Nur noch knapp zwei Monate sind es bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Schon am 15. Mai wird Bundestrainer Joachim Löw seinen vorläufigen Kader verkünden. Und auch diesmal gibt es neben den fest gesetzten Kandidaten wieder einige, die zittern müssen. FORUM macht den Check.
Genau 23 Spieler darf Deutschland für die Endrunde der WM anmelden. Und deshalb muss sich Löw alle vier Jahre entscheiden: Wen nimmt er mit, wer muss zuhause bleiben? Ein gewisser Stamm an Spielern ist schon fix: Marc-André ter Stegen wird nach einer starken Saison bei Barcelona wohl sicher mitfahren. Auch die Innenverteidiger Jérôme Boateng und Mats Hummels vom FC Bayern dürften gesetzt sein. Dazu gesellen sich natürlich Mesut Özil, Thomas Müller, Toni Kroos, Sami Khedira, Joshua Kimmich und – auch wenn er mit Köln im Abstiegskampf feststeckt – voraussichtlich Jonas Hector. Darüber hinaus gibt es in allen Mannschaftsteilen kritische Entscheidungen, die Löw treffen muss.
Tor
Sollte Manuel Neuer nach seinem Mittelfußbruch rechtzeitig wieder fit werden, ist ihm als Kapitän der Nationalmannschaft ein Platz im Kader sicher – auch wenn er seit September vergangenen Jahres kein Spiel mehr absolviert hat. Wie bereits erwähnt ist auch Marc-André ter Stegen ein Platz versprochen. Alles andere wäre auch unverständlich, schließlich hütet ter Stegen als Stamm-Keeper beim großen FC Barcelona das Tor. Bleibt also der offene Platz des dritten Torwarts. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten hier Bernd Leno von Bayer Leverkusen und Kevin Trapp von Paris Saint-Germain. Der größte Unterschied der beiden auf den ersten Blick: Trapp spielt beim Weltklasse-Verein Paris und ist damit auch in der Champions League vertreten, Leno hingegen ist das in dieser Saison mit Leverkusen verwehrt.
Viel hängt von Neuer ab
Doch Leno hat den großen Vorteil, dass er auch wirklich Spielpraxis sammelt. Bei Bayer ist der 26-Jährige Stamm-Keeper und stand deshalb bisher auch in allen Ligapartien über die volle Spielzeit auf dem Platz. Jedoch gehört er von den Leistungen her aktuell nicht zu den Top-Keepern der Liga. Entsprechend den Bewertungen des Sportmagazins „Kicker" steht er im Torwart-Ranking derzeit nur auf Platz 10. Doch immerhin hat Leno überhaupt die Chance, sich auszuzeichnen, das kann Kevin Trapp momentan nämlich nicht. Er ist bei Paris in dieser Saison nur Ersatz und muss sich hinter dem Franzosen Alphonse Areola einreihen. Somit kommt er bisher nur sporadisch zum Einsatz. Die Spielpraxis spricht also nicht gerade für Trapp, dennoch durfte dieser beim Test gegen Brasilien von Anfang an ran. Das muss aber noch kein Hinweis auf eine Kader-Nominierung sein.
FORUM-Tipp: Trapp muss zu Hause bleiben, stattdessen setzt Löw lieber auf den eingespielten Leno.
Abwehr
Eine komplette Viererkette ist quasi bei der Nominierung gesetzt: Mats Hummels, Jérôme Boateng und Joshua Kimmich vom FC Bayern sowie Jonas Hector vom 1. FC Köln. Dazu gesellt sich wahrscheinlich noch Innenverteidiger Antonio Rüdiger, der sich nach seinem Wechsel zum englischen Verein FC Chelsea als Stammspieler etabliert hat. Bei den restlichen Innenverteidigern wird es dann auch schon wieder spannend. Zu nennen ist hier zum einen der vor der Saison zum FC Bayern gewechselte Niklas Süle. Logisch, dass er sich dort grundsätzlich erstmal hinter dem Innenverteidiger-Duo Hummels und Boateng anstellen muss. Doch Süle schaffte es trotzdem in dieser Saison bereits auf zahlreiche Einsätze beim Rekordmeister, teilweise auch über 90 Minuten. Jedoch kann Süle mit seinen 22 Jahren noch nicht viel Erfahrung vorweisen. Im Sommer absolvierte er beim Confed Cup sein erstes Nationalmannschafts-Turnier mit der A-Mannschaft, dieses Jahr spielt er zum ersten Mal beim FC Bayern international. Das ist der Vorteil seiner Konkurrenten. Matthias Ginter etwa ist Weltmeister, hat bei Dortmund international gespielt und ist jetzt bei Gladbach Stammspieler. So ähnlich ist es bei Mustafi, der immerhin beim englischen Top-Club Arsenal gesetzt ist. Und da wäre ja noch der Ex-Schalker Benedikt Höwedes, der jedoch bei seinem neuen Club Juventus Turin überhaupt nicht in Fahrt kommt. Verletzungen haben den 30-Jährigen immer wieder zurückgeworfen, weshalb er in dieser Saison bisher nur zwei Spiele absolviert hat und folglich auch nicht zu den beiden Testpartien der Nationalmannschaft eingeladen wurde.
Außenverteidiger sind traditionell rar
FORUM-Tipp: Höwedes ist trotz seiner bisherigen Leistungen aufgrund fehlender Spielpraxis raus. Da hat Süle deutlich bessere Karten, der sich bei Bayern durchgesetzt hat. Spannend kann es nochmal zwischen Mustafi und Ginter werden. Jedoch blieb Mustafi bei den beiden Testpartien zuhause, wohingegen Ginter eingeladen wurde – vielleicht eine mögliche Tendenz.
Auch auf den defensiven Außenbahnen der Nationalmannschaft wird es spannend. Obwohl Außenverteidiger in Deutschland bekanntlich rar sind, hat Löw dennoch eine Auswahl. Gute Chancen hat sicher der Berliner Marvin Plattenhardt, der dort bisher in jedem Bundesliga-Spiel über die volle Spielzeit zum Einsatz kam und die linke Außenbahn beackert. Löw schätzt ihn, das zeigt auch Plattenhardts Nominierung für die Testpartien gegen Brasilien und Spanien. Zu den Außenspielern kann durchaus auch Sebastian Rudy gezählt werden, der zwar beim FC Bayern eher im Mittelfeld eingesetzt wird, von Löw aber durchaus auch schon auf die Außenbahn beordert wurde. Der Ex-Hoffenheimer konnte sich beim Rekordmeister jedoch im hochkarätig besetzten Mittelfeld bisher nicht nachhaltig durchsetzen und kommt deshalb auf derzeit nur 21 Bundesliga-Einsätze. Weniger aussichtsreich sind die Chancen von Benjamin Henrichs von Leverkusen. Zwar zählte der 21-jährige Rechtsverteidiger schon zum Kreis der Nationalmannschaft, mittlerweile ist er aber wieder außen vor. Und das nicht nur bei Jogi Löw, auch in Leverkusen blieb er zuletzt mehrere Male ohne einen Einsatz.
Noch weniger Chancen hat momentan wohl nur Philipp Max. Der Augsburger spielt eine starke Saison und ist mit 13 Assists der derzeit beste Vorlagengeber der Bundesliga. Dennoch machte Löw laut der Passauer Neuen Presse vor den beiden Testspielen deutlich, dass Max derzeit in den WM-Planungen keine Rolle spiele.
FORUM-Tipp: Henrichs und Max bleiben wohl zuhause. Zwischen Rudy und Plattenhardt entscheidet sich Löw für Letzteren.
Mittelfeld/Angriff
Die besten Chancen haben hier wohl Julian Draxler von Paris Saint-Germain und Ilkay Gündogan, der nach seiner Verletzungszeit beim englischen Spitzenreiter Manchester City eine gute Rolle spielt. Und auch Leon Goretzka, der bei Schalke eine gute Saison spielt und auch deshalb ab der nächsten Saison beim FC Bayern kickt, dürfte wohl mitfahren – genauso wie Leroy Sané, der sich bei Manchester City durchgesetzt hat und dort bisher schon neun Tore in der Liga erzielt hat. Schon spannender wird es bei drei Dortmundern: Reus, Schürrle und Götze. Ersterer hat nach seiner langen Verletzungszeit gerade erst wieder fünf Einsätze für die Borussia in der Liga gemacht – doch schon konnte Reus wieder überzeugen. Bleibt er gesund, dürfte er wohl mitfahren. Schwieriger wird es für Schürrle, der bei Dortmund diese Saison nicht in Fahrt kommt – auch er hatte mit Verletzungen zu kämpfen. Jetzt ist er fit und stand zuletzt in der Bundesliga auch von Anfang an auf dem Platz. In der Kritik steht auch immer wieder Mario Götze, der beim BVB durchaus eine wichtige Rolle spielt. Seine Leistungen sprechen aber nicht unbedingt für ihn: Beim Kicker hat er eine Durchschnitts-Note von etwas über drei.
Bleibt WM-Held Götze zu Hause?
Eine bessere Position dürfte da Emre Can haben, der bei Jürgen Klopps FC Liverpool zum Dauerbrenner geworden ist. Teilweise lief der 24-Jährige sogar als Kapitän für die Engländer auf. Und trotz seiner eher defensiven Ausrichtung konnte Can auch schon drei Tore in der Liga erzielen. Ähnliche positive Werte hat Julian Brandt von Leverkusen vorzuweisen. Er kam bei Bayer bisher in allen Bundesliga-Spielen zum Einsatz, jedoch nicht immer von Anfang an. Immerhin erzielte er acht Tore, bereitete vier vor. Keine schlechte Statistik des 21-Jährigen. Er ist somit immerhin theoretisch noch im Geschäft um einen WM-Kader-Platz, wohingegen der lange verletzte Kerem Demirbay von Hoffenheim und der Amsterdamer Amin Younes außen vor sind.
FORUM-Tipp: Reus fährt hoffentlich gesund mit zur WM. Zudem wird Löw auf Abräumer Can setzen. WM-Torschütze Götze muss wohl zu Hause bleiben.
Sind sich Gomez und Wagner zu ähnlich?
Und dann gibt es da ja noch den Kampf zwischen den Stürmern. Die besten Chancen hat derzeit wohl Timo Werner von RB Leipzig, der immerhin schon elf Mal in der Liga eingenetzt hat. Spannend wird es zwischen den drei weiteren Kandidaten. Vor allem Mario Gomez und Sandro Wagner ähneln sich vom Spielertyp stark, weshalb davon auszugehen ist, dass nur einer von beiden mitfährt. Gomez ist direkt seit seiner Rückkehr nach Stuttgart dort wieder Stammspieler und hat sich mit zuletzt zwei Doppelpacks prächtig eingefügt (sieben Tore in der Liga insgesamt). Demgegenüber steht Wagner nun bei Rekordmeister Bayern unter Vertrag und bekommt dort dementsprechend weniger Spielzeiten. Dennoch konnte er auch dort schon einnetzen (insgesamt elf Tore in der Liga). Im Vergleich dazu werden Gladbachs Kapitän Lars Stindl wohl die geringsten Chancen eingeräumt, zumal er trotz Stammplatz nicht die Torquote seiner Konkurrenten erreicht.
FORUM-Tipp: Werner hat seinen Platz wohl sicher. Als zweiter Stürmer wird sich hauchdünn Sandro Wagner durchsetzen.