Was lange als modisches No-Go galt, präsentiert sich als eines der wichtigen Accessoires der Saison: Damensöckchen, die als Fashion-Statement offensiv nicht nur zu Röcken, sondern auch mit Sandalen oder High Heels getragen werden.
Was lange währt … Miuccia Prada wird sich womöglich zufrieden in ihrem Mailänder Designer-Sessel zurücklehnen. Denn letztlich gibt es niemand anderen in der gesamten Fashion-Welt, der sich so frühzeitig und mit nie erlahmendem Engagement über viele Jahre hin für die Aufhebung eines Mode-Verdikts eingesetzt hatte. Denn Socken galten seit gefühlten Ewigkeiten als der Bestandteil der femininen Garderobe, der sich am besten durch seine komplette Unsichtbarkeit auszeichnen sollte. Hervorblitzende oder gar auffällig zu Sandalen oder High Heels getragene Strümpfe galten als absolutes No-Go. Kniestrümpfe zu Röcken wurden allenfalls als Teil der Schulmädchen-Uniform geduldet. Aber genau da hatte Prada schon vor elf Jahren den Hebel angesetzt und 2007 zur allgemeinen Verblüffung Unterschenkelkleider, sprich Kniestrümpfe, in Farben wie Orange-Ocker auf dem Laufsteg gezeigt, kombiniert mit hohen Absätzen und Bleistiftröcken.
Doch obwohl Prada damals sogar die Schuh-Fetischistin Sarah Jessica Parker für ihre Bein-Kreation begeistern konnte, war die Zeit offenbar noch nicht reif für einen entsprechenden Trend. Oder es hat den Damen einfach der Mut gefehlt, wie seinerzeit Tillmann Prüfer in einer „Zeit“-Stilkolumne spekuliert hatte: „Mit dem Kniestrumpf hat alles Kaschieren ein Ende. Den Unterschied verpackt er wie ein Präsent, und vom Knie aufwärts wird hinter jeden Makel ein Ausrufungszeichen gesetzt. So ein Kniestrumpf ist entweder erbarmungslos anziehend oder einfach nur erbarmungslos.“
Mit Blick auf die aktuelle Sommermode haben sich in den letzten Monaten sämtliche Trendsetter wie Frauenjournale, Streetstyle-Stars oder Social-Media-Influencer vor Begeisterung in Sachen Damensocken geradezu überschlagen. „InStyle“ beispielsweise verkündete seinen Leserinnen, dass Statement-Strümpfe das Coolste seien, was diesen Sommer an den Füßen getragen werden kann. Die „Bunte“ und die „Elle“ hatten die Socken sogar schon vor zwei Jahren zum „neuen It-Accessoire“ gekürt, als der spätere Hype eigentlich noch gar nicht so recht abzusehen war.
„Entweder erbarmungslos oder Anziehend“
Begonnen hatte es ganz vorsichtig im Herbst/Winter 2014/2015, als einige Designer ihre Models in knöchelhohen Socken über die Laufstege schickten, weil Strumpfhosen bei den flachen, eher klobigen Schuhen offenbar keine Option waren. Bei The Row waren die Socken mit einem Midi-Rock, bei Trussardi mit einem Lederkleid, bei Emporio Armani mit einer leicht gekürzten Bundfaltenhose kombiniert. Auch bei Hermès, John Rocha und Topshop Unique konnten die Strümpfe auf dem Catwalk bewundert werden.
Als im Sommer 2016 Chanel (mit Socken in Sandalen) und im Herbst/Winter 2016/2017 (wieder) Prada (mit Kniestrümpfen) einstiegen, rief die „Elle“ die Mutigen unter ihren Leserinnen zum Mitmachen auf: „Unsere neueste Fashion-Obsession sind Socken in High Heels, Sandalen, Lederschuhen oder Sneakern. Natürlich nicht versteckt unter der Skinny Jeans, sondern in Kombination mit einem Rock oder einer Dreiviertel-Hose und selbstbewusst hochgezogen … Natürlich ist es nur etwas für Mutige, da Socken – besonders in High Heels – echte Hingucker sind und jedes Outfit direkt schreit: ‚Hey, ich traue mich was!’“
In der Wintersaison 2017/2018 tauchten die coolen Strümpfe dann schon häufiger in bekannten Designer-Kollektionen wie Isabel Marant (Silbersöckchen in Glitzerpumps), Mulberry (Flauschsocken in Kroko-Heels), Off-White (Organza-Söckchen in Riemchensandaletten) oder N° 21 (Socken mit Satin-Schleifchen in Sandalen) auf. Bei Fendi, Burberry oder Fenty x Puma wurden als Alternative die begehrten Sockboots präsentiert. In diesen Stiefeletten, die optisch dank des eng anliegenden Schafts wie eine Kombi von Boots und Socken wirken, sehen manche Insider wie die „Elle“ den Vorläufer und Wegbereiter für den neuen Socken-Trend. Dabei haben sie vor allem das Kultlabel Vetements im Blick, das vor zwei Jahren mit seinen glitzernden Sockboots aus Lurex mit Plexiglas-Absatz und (ganz wichtig, da auch auf vielen aktuellen Socken des Sommers von Gucci bis Balenciaga zu finden) unübersehbarem Label-Schriftzug.
Ein anderer Erklärungsversuch für den überraschenden Socken-Trend verweist auf den anhaltenden Erfolg der Athleisure-Mode. Nachdem Sneakers und Jogginghose aus der Sportszene in der Fashionwelt salonfähig geworden sind, sei es eigentlich nur logisch gewesen, dass irgendwann auch mal die Socke als interessantes Accessoire entdeckt werden würde. Und dank der plötzlich allgegenwärtigen (meist weißen oder schwarzen) Sportsocke hätten dann auch andere Strumpfmodelle ihr verstecktes Dasein aufgeben können.
Die Länge kann stark variieren
Wer es sich ganz einfach machen möchte, kann für die aktuelle „Socken-Mania“ natürlich ganz einfach den ständigen Wandel in der Mode verantwortlich machen. Was gestern noch angesagt war, kann heute schon längst wieder out sein – oder umgekehrt. Die Gesetze des Modedschungels sind halt jederzeit revidierbar. Die „Vogue“ machte darauf aufmerksam, dass der Socken-Trend für den Sommer nach erstem Auftauchen bei Erdem, Burberry und Preen auf der Londoner Fashion Week vor allem von der Mailänder Modewoche angestoßen wurde. Prada, Gucci, Dolce & Gabbana oder Missoni hatten ihr Augenmerk vor allem auf knielange Strümpfe gerichtet, während die Socken bei Fendi oder MSGM nur knöchellang gehalten waren. Marco De Vincenzo zeigte knöchellange Netzstrümpfe in verschiedenen Farben. Hauchdünnes Nylon war bei Erdem oder Fendi en vogue. Bei Gucci gab es überraschenderweise auch mal einfach nur Grobwolliges in Braun oder Grau an den Damenfüßen zu bestaunen, gerippte oder gerüschte Kanten waren nur bei ganz genauem Hinsehen zu erkennen.
Bei Prada wurden die Kniestrümpfe mit gestreiften Shorts kombiniert und in Slingbacks oder fransenbesetzten Brogues getragen. Bei Dolce & Gabbana gab es den Mix mit durchsichtigen Kostümen und Red Carpet-Kleidern, bei Fendi wurden die karogemusterten Socken gewissermaßen im Print-Blocking mit ebenfalls gemusterten Outfits präsentiert. In Paris waren Kniestrümpfe auf den Schauen von Miu Miu, Dior oder Kenzo jeweils zu Flats zu sehen. In London hatte Topshop Unique ebenso wie Alexander Wang in New York knöchelhohe Fishnet-Socken vorgestellt. Die noch immer recht gewöhnungsbedürftige Variante Socken zu Sandalen hatten vor allem Isabel Marant, Stella McCartney, Marc Jacobs oder Burberry gewählt.
Für sportives Design in Richtung Adidas, Puma, Nike & Co. hatten sich beispielsweise Monse, 3.1 Phillip Lim sowie teils auch MSGM und Fendi entschieden. Merke: Selbst bei Peeptoes sind Socken inzwischen erlaubt, während vormals die Regel lautete, dass bei vorne offenen Schuhen selbst eine Feinstrumpfhose absolut tabu war.
Für Trend-Einsteiger empfiehlt sich eine hochgekrempelte Hose mit supercoolen Sportsocken in Sneakers. Fortgeschrittene können die Enden der Jeans in Statement-Socken verschwinden lassen, die über den Stiefeletten-Rand ein ganzes Stück das Bein hinaufragen oder alternativ in dicke (Glitzer-) Socken mit breitem Marken-Logo zu Pumps schlüpfen. Stilikone Chloé Sevigny wagt sich gar an weiße Strümpfe zu Minikleid und schwarzen Sandaletten heran. Kleine Frauen sollten darauf achten, dass die Beine durch die Socken nicht kürzer werden. Ob gemustert, glitzernd, transparent, bunt oder einfarbig ist letztlich Geschmackssache.
Bei den Herren noch kritisch
Übrigens: Fast schon Satire, dass in Sachen Menswear die Kombination Socken und Sandalen noch lange nicht modisch abgesegnet ist. Da haben alte Vorurteile von (nicht nur deutschen) Touristen in weißen Tennissocken, Trekkingsandalen, Shorts und kurzärmeligen Hemden offenbar zu tiefe Wurzeln geschlagen. Allerdings haben wir vorausschauend auf den kommenden Winter bei einigen Labels wie Vetements, Kolor oder Maison Kitsuné schon mal erste entsprechende Laufsteg-Versuche entdecken können. Die Herren der Schöpfung müssen sich bis dahin mit bunten Socken zum Anzug oder zur Hochwasserhose begnügen. Die gehen in der Freizeit immer, werden im Arbeitsalltag aber noch immer nicht überall akzeptiert.