Anfang Mai laden der Gesundheitskongress „Salut!" und die Messe „Salut plus" zum vierten Mal in die Saarbrücker Congresshalle ein. Dieses Jahr gibt es viele Neuigkeiten, darunter freier Eintritt und neue Programmpunkte für Laien. Organisator und Gesundheitsexperte Armin Lang im Interview.
Herr Lang, was haben wir von unserem neuen Gesundheitsminister Jens Spahn zu erwarten?
Sein Vorgänger hat exakt das umgesetzt, was in der Koalitionsvereinbarung stand. Diese war stark von den Sozialdemokraten geprägt. Herr Gröhe war bei den entsprechenden Koalitionsverhandlungen nicht dabei, er musste sich erst einarbeiten. Eine gute Leistung.
Bei Jens Spahn ist es anders. Er ist bereits in den Themen drin, hat Jahre Gesundheitspolitik gemacht. Er wird sicher nicht nur die Koalitionsvereinbarungen umzusetzen, sondern eigene Akzente setzen. Er wird eher wirtschaftsfreundlich und konservativ agieren.
Trauen Sie ihm eine gewisse Resistenz gegenüber Lobbyisten zu?
Ich vermute, dass er pharmafreundlicher sein wird als sein Vorgänger. Ich traue ihm aber auch zu, dass er Impulse im Sinne der Patienten setzt. Zwar ist Minister Spahn bisher im Bereich Pflege wenig aufgefallen, aber mit der Berufung von Andreas Westerfellhaus als Pflegebeauftragten hat er ein Zeichen gesetzt. Er wird sicher das Defizit erkennen, welches wir aktuell in der präventiven Rehabilitation haben. Vielleicht wird er die Zugangshürden senken. Er wird auch versuchen, Regeln zu finden, die den medizinischen Dienst (MDK) unabhängiger machen.
Die Bürgerversicherung, ein Lieblingsthema der SPD, dürfte mit Spahn aber nicht gehen ...
Da würde ich keine zwei Hände ins Feuer legen. Seine erste öffentliche Äußerung nach seiner Berufung zum Bundesgesundheitsminister war, man müsse das Elend der privat versicherten Menschen angehen. Tatsächlich tragen die Privatpatienten seit Jahren die höchsten Lasten. Nicht nur finanziell, durch ihre ständig steigenden Prämien. Sie tragen auch höhere Risiken durch überflüssige Behandlungen. Und ihre Privilegierung im Wartezimmer ist ein Ärgernis für die gesamte Versorgung. Die ungleiche Risikoverteilung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung wird er sicher so nicht lassen. Und die paritätische Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung muss er wiederherstellen. Das steht im Koalitionsvertrag.
Jetzt aber von Berlin nach Saarbrücken. Im Mai kommt der Gesundheitskongress „Salut!" zum vierten Mal. Was erwartet uns da neues?
Im Vergleich zum letzten Jahr wird der Kongress kürzer. Wir werden Kongress und Messe noch enger miteinander verzahnen. Inhaltlich werden wir neue Akzente setzen. Wir bieten den Messebesuchern durch unsere „Dialogforen" Weiterbildungsseminare zu gesundheitsrelevanten Themen. Ein großer Mehrwert für den Verbraucher. Er wird gesundheitskompetenter die Messe verlassen. Beispiel: Wir werden uns intensiv mit dem Schlaganfall beschäftigen, vom Erkennen von Risiken bis hin zu Behandlung und Rehabilitation. Oder: Wie sollten Patienten mit Behandlungsfehlern umgehen? Da sitzt der Patient in der Regel am kürzeren Hebel, muss oft lange um sein Recht kämpfen, langanhaltende Folgen tragen. Wir befragen Experten einer Stiftung, die solche Fälle dokumentiert, fragen den MDK, wie er im Interesse der Versicherten helfen kann, ebenso Krankenkassenvertreter und die Ärztekammer. Ein umfassender Überblick für Patienten, die unter Behandlungsfehlern leiden. Sie erfahren, wo sie Hilfe bekommen.
Das bedeutet, der Kongress wird sich jetzt neben dem Fachpublikum verstärkt an Laien wenden?
Ja. Der Freitag wird sich vorrangig an Fachpublikum wenden. Am Samstag werden wir Profis und Laien gleichermaßen ansprechen. Wir werden morgens mit Dialogforen beginnen, eine weitere Neuheit. Das heißt, wir reden nicht über den Patienten, sondern mit ihm. Profis und Laien im Dialog. Wir haben in diesen Foren weniger Referenten, damit das Publikum auch zu Wort kommt, und wir haben Moderatoren, die vermitteln, übersetzen und nachfragen.
Wir werden auch heiße Eisen anpacken: Unter dem Titel „Krank vor Angst – lesen und verstehen Sie die Packungsbeilage?" vermitteln Experten, wie Packungsbeilagen zu verstehen sind und wie sie verändert werden können. An Bord sind ein Professor von der Uni, ein Apotheker, ein Arzt, ein Vertreter der Pharmaindustrie und als Sachwalterin der Patienten die zuständige Ministerin selbst. Ein richtiges Bürgerforum soll es werden, mit sicher vielen Besuchern.
Warum erheben Sie jetzt erstmals keinen Eintritt mehr?
Das ist ein Experiment. Obwohl wir bisher nicht einmal halb so hohe Eintrittspreise hatten wie bei anderen Kongressen dieser Art, hörten wir immer wieder, wir seien zu teuer. Vor allem Menschen in den mittleren Führungsebenen hatten das Problem, wer ihren Eintritt zahlt –und kamen deshalb nicht. Wir wollen aber alle Interessierten erreichen. Deshalb jetzt: Eintritt frei für alle!
Wie finanzieren Sie den Kongress ohne Eintrittsgelder?
Durch treue Partner, denen wir unendlich dankbar sind. Darunter die Saarland Heilstätten GmbH (SHG), die Unikliniken des Saarlandes, die Marienhaus GmbH und die CTT, die Berufsgenossenschaft BGW, die saarländischen Ministerien für Wirtschaft, Verbraucher und Soziales, sowie die IKK-Südwest. Toll, dass auch andere Krankenkassen mitmachen, weitere Klinikgesellschaften, Pflegedienste, Partner aus der Gesundheitsbranche wie etwa aus der Medizintechnik und der Pharmazie. Auch die Unfallkassen, die Arbeitskammer, die Sparkassen-Finanzgruppe, die Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und viele mehr sind dabei. Über Eintrittspreise wäre ein solcher Kongress nicht finanzierbar – obwohl alle Referenten ohne Honorar auftreten. Auch denen sind wir sehr dankbar.
Wie weit sind wir bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich? Ist das Saarland schon Modellregion?
Nein, ganz sicher nicht. Wir könnten es aber werden. Wir präsentieren bei dem Kongress nachahmenswerte, Grenzen überwindende Kooperationsmodelle mit unseren Nachbarn, deutschlandweit. Dieses Thema hat natürlich auch mit der aktuellen großpolitischen Diskussion zu tun. Die Zuneigung der Bevölkerung zur Zusammenarbeit in Europa ist in den letzten Jahren nicht gewachsen. Dabei ist Europa für uns alle existenz- und wohlstandssichernd. Da können Gesundheit und Pflege viel dazu beitragen, die Menschen an den Grenzen noch enger zusammenzubringen. Denn nichts ist ihnen wichtiger als ihre Gesundheit. Unsere Wirtschaftsministerin hat ihre Vorabendeinladung dieser Thematik gewidmet und wird auch selbst dabei sein.
Welche positiven Beispiele können Sie uns auf dem Kongress zeigen?
Fangen wir im Saarland an: die Versorgung von schwer herzkranken Menschen durch die Zusammenarbeit der SHG mit Kliniken in Saargemünd und Forbach. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit in der Pflege-Ausbildung. Und im Bitcher Land gibt es eine Internetplattform, mit der Menschen in kleinen Dörfern beispielsweise Gesundheitsdienstleister sehr unkompliziert kontakten können. Dies soll jetzt auch im Saarpfalz-Kreis erprobt werden. Eine enge Kooperation in der wissenschaftlichen Forschung mit positiven Effekten für Versorgung und Wirtschaft gibt es am Bodensee zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir haben auch ein wunderbares Modell der Rettungsdienst-Zusammenarbeit an der tschechischen Grenze. Oder wir haben an der deutsch-polnischen Grenze ein medizinisches Versorgungszentrum in ländlicher Region, das von beiden Seiten genutzt wird. Gleiches gilt für Modelle der pflegerischen Versorgung an der deutsch-holländischen Grenze.
Erhoffen Sie sich vom Kongress Impulse für die Region?
Ja, darüber würden wir uns sehr freuen. Wenn es gerade in den Bereichen Gesundheit und Pflege mehr kooperierende Nachbarschaft und gegenseitige Hilfe gäbe, würde die Solidarität zwischen den Menschen in Europa noch viel mehr wachsen. Es wäre gut für das Saarland, wenn wir da zukünftig mit einigen Leuchttürmen strahlen könnten. Wir wollen Impulse geben, damit wir uns gegenseitig viel geben können.
Ein Topmodell, wie europäische Zusammenarbeit uns voranbringen kann, präsentieren wir aus Luxemburg. Sie konzentrieren sich dort derzeit in der Forschung auf die Vorbeugung, Behandlung und Nachsorge bei Parkinson. Die Luxemburger haben hierzu ein spezielles Institut aufgebaut, auch für die multidisziplinäre Therapie. Davon können wir lernen. Luxemburg arbeitet diesbezüglich auch grenzüberschreitend mit unserem Uniklinikum zusammen. So stellen wir uns die Zusammenarbeit an den Grenzen vor: Wir profitieren gegenseitig voneinander.
Ein Kongressthema lautet: mehr Gesundheitskompetenz für alle. Wo hapert es da?
Eine vergleichende Untersuchung hat gezeigt: Beim Wissen, was krank macht und was die Gesundheit stärkt, schneiden die Deutschen im europäischen Vergleich miserabel ab. Um das zu verbessern, hat (Ex-)Bundesgesundheitsminister Gröhe eine nationale Allianz ins Leben gerufen. Wir sind der erste Gesundheitskongress, in dem diese Allianz vorgestellt wird. Wir zeigen, was viele tun müssen, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. Zur Gesundheitskompetenz gehört es auch zu lernen, mit chronischen Krankheiten so umzugehen, ohne immer kränker zu werden. Gesundheit ist lernbar. Zum Beispiel gibt es in Skandinavien Schulschwestern, die Lehrer und Schüler für Gesundheitsthemen sensibilisieren. Auch in Betrieben gibt es gute Beispiele und mit dem „präventiven Hausbesuch" arbeiten diese Staaten schon lange. Wir fangen erst damit an. Auch hierfür geben wir Impulse in Saarbrücken.
Alle reden über den sogenannten Pflegenotstand in Deutschland. Haben Sie Lösungsansätze gefunden?
Das Thema Pflege wird dieses Jahr eine ganz zentrale Rolle spielen. Wie kann der Personalbedarf in Kliniken und Heimen unstreitig gemessen und dann auch wirklich realisiert werden? Welche Arbeitsbedingungen müssen die Unternehmen schaffen, damit die Arbeitnehmer gerne in der Pflege arbeiten? Am Freitag machen wir Werbung für den Pflegeberuf. Dieser Tag ist deshalb gerade für junge Menschen hochinteressant, denn da geht es gezielt um Berufschancen in allen Gesundheits- und Pflegeberufen. Es geht auch um gesündere und wertschätzende Arbeit in der Pflege. Hier stellen sich Beispiele gebende Arbeitgeber vor, die keine Personalnot haben – durch attraktive Arbeitsbedingungen.
Und ganz wichtig: der Sonntag! Da werden wir einen Tag der häuslichen Pflege und der pflegenden Angehörigen haben. Wer hilft mir, wenn ich Hilfe brauche? Bei schweren Erkrankungen? In der letzten Phase des Lebens? Wenn technische Hilfen gebraucht werden und wenn die Kraft nicht mehr ausreicht und die eigene Gesundheit gefährdet ist? Neben praktischen Tipps gibt es auch persönliche Beratung.
Was erfahre ich über Innovationen und wissenschaftliche Fortschritte?
Da haben wir zwei wichtige gesundheitspolitische Themen. Erstens: das Krankenhaus. Brauchen wir eine Investitionsoffensive, um Kliniken qualitativ und wirtschaftlich zu optimieren? Wie kann die Digitalisierung helfen? Hier geben wir gute Beispiele.
Wir werden auch der Frage nachgehen: Wie sicher sind unsere Krankenhäuser? Da gibt es Unsicherheit durch unsachgemäße Pflege, durch gefährliche Medizin. Die Diebstähle in Kliniken steigen, und das Thema „resistente Keime" belastet viele. Hier sprechen ausgewiesene Experten. Wir stellen sogar ein saarländisches Spezialunternehmen für Kliniksicherheit vor.
Und noch was zum Thema Innovation: Die Unikliniken werden am Freitagmorgen im „Innovationslabor Saarland" ihre aktuelle Forschung vorstellen, wo sie auch im internationalen Vergleich besondere Akzente setzen. Darunter die Themen Transplantationsmedizin und OP-Roboter.