Nacht blieben, und dann weiter an die Algarve wollten“, erzählt José Pedro Vascongelos, Inhaber des „Imani Country Hotels“. Dann schmunzelt er: „Schon am nächsten Tag kamen sie wieder und fragten, ob ihr Zimmer noch frei sei – an der Algarve hätte es ihnen längst nicht so gut gefallen wie hier.“ Dass dies keine frei erfundene Geschichte ist, um sein neues Landhotel zu promoten, kann nur der nachvollziehen, der das Anwesen selbst gesehen hat. Dass Vascongelos als Schauspieler berühmt ist, verhilft ihm natürlich zu Besuchern aus dem eigenen Land. Doch Touristen aus dem Ausland, die das abgelegene Hotel oft nur durch Zufall finden, sind noch selten. Es gibt nur sechs Zimmer, die in ehemaligen Pferdeställen eingerichtet sind, zwei kleine Pools, einen Garten mit Feuerstelle und ein Restaurant, in dem Vascongelos selbst kocht. Seine Frau kümmert sich um das Baby und um den Abwasch.
Umgeben ist das Landhotel, soweit das Auge reicht, von Natur – Olivenhaine, Korkeichen, dazwischen Schafherden und ein paar Esel. Es ist ein Ort für Menschen, die ausspannen wollen, regenerieren und neue Kräfte tanken. Vielleicht haben auch die Menhire, also Steine, die sich in zwei Kreisen an einem Hang etwa ein Kilometer entfernt gruppieren, Anteil daran. „Die Menhire von Cromlech sind die größte Ansammlung auf der Iberischen Halbinsel und wurden 3.000 oder 4.000 vor Christus aufgestellt, genau weiß es keiner“, erzählt Vascongelos beim Abendessen. „Erst 1966 wurden die 95 Steine wieder entdeckt, bei einer Landvermessung. Schaut sie euch genau an, einige haben Gravuren, die auf astronomische Konstellationen hindeuten“, gibt Vascongelos uns mit auf den Weg. In Vollmondnächten sollen dort die Nachwuchshexen der Region ihre Treffen abhalten.
Das Alentejo ist wahrlich eine abgelegene Region. Die Schönheit der Landschaft und die äußerst angenehmen Bewohner ziehen Individualtouristen an, die mehr sehen wollen von Portugal als die Algarve, Lissabon oder Porto.
Neben Olivenbäumen sind in der Region Alentejo Korkeichen die häufigste Art der Vegetation. Sie werden alle neun Jahre geschält, doch die Forstbeamten versuchen, diese Zeitdauer auf zehn Jahre auszudehnen. „Wenn sie frisch geschält sind, haben die Stämme dieses leuchtende Rot, das fast wie angemalt wirkt“, erfahren wir von Pedro Vascongelos.
Römische Funde in dem Städtchen Evora
Das nahe Kleinstädtchen Evora ist wegen seiner römischen Fundstücke schon länger Touristenziel. Die Läden beweisen, dass der heimische Kork nicht nur für Weinflaschen gute Dienste leistet. Es gibt hier Korkschuhe, Korkregenschirme, Korkmousepads, Korkportemonnaies und natürlich Korkpostkarten zu kaufen. Überhaupt ist die Gegend des Alentejo wunderbar für Menschen, die gerne nützliche Souvenirs kaufen. Die Dörfer bei Reguengos de Monsaraz leben fast nur von der Töpferei. Blumentöpfe, Salatschüsseln, Tassen und Teller werden hier mit den farbenfrohen Motiven der portugiesischen Keramikmaler verziert und sind zudem viel preiswerter als in Geschäften für Kunsthandwerk.
Neben so viel Tradition entstehen im ländlichen Portugal aber auch Hotelprojekte, die Altbewährtes mit ausgeklügelten Innovationen kombinieren. Tania Polido Garcia, eine hübsche, schlanke Frau Anfang 30, ist Sales Direktorin im Hotel „L’And Vineyards“ in Montemor-o-Novo. Ein Investor, der hier rund 45 Millionen Euro verbaute, schuf ein Objekt, wie es sich ein Designmagazin wie Wallpaper nicht besser ausdenken könnte. Mit einer Fernbedienung lassen sich die Dächer über den Schlafzimmern der 120 Quadratmeter großen Suiten beiseiteschieben, um vom Bett aus den Sternenhimmel des Alentejo zu betrachten. In der abgedunkelten Lobby stehen Designersessel an Beistelltischchen aus Massivholz, und neben dem Swimmingpool wurden statt Blumen oder Büschen Weinstöcke gepflanzt. Die ganze Anlage ist nämlich nicht mehr und nicht weniger ein Designhotel für Vinophile, die immer schon davon träumten, Wein im eigenen Weinberg herzustellen. „Hier bei uns bekommt jeder, der eine Suite kauft, ein Stück hoteleigenen Weinberg dazu“, erklärt Polido Garcia stolz in der Lounge. Das eigene Gewächs wird dann in der hoteleigenen Kelterei, direkt neben dem Restaurant, gepresst und im Keller des Hauses in Eichenfässern gelagert. Natürlich ist alles mit der neuesten Technologie ausgestattet, von der Temperaturkontrolle der Fässer bis zur Flaschenabfüllung und Etikettierung ist alles vorhanden. „Jeder Resident produziert bei uns seinen eigenen Wein natürlich mit eigenen Etiketten“, verkündet Polido Garcia. Die 66 Hektar großen Weinberge sind bepflanzt mit den Sorten Touriga Nacional, Touriga Franca, Alicante Bouschet, Verdelho und Arinto. Pro Jahr reicht es für insgesamt 6.000 Flaschen. Es kommen nur organische Düngemittel und möglichst wenige Chemikalien zum Einsatz, fügt die Sales Direktorin noch an. Sollte jemand kein Winzer sein, gibt es kostenlose Hilfe eines Önologen, so nennen sich die Weinfachmänner.
Doch auch ohne eine eigene Suite mit Weinberg zu kaufen, kann man vom „L’And“-Hotel den berühmten Wein des Alentejo entdecken. Das Hotel bietet zum Beispiel ein Paket an, bei dem während einer Woche jeden Tag ein Winzer des Alentejo besucht wird, der seine Weine erklärt und dieser natürlich auch verkostet wird.
Eine Suite mit eigenem Weinanbau
Weniger modern, dafür umso schmackhafter, geht es im Restaurant „A Escola“ in Alcacer do Sal zu. Hier werkelt Henrique Lopez in einer alten Grundschule, die vor einigen Jahren in ein Restaurant umfunkioniert wurde. „Je langsamer etwas kocht, desto besser schmeckt es“, gehört zu seinen Maximen. Und so köchelt der Reis mit Tomate, Kräutern und Oktopus schon seit mehr als einer Stunde auf kleiner Flamme. Slow Food made in Alentejo – das passt genau zu dieser Region südlich von Lissabon, deren Menschen in ganz Portugal dafür berühmt sind, besonders langsam zu sein.
„Ich habe mir vorgenommen, den Geschmack des Essens meiner Großmutter wiederzubeleben“, erklärt der Küchenchef. „Außerdem habe ich in alten Archiven gestöbert, um Rezepte zu erhalten.“ Das Ergebnis sind Gerichte, die es in dieser Qualität kaum an anderen Orten gibt. Am Anfang des Abendessens stellt Lopez verschiedene kleine Schälchen mit Vorspeisen auf den Tisch, viele davon mit Koriander verfeinert. „Wir berechnen nur die Vorspeisen, die gegessen werden“, warnt er vorsorglich. Umsonst. Alle Schälchen sind schon Minuten später geleert. Die Kunde von der guten Küche im ehemaligen Schulhaus ist bis zur Schickeria von Lissabon vorgedrungen. Neben dem Parkplatz gibt es einen Heliport, auf dem VIPs per Helikopter landen, direkt neben dem abgetakelten Spielplatz der ehemaligen Schule. Kaum zu glauben, dass man für ein komplettes Dinner nur rund 20 Euro bezahlen muss.